Eröffnungsveranstaltung

1. Tag: Dienstag, 3. Mai 2005

Ulla Schmidt, MdB, Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
Sehr geehrter Herr Professor Hoppe! Sehr geehrter Herr Jonitz! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jonitz hat mir gerade verraten, dass er ausdrücklich dieses Allegro bestimmt hat, ehe ich zum Rednerpult gehe, weil er ein bisschen um die Bewandtnisse im Gesundheitswesen weiß und wir oft über das geredet haben, was der Ökonom Uwe Reinhardt so ausgedrückt hat: Egal wie viel Geld eine Gesellschaft für ihr Gesundheitswesen ausgibt – es ist immer zu wenig.

Die zweite Regel ist: Egal wie groß die Gesundheitsreform in einem Land war – sobald sie verabschiedet ist, sagen alle: Wann kommt denn die Reform, und zwar die richtige?

Der dritte Punkt ist – auch deshalb hat Herr Jonitz dieses Allegro ausgewählt –, dass alle Gesundheitsminister dieser Welt in ihrem früheren Leben etwas ganz Schreckliches getan haben müssen, sonst wären sie nicht geworden, was sie sind.

Ich habe dies erwähnt, um zu zeigen: Die Probleme im Gesundheitswesen sind, in welchem Land dieser Welt wir uns auch bewegen, ob innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union, überall gleich. In Ländern, die sehr wenig ausgeben – ich habe gestern mit dem bulgarischen Gesundheitsminister gesprochen, der mir sagte, dass man dort pro Patient im Jahr nur 100 Euro ausgeben kann – –

(Unruhe)

– Man braucht darüber gar nicht so zu raunen. Für die Länder in Osteuropa und die dort lebenden Menschen ist es eine Aufgabe, Anschluss an eine gute medizinische Versorgung zu finden. Neben dem Demokratisierungsprozess gibt es einen Prozess, durch den sie an die Entwicklungen, die es bei uns gibt, angeschlossen werden wollen.

Ich verstehe die Debatten. Ich bin gern Ihrer Einladung gefolgt, Herr Professor Hoppe. Es ist für mich selbstverständlich, dass ich komme. Wir diskutieren mit vielen von Ihnen auf vielen unterschiedlichen Ebenen, auf denen Sie Verantwortung tragen: in Organisationen, in KVen, in den einzelnen Kliniken, in Praxisnetzen usw. Wir kommen nur dann weiter, wenn wir miteinander reden, wenn wir uns austauschen und sehen, was jede Ebene an Verantwortung übernehmen kann.

Ich weiß, dass es immer Differenzen wird geben müssen, weil die Interessen, die von jeder Seite vertreten werden, zueinander finden müssen, weil Probleme, die sich häufig wie die Quadratur des Kreises ausnehmen, gelöst werden müssen.

Erlauben Sie mir, dass ich, bevor ich auf die Themen des Deutschen Ärztetages eingehe, zwei Dinge erwähne, die mir besonders am Herzen liegen. Der erste Punkt ist auch Inhalt der Reden gewesen, die wir hier gehört haben, ist auch Inhalt der Kämpfe innerhalb der Ärzteschaft, ist Gegenstand vieler Diskussionen, die wir auf den unterschiedlichen Ebenen führen. Es geht um die Frage der Endlichkeit der Ressourcen, die es im Gesundheitswesen gibt. Darüber müssen wir offen diskutieren. Ihnen muss ich am allerwenigsten erzählen, dass – Herr Jonitz hat sehr eindrucksvoll darauf hingewiesen – der medizinische Fortschritt sich in immer kürzeren Abschnitten und mit einer immer größeren Dynamik vollzieht. Wir sind froh, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der die Menschen die Chance haben, länger zu leben, und auch die Chance haben, gesünder und mit Lebensqualität alt zu werden. Dies alles hat auch mit dem medizinischen Fortschritt zu tun. Durch neue Medikamente, neue Therapien, neue Diagnosemethoden gibt es neue Heilungschancen und die Lebensqualität vieler Menschen wird verbessert.

Bei aller Anerkennung muss es, glaube ich, erlaubt sein, über den sinnvollen Einsatz der Ressourcen zu reden. Wir müssen über die Frage reden: Wo ist der medizinische Fortschritt sinnvoll einsetzbar? Wo bringt er den höchsten medizinischen Nutzen? Wie können wir es organisieren, dass wir für unsere Bevölkerung – 80 Millionen Menschen, Frauen, Männer und Kinder – garantieren können, dass sie am medizinischen Fortschritt teilhaben können? Das ist eine Frage, über die wir uns auseinander setzen müssen. Man darf nicht glauben, dieses Problem würde gelöst, wenn wir die Entwicklung allein dem Prinzip von Angebot und Nachfrage überlassen.

