ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
I - 07
Auf Antrag von Dr. Munte und Dr. Hoppenthaller (Drucksache I-07)
fasst der 107. Deutsche Ärztetag folgende Entschließung:
Der Gesetzgeber wird aufgefordert, durch Änderung der maßgeblichen
Vorschriften im SGB V und in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte
die Ungleichbehandlung von Medizinischen Versorgungszentren einerseits
und niedergelassenen Vertragsärzten andererseits hinsichtlich
der Möglichkeiten zur Anstellung von Ärzten sowohl in
offenen als auch gesperrten Planungsbereichen zu beseitigen.
Begründung:
Der namhafte Verfassungs- und Kassenarztrechtler, Professor Dr.
Friedrich E. Schnapp kommt in einem im Auftrag der Kassenärztlichen
Vereinigung Bayerns erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die
Vorschriften, welche den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)
weitergehende Möglichkeiten zur Anstellung von Ärzten
einräumen als den niedergelassenen Ärzten, gegen den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz verstoßen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss eine
besonders strenge Prüfung vorgenommen werden, wenn verschiedene
Personengruppen (wie hier die in einem MVZ tätigen Vertragsärzte
und die nicht in einem MVZ tätigen Vertragsärzte) ungleich
behandelt werden. Das gilt vor allem, wenn die Betroffenen die Voraussetzungen,
welche zu einer Begünstigung führen, in ihrer Person nicht
oder nur schwer erfüllen können. Es kann ja auch nicht
jeder Vertragsarzt ohne weiteres ein MVZ gründen bzw. in einem
MVZ tätig sein. Im übrigen wäre ein solcher mittelbarer
Zwang für den Vertragsarzt, sich einem MVZ zuwenden zu müssen,
um unter günstigeren Bedingungen Ärzte anstellen zu können,
ein Eingriff in die Berufsfreiheit. Denn diese erfasst auch die
freie Wahl unter den Betätigungs- bzw. Kooperationsformen,
die für die Ausübung des Arztberufs in freier Praxis zulässigerweise
zur Verfügung stehen.
Eine Ungleichbehandlung beider Gruppen wäre nur insoweit gerechtfertigt,
als zwischen den Betroffenen Unterschiede von entsprechender Art
und Gewicht vorliegen, die es zu berücksichtigen gilt. Solche
Unterschiede vermag der Gutachter zwischen den Vertragsärzten
im MVZ und den übrigen Vertragsärzten in Bezug auf die
Anstellung von Ärzten in keiner Weise zu erkennen. Der Gutachter
weist darauf hin, dass nach der amtlichen Begründung zum GMG
der Wettbewerb zwischen verschiedenen Versorgungsformen ermöglicht
werden solle. Wenn der Gesetzgeber aber einen solchen Wettbewerb
initiieren will, erfordert es gerade das Prinzip der Systemgerechtigkeit,
dass auch Wettbewerbsgleichheit herrscht, also den konkurrierenden
Versorgungsformen gleiche (Ausgangs-) Chancen zur Teilnahme an diesem
Wettbewerb eingeräumt werden.
Diese sachlich nicht zu begründende Ungleichbehandlung verletzt
zugleich das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit der niedergelassenen
Ärzte.
Darüber hinaus hält es der Gutachter für zumindest
fraglich, ob die Vorschriften sich auf die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit
des Bundes stützen lassen, da berufsbezogene Regelungen, die
sich auf die Heilberufe beziehen, grundsätzlich in die Gesetzgebungszuständigkeit
der Länder fallen.
Im Hinblick auf die rechtlichen Bedenken und die vor allem in ländlichen
Bereichen für den einzelnen Vertragsarzt faktisch nur sehr
eingeschränkt vorhandenen Chancen, ein (fachübergreifendes)
MVZ zu realisieren, sollte an den Gesetzgeber appelliert werden,
die Möglichkeiten zur Anstellung auch bei einem einzelnen Vertragsarzt
außerhalb des MVZ entsprechend zu erweitern. Die einseitige
Privilegierung des MVZ könnte ansonsten auch negative Auswirkungen
auf eine ausreichende patientennahe Versorgung zeitigen.
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