TOP III: Novellierung einzelner Vorschriften der (Muster-) Berufsordnung

Tag 2: Mittwoch, 19. Mai 2004 Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Kunze, Bayern:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Herrn Professor Flenker, dem Vorsitzenden der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer, sehr dankbar dafür, dass er in seinem Referat die Problematik so eindeutig und eingehend erläutert hat. Er hat auch darauf hingewiesen, dass es kritische Stimmen gibt. Auch für diese Aussage bin ich ihm dankbar, denn damit hat er den Boden für die folgende Diskussion vorbereitet.

Ich muss sagen, die Anträge, die darauf abzielen, hier zwar die Diskussion zu führen, eine Abstimmung aber zu verschieben – möglicherweise zu verhindern –, sind nach dieser Darstellung von Herrn Kollegen Flenker nicht sehr zielführend.

(Beifall)

Ich bin der Meinung, der Deutsche Ärztetag ist für diesen Haupttagesordnungspunkt gut präpariert, er hat sich gut vorbereitet. Unsere Kolleginnen und Kollegen draußen erwarten, dass der Deutsche Ärztetag zu dieser Frage eine eindeutige Stellungnahme abgibt.

(Beifall)

Ich bin von vielen Kollegen gefragt worden: Vollzieht denn die deutsche Ärzteschaft jetzt die wesentlichen Bestimmungen, die uns das GKV-Moderni­sierungsgesetz bietet? Die Kollegen haben uns als Delegierte zu diesem Ärztetag mit der Bitte angesprochen: Vollzieht das, was an Möglichkeiten eröffnet wird, soweit ihr es mittragen könnt. Deswegen bitte ich Sie, die Anträge auf Verschiebung oder Vertagung der Abstimmung negativ zu bescheiden. Ich glaube, eine solche Vertagung können wir uns einfach nicht leisten. Wir müssen in dieser wichtigen Frage Stellung beziehen.

(Beifall)

Ich meine, dass die Änderungen der (Muster-)Berufsordnung zwar eine revolutionäre Änderung unserer bisherigen Berufsausübungsbestimmungen darstellen, aber wir sollten den Mut haben, die positiven Ansätze zu verbalisieren.

Deswegen kann ich voll und ganz die §§ 17 und 18, die Präambel usw. unterstützen. Ich möchte Sie allerdings auf § 19 Abs. 2 besonders hinweisen. Ich bitte Sie ganz herzlich, § 19 Abs. 2 mit großer Mehrheit abzulehnen, und zwar aus folgendem Grund. Ich habe bereits betont, dass wir die positiven Elemente der Änderungen sehen sollten. Dann dürfen wir aber mit § 19 Abs. 2 keinen Rückschritt vornehmen, indem wir uns selbst die Fessel anlegen, dass nur bestimmte Kolleginnen und Kollegen – sei es bei Kooperationsformen, sei es beim Medizinischen Versorgungszentrum – die Gelegenheit haben, reihenweise andere Fachärzte anzustellen. Gegen das Anstellungsverhältnis habe ich überhaupt nichts. Die Ministerin hat gestern noch einmal betont, dass sie das als eine Chance für diejenigen Kolleginnen und Kollegen ansieht, die keine Investitionen vornehmen wollen, die nicht in einem freien wirtschaftlichen Betrieb arbeiten wollen, die mit Teilzeit und anderen Möglichkeiten im Anstellungsverhältnis arbeiten wollen. Was diese Kolleginnen und Kollegen aber nicht wollen: als Knecht von irgendwelchen Praxisinhabern zu arbeiten. Ich habe während meiner langjährigen Tätigkeit als Krankenhausarzt immer betont, dass wir den Arztberuf auch im Angestelltenverhältnis als einen freien Beruf auffassen. Karsten Vilmar hat immer betont, dass der Arztberuf, gleichgültig wo er ausgeübt wird, seiner Natur nach ein freier Beruf ist.

Dem widerspricht der Vorschlag, in § 19 Abs. 2 die Weichen für ein Abhängigkeitsverhältnis zu stellen. Es geht mir nicht um die Liquidation. Es ist sowieso klar, dass wir damit Tore öffnen, die wir nicht mehr schließen können. Mir geht es um die Weisungsbefugnis bestimmter Gruppen von Ärzten, die solche Institutionen leiten. Wir Krankenhausärzte haben uns eben nicht als Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers gefühlt, sondern als Ärzte in einem Anstellungsverhältnis. Das erwarte ich auch in den Medizinischen Versorgungszentren.

Wir dürfen nicht riskieren, dass sich solche Arztketten mit dem Schild „Medizinisches Versorgungszentrum“ gründen, und eine vertragsärztliche Tätigkeit in einem solchen Versorgungszentrum verhindert wird. Wir müssen dafür sorgen, dass wir gleich lange Spieße haben. In einem Versorgungszentrum müssen Vertragsärzte ebenso wie Krankenhausärzte mitarbeiten können, aber nicht als Erfüllungsgehilfen des Versorgungszentrums. Ich glaube, das muss man so deutlich aussprechen, damit wir wissen, worum es geht.

Ich bitte Sie ganz herzlich, § 19 Abs. 2 abzulehnen. Das erwarten unsere Kollegen von uns. Sie erwarten keine Verschiebung, sondern eine konsequente Ablehnung des § 19 Abs. 2, weil das eine Bestimmung ist, mit der wir uns Fesseln anlegen.

Es befinden sich bereits eine Reihe von Versorgungszentren in Gründung. Wir müssen unsere Kolleginnen und Kollegen im vertragsärztlichen und im Krankenhausbereich auffordern, sich dort zu beteiligen. Die Krankenhausträger, allen voran die privaten, stehen vor der Tür und wollen diese in Gründung befindlichen Versorgungszentren übernehmen. Der Vorstandsvorsitzende des Rhön-Klinikums hat erklärt: Es gibt viele hektische Vertragsabschlüsse und voreilige Aktionen. Es sei Taktik des Rhön-Klinikums, diese Kleinaktionen erst einmal abzuwarten. Wörtlich: Danach kommt die große Dampfwalze und kauft diese Versorgungszentren auf.

So weit darf es nicht kommen! Wir müssen vorher funktionsfähige Einheiten schaffen, damit nicht die von Herrn Münch erwähnte Dampfwalze kommt und die Versorgungszentren aufkauft.

Ich bitte Sie, den entsprechenden Antrag gegen § 19 Abs. 2 anzunehmen, damit wir eine klare Aussage gegen § 19 Abs. 2 haben.

Vielen Dank.

(Beifall)

© 2004, Bundesärztekammer.