ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
I – 4
Von: Dr.
Pickerodt, Frau Dr.
Schwarzkopf-Steinhauser und Frau Schlang
als
Delegierte der Ärztekammer Berlin, der Bayerischen Landesärztekammer und der
Landesärztekammer Hessen
DER
DEUTSCHE ÄRZTETAG MÖGE FOLGENDE ENTSCHLIESSUNG FASSEN:
Vorbemerkung:
Das
Gesundheitswesen in Deutschland ist mit ca. 11 % vom BIP ausreichend
finanziert. Die BRD steht mit diesem Prozentsatz im internationalen Vergleich
auf einem der vorderen Plätze. Eine Erhöhung dieses Anteils ist solange nicht
notwendig, wie die Wirtschaftlichkeitsreserven nicht ausgeschöpft sind. Der
Anteil des medizinischen Fortschritts und der demographischen Veränderungen an
den Gesamtkosten ist niedriger als gemeinhin dargestellt.
1. Finanzierung – Einnahmeseite:
Durch
die hohe Arbeitslosenquote, die Übertragung versicherungsfremder Leistungen in
die GKV und die sinkende Lohnquote brechen die Finanzierungspläne der
gesetzlichen Kassen regelmäßig zusammen. Wenn die Beiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung im gesamtwirtschaftlichen Interesse nicht weiter steigen,
sondern eher gesenkt werden sollen, stehen grundsätzlich zwei Wege offen:
Entweder werden Leistungen reduziert bzw. ausgegrenzt (z. B. Zahnersatz,
Krankengeld etc.) oder die Kosten werden den Versicherten einseitig aufgebürdet
(z. B. Zuzahlungen, private Absicherung von Risiken durch Zusatzversicherungen
etc.). Die derzeit diskutierten Pläne stellen eine Mischung dieser Methoden
zulasten der Versicherten dar.
Demgegenüber
hält der Deutsche Ärztetag eine Verbreitung der Einnahmebasis mit dem Ziel der
Senkung von Lohnnebenkosten für den besseren Weg. Folgende Möglichkeiten stehen
zur Verfügung:
- Einnahmen
aus Vermögen und Vermietungen sollten zur Finanzierung der GKV mit herangezogen
werden, wobei sekundär ist, ob diese Einnahmen von der GKV oder dem
Staat eingetrieben werden.
- Eine
Versicherungspflicht für alle soll die „guten Risiken“ in die GKV
zurückzuführen. Es bleibt die Möglichkeit, Sonderbehandlung (z. B.
Chefarztbehandlung, Einbettzimmer etc.) privat abzusichern.
- Eine
deutliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen.
Eine
Kombination der drei erwähnten Faktoren könnte die Beiträge zur GKV auf geschätzte
11 % absenken und würde dadurch Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit
niedrigeren Einkommen entlasten.
Neue
Abgaben (z. B. Erhöhung der Tabaksteuer) können einen präventiven Effekt
haben und sind daher diskussionswürdig. Allerdings darf nicht übersehen werden,
dass der Einnahmeeffekt umso geringer wird, je höher der präventive ist.
Langfristig könnte diese Prävention sich allerdings auf der Ausgabenseite
bemerkbar machen.
Eine
Förderung der primären ärztlichen Versorgung durch Hausärzte wird angestrebt.
Den Zugang zum Hausarzt dann aber durch eine Zutrittsgebühr zu erschweren, wäre
eine Konterkarierung dieses Bemühens. Eine Gebühr nur für den primären
Facharztbesuch könnte das Primat des Hausarztes stärken, sollte aber
differenziert angewendet werden (z. B. Besuch des Frauenarztes,
Augenarztes).
2. Finanzierung – Ausgabenseite:
-
Da derzeit die
höchste Zuwachsrate der Ausgaben der GKV bei den Arzneimitteln liegt, sollte
die Positivliste so schnell wie möglich eingeführt werden. Der Nutzen neuer und
teurer Arzneimittel muss dabei eindeutig nach evidenzbasierten Daten nachgewiesen werden.
- Eine
integrierte Patientenversorgung mit dem Ziel, die starre Trennung von
ambulanter und stationärer Versorgung aufzuheben, kann zu einem Abbau von über- und
Fehlversorgung der Patienten führen und die Unterversorgung in wichtigen
Bereichen mindern.
- Auch eine
Förderung der medizinischen und psychosozialen Kompetenz der Hausärzte
durch entsprechende Veränderungen im Sozial- und Weiterbildungsrecht kann
diesem Ziel dienen.
- Eine
Sicherung der Qualität ärztlicher Tätigkeit (z. B. durch Anwendung
der Prinzipien von evidenzbasierter Medizin) kann auf der Ausgabenseite
positive Effekte haben.
- Eine
Förderung von Prävention wird langfristig ebenfalls ausgabenmindernd
wirken.
- Die
Honorierung ärztlicher Tätigkeit im ambulanten Bereich muss einerseits ein
ausreichenden Einkommen sichern, sollte aber andererseits die Möglichkeit
ausschließen, durch Mengenausweitung zu einer Gewinnmaximierung zu kommen.
Schlussbemerkung:
Gesundheit
ist kein Gut, welches auf dem Markt beliebig handelbar ist. Daher muss eine
Finanzierung des Gesundheitswesens auf einer solidarischen Grundlage erfolgen.
Eine weitere, einseitige Verlagerung der Kosten auf die Patienten bzw.
Versicherten wird daher entschieden abgelehnt. Die paritätische Finanzierung
von Sozialleistungen hat in über hundert Jahren zu einer Stabilisierung der
Gesellschaft geführt und darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.
ENTSCHEIDUNG: ABGELEHNT
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