Dr. Kühn, Baden-Württemberg:
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Dieses Thema steckt voller
Absurditäten. Nehmen Sie an, ein Pankreaschirurg braucht bis zum Jahresende
noch drei Fälle, um die Mindestmenge zu erreichen. Nach ärztlicher Erfahrung
ist Abwarten häufig besser, als zu aktiv zu sein. Aber die Frage, ob
der Chirurg genügend Fälle hat, geht in die Operationsentscheidung mit
ein – Ethik hin und her; da müssen wir ehrlich sein.
(Beifall)
Gehen Sie in solchen Fällen nicht im Dezember zur
Operation!
Es ist ein logischer Bruch vorhanden, wenn als
Mindestqualifikation beispielsweise 50 Mammaoperationen gefordert werden, aber nur fünf Ösophagusoperationen.
Dieser Bruch kann Gott sei Dank nicht dadurch beseitigt werden, dass
es weniger Ösophaguskarzinome gibt. Wenn fünf Ösophagusoperationen
im Jahr reichen, dann sollte sich niemand von Ihnen am Ösophagus operieren
lassen, wenn wir das so akzeptieren.
Die nächste Frage lautet: Was passiert, wenn ein
Chefarzt neu kommt? Was darf er? Was kann er? Was darf er nicht? Wer
soll das regeln? Wer ist so unkollegial, zu sagen: Du kannst das,
du kannst jenes, du kannst dieses aber nicht? Soll das die Ärztekammer
sagen? Soll das der Chef der Universitätsklinik verkünden? Das, was
einer kann, betrifft häufig auch die neu berufenen Chirurgen oder
die invasiv tätigen Kollegen an den Universitätskliniken.
Jeder Insider weiß, wie der Hase läuft: Wenn ein
neuer Chef kommt, stecken die Hausärzte ihre Köpfe zusammen und fragen,
was zu tun ist. Einer schickt einen Patienten hin und schaut, was
dabei herauskommt. Hausärzte haben ein Elefantengedächtnis für Misserfolge
invasiver oder operativer Verfahren bei
ihren Patienten. Wir wissen in meiner Heimatstadt Tübingen genau,
welchen Patienten wir wohin schicken. Auch Sie wissen das für Ihren
Bereich. Diese Regulation ist besser als jede amtliche oder von der
Ärztekammer vorgenommene Regulierung.
Es kann sein, dass ein Chefarzt keine Überweisungen
mehr für bestimmte Operationen erhält. Was darüber hinaus notwendig
ist, regelt zum einen die Qualitätskontrolle der Landesärztekammer
und zum anderen haben wir bereits Eingriffe der Politik, die berechtigt
sind, beispielsweise hinsichtlich der Transplantationszentren. In
Baden-Württemberg dürfen an bestimmten Universitätskliniken nur bestimmte
Organe transplantiert werden. Das hat auch wirtschaftliche Gründe.
Das ist richtig so. Ich sehe gar nicht ein, dass in den Verhandlungen
zwischen den Krankenkassen und den Krankenhausträgern nicht auch hinsichtlich
einer bestimmten Operation soll gesagt werden können: Das läuft ja
gar nicht, das sind wenige Fälle, das zahlen wir Krankenkassen in
diesem Hause nicht. Das schadet den Ärzten in ihrer Allgewalt und
in ihrer Heiligkeit nicht.
Ich denke, es ist schlimmer, wenn wir Ärzte in
Form der Kammer oder aus der Position des Universitätschefarztes heraus
sagen: Dieser Kollege darf das nicht mehr machen, der kann das nicht,
weil er nur zehn entsprechende Fälle operiert hat. Ich danke Herrn
Henke dafür, dass er auf die entsprechenden Absurditäten hingewiesen
hat.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Kühn. – Jetzt bitte Herr Mayer aus Bayern zur Geschäftsordnung.
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