Zimmer, Nordrhein:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren
über das Problem Mengen steuern, Qualität erzeugen. Ich möchte Ihnen
ein Beispiel dafür geben, wie man sich selbst erfüllende Prophezeiungen
generiert. Es gibt in unserer Region einen BEK-Strukturintegrationsvertrag
„Elektive Hüft-OP“. Danach läuft
der Patient bei einem an diesem Integrationsvertrag teilnehmenden niedergelassenen
Orthopäden auf. Dieser entscheidet darüber, ob der Patient in den Vertrag
hineinkommt, wonach zwei Jahre Gewährleistung gelten. Der Patient erhält
maximal 150 Euro Bonus. Wie muss
sich der niedergelassene Orthopäde, der unter Umständen gleichzeitig
Operateur in einem angeschlossenen Krankenhaus ist, verhalten? – Er
muss, um die Gewährleistung zu garantieren, sicherstellen, dass die
schlechten Risiken nicht im Rahmen des Integrationsvertrags operiert
werden. Er hat aber die Möglichkeit, da er in der vertragsärztlichen
Versorgung weiterarbeitet, diesem Patienten eine reguläre Einweisung,
den berühmten roten Schein, zu geben.
Das wird im Ergebnis dazu führen, dass es in zwei
oder drei Jahren eine Gruppe von Patienten gibt, die im Rahmen des
Operationsvertrages operiert wurden und in der Regel auch keine Garantiefälle
geworden sind. Wir verlassen hier ja den Dienstleistungsbereich und
werden zum Partner eines Werkvertrages. Das wird der Politik und den
Krankenkassen die Möglichkeit zu der Aussage eröffnen: Unsere Integrationsverträge
sind hervorragend.
Auf der anderen Seite werden aus diesem System
die schlechten Risiken in die reguläre weitere Versorgung herausgesteuert.
Das Ergebnis ist, dass dort, exzellent belegt, immer schlechtere Qualität
produziert werden wird, weil man die Patienten ja nicht im Integrationsvertrag
mit den wunderbar ineinander übergehenden Strukturen versorgt hat.
Wir sollten uns vor diesem Hintergrund genau überlegen,
was wir eigentlich erreichen, wenn wir bestimme Qualitäten definieren
und diese über die Menge festmachen. Für mich, der ich im niedergelassenen
Bereich tätig bin, ist es nach wie vor sehr leicht: Ich kann eine
Reihe meiner Patienten hervorragend steuern, wo sie ihre Ösophaguskarzinome
oder ihre Lungenchirurgie brauchen. Aber ich kann bei diesen Verträgen,
durch die der Patient mit Geld gelockt wird, eine sich dadurch abzeichnende
Entwicklung nicht mehr aufhalten, weil das ökonomische Interesse einzelner
Patienten, aber auch das ökonomische Interesse ärztlicher Kollegen
einen anderen Weg vorschreibt.
Derartige Verträge sind nach meiner Vorstellung
unmoralisch. Sie führen dazu, dass wir verloren haben, wenn wir für
alle Menschen eine gute medizinische Qualität bereitstellen wollen.
Danke schön.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Zimmer. – Als nächster Redner bitte Herr Privatdozent
Scholz aus Hessen. |