ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
VI - 12
Auf Antrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (Drucksache
VI-12) fasst der 107. Deutsche Ärztetag folgende Entschließung
mit großer Mehrheit:
Nach den gegenwärtigen gesetzlichen Vorgaben wird die zweijährige
budgetneutrale DRG-Einführungsphase mit dem Jahr 2004
enden. Innerhalb der ab dem Jahr 2005 beginnenden Konvergenzphase
sollen die bisher krankenhausindividuellen Basisfallwerte und DRG-Erlöse
in drei Stufen bis zum 01.01.2007 durch vom jeweiligen Krankenhaus,
seiner Versorgungsstufe und seinem Versorgungsauftrag unabhängige
landesweite DRG-Einheitsvergütungen ersetzt werden. Damit ergeben
sich bereits im Jahr 2005 massive Umverteilungen, die für das
einzelne Krankenhaus einen Budgetzuwachs oder -abschlag im zweistelligen
Prozentbereich bedeuten können und damit für viele Krankenhäuser
unmittelbar zur existenziellen Frage werden.
Dass aus dieser Umverteilung keine ungerechtfertigten Verlierer
hervorgehen, setzt voraus, dass diese nach einem leistungsgerechten
Maßstab erfolgt. Das G-DRG-System wird diesem Anspruch trotz
mit der Version 2004 erreichten und mit der Version 2005 zu erwartenden
Verbesserungen nicht gerecht werden.
Die Ursachen hierfür liegen zum einen darin, dass sich die
dem G-DRG-System zu Grunde liegenden Diagnosen- und Prozedurenklassifikationen,
Kodierrichtlinien, Abrechnungsbestimmungen, Kalkulationsgrundlagen
und Anpassungsgrundsätze noch in einem erheblichen qualitativen
und quantitativen Umbruch befinden. Zum anderen sind noch wesentliche
Probleme ungelöst, die mit der planmäßigen Umsetzung
der Konvergenzphase zu einer Massenflucht in die gesetzlichen Ausnahmetatbestände
oder zu ernsten Verwerfungen führen werden. Diese bestehen
insbesondere in
- der systematischen Benachteiligung von Maximalversorgern, komplexen
und hochspezialisierten Versorgungsangeboten durch die Methodik
der Erlösangleichung während der Konvergenzphase,
- der nach wie vor unzureichenden Abbildung von Mehrfachleistungen
bei Komplexfällen (z. B. in Transplantationsmedizin und Intensivtherapie,
Gefäß- und Unfallchirurgie, Plastischer Chirurgie und
Onkologie),
- der nach wie vor fehlenden Möglichkeit zur Abbildung mehrerer
behandlungsrelevanter Hauptdiagnosen,
- der nach wie vor inkonsistenten Nebendiagnosenqualifikation als
vergütungswirksame Schweregrad-Kriterien (z. B. bei Infektionen),
- der noch nicht fachübergreifend gleichwertig sachgerechten
Leistungs- und Schweregradabbildung über DRG-relevante Diagnosen-
und Prozedurenklassifikationen (z. B. in der Mikrobiologie, Pathologie
und bei Stroke Units),
- der teilweise noch ungenügenden Abbildung von Komplexeingriffen
(z. B. plastisch-rekonstruktive Tumorchirurgie),
- der noch ungenügenden Berücksichtigung spezieller Versorgungsangebote
u. a. infolge des sogenannten „Einhaus-Kalulationsansatzes“
(z. B. bei HIV-Schwerpunkten, Phoniatrie und Pädaudiologie,
Neonatologie, Kinderkardiologie, Parkinsonfachkrankenhäuser),
- der noch unzureichenden Möglichkeiten zur einheitlichen
Kalkulation, Validierung und Festlegung von Zusatzentgelten (z.
B. Blutgerinnungsfaktoren, Chemotherapie),
- der noch unzureichenden Abgrenzungen teilstationärer und
ambulant erbringbarer Leistungen,
- der nicht den klinischen Abläufen entsprechenden Verlegungs-
und Wiederaufnahmeregelungen (z. B. multimodale Behandlungskonzepte),
- den in wesentlichen Fragestellungen (z. B. bei Transplantationen)
für Krankenhäuser wie Kostenträger unangemessenen
Erlösausgleichsregelungen,
- der noch nicht hinreichenden Abgrenzung und Sicherstellung der
ausreichenden Finanzierung der präklinischen Rettung und Notfallversorgung
sowie
- der noch immer fehlenden sachgerechten Gegen- bzw. Ausgleichsfinanzierung
von Leistungsverlagerungen zwischen der stationären Versorgung
und anderen Versorgungsbereichen.
Aus diesen Gründen besitzt das ohne vorherige Evaluation im
Jahr 2004 erst im zweiten Anwendungsjahr eingesetzte DRG-Vergütungssystem
nach § 17 b KHG trotz anzuerkennender Fortschritte für
die sachgerechte Umsetzung der Konvergenzphase im Jahr 2005 weder
die erforderliche Reife noch die notwendige Stabilität und
Ausgewogenheit.
Die angespannte Finanzlage unseres Gesundheitssystems erlaubt es
nicht, die Krankenhausfinanzierung durch ein unausgereiftes Verteilungsinstrument
zu einem Glücksspiel zu machen. Die Verantwortung gegenüber
der Motivation und den Arbeitsplätzen des ärztlichen und
nichtärztlichen Krankenhauspersonals, insbesondere aber die
Verpflichtung gegenüber unseren Patienten verbietet es, dass
notwendige Versorgungsstrukturen und Einrichtungen auf Grund einer
mangelhaften Abbildung im DRG-Vergütungssystem zum unverdienten
Verlierer der Konvergenzphase werden.
Die Konvergenzphase muss durch eine systematische Korrektur, z.
B. durch Beschränkung auf sachgerecht abbildbare Standardleistungen,
Anpassung des Zeitrahmens oder eine Anpassung der Ausnahme- oder
Ausgleichstatbestände so modifiziert werden, dass eine systembedingte
Fehlverteilung der Krankenhausfinanzierung sicher ausgeschlossen
werden kann. Eine „Toll-Collect“-Erfahrung mit der DRG-Einführung
kann und darf sich unser Gesundheitssystem nicht leisten!
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