Wir müssen auch bei Entscheidungen über die Verteilung von Gesundheitsleistungen die Frage der Wirtschaftlichkeit und der Finanzierbarkeit mit einfließen lassen, so bitter das vielleicht für den einen oder anderen ist, weil man derartige Entscheidungen gern frei von ökonomischen Überlegungen treffen möchte.

Das hat nicht unbedingt etwas mit der Frage einer Ökonomisierung des Gesundheitswesen zu tun, sondern es geht darum, dass wir das Machbare und das Sinnvolle gegeneinander abwägen. Ich finde, dies zu tun, ist kein Widerspruch zu der Situation, ein guter Arzt oder eine gute Ärztin zu sein.

Es geht auch um den Anspruch, keine von außen her gesetzte Rationierung zu wollen. Es geht dabei auch um ethische Entscheidungen im Gesundheitswesen. Angesichts des medizinischen Fortschritts leben wir Gott sei Dank länger und viele Krankheiten, die früher nicht behandelbar waren, sind heute behandelbar. Darauf muss ich nicht weiter eingehen, das hat Herr Jonitz schon getan.

Wenn wir nicht die Frage nach dem medizinischen Nutzen stellen, wenn wir nicht fragen, wo er sinnvoll eingesetzt werden soll, wenn wir uns nicht die Frage stellen, wie wir sinnvoll mit den Ressourcen umgehen, werden irgendwann ganz andere Entscheidungen Eingang in die Medizin finden.

Darum führt kein Weg daran vorbei, über Kosten und Nutzen von medizinischen Leistungen offen zu reden. Im Rahmen dieser Diskussion ist mit Ihnen, den Ärztinnen und Ärzten, zu reden. Zu Recht liegt die Entscheidung, welche Behandlung für einen Menschen sinnvoll und notwendig ist, beim Arzt oder bei der Ärztin. Maßstab bei dieser schwierigen Entscheidung muss vor allem anderen der Nutzen für den Patienten und auch der Gewinn an Lebensqualität sein. Ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Ich will diese Diskussion und bitte Sie, mit in diese Diskussion einzusteigen. Ich möchte nämlich nicht, dass wir darüber diskutieren, ob wir eine Rationierung entlang von Altersgrenzen brauchen, wie sie von einigen jungen Menschen oder Nachwuchspolitikern und Nachwuchsstars gefordert wird. Ich will auch nicht, dass wir Diskussionen darüber führen, ob eine Teilhabe an Innovationen nur noch für diejenigen möglich ist, die das notwendige Geld dazu haben.

(Vereinzelt Beifall)

Meine Damen und Herren, ich höre manchmal – ich habe es auch heute wieder in einigen Zeitungsartikeln gelesen –, dass manche Ökonomen oder die, die sich dafür halten,

(Zurufe)

und auch andere, die gern darüber schreiben, glauben, dass der Ausstieg aus dem solidarisch finanzierten Gesundheitswesen, eine reine Kapitaldeckung in der Gesundheitsversorgung oder allein die Loslösung und eine Abkoppelung von den Lohnnebenkosten diese Endlichkeit der Ressourcen aufheben würden. Dazu kann ich nur sagen: Das ist ein Irrtum; denn jeder Cent, der, egal ob unabhängig vom Lohn, kapitalgedeckt oder umlagefinanziert in die Gesundheitsversorgung einfließt, muss zunächst einmal erwirtschaftet werden, muss vom Einzelnen verdient werden. Hier ist schon zu Recht angesprochen worden, dass es bei allen Fragen darum gehen muss, auch denen, die es allein nicht schaffen, ihre Gesundheitsversorgung abzusichern, denen, die in dieser Gesellschaft die Schwächeren sind, den Zugang zu medizinischen Leistungen zu gewährleisten, wie wir es gewohnt sind. Wenn wir das, was für meine Generation selbstverständlich war, auch für die kommenden Generationen aufrechterhalten wollen, brauchen wir mehr Solidarität und nicht weniger.

Die solidarische Finanzierung ist die einzige Absicherung, dass diejenigen, die schwach sind, das bekommen, was sie brauchen, weil die stärkeren Schultern mit dafür eintreten.

(Vereinzelt Beifall)

Solche Entscheidungen fallen auch mir nicht leicht. Es ist keine einfache Situation, der Sie als Ärzte und Ärztinnen auch ausgesetzt sind, wenn jemand sagt: Hier gibt es bestimmte Dinge, die mir vielleicht helfen, warum wird das in der Versorgung nicht vorgesehen? Darauf muss man eine Antwort finden.

Nicht einfach fallen auch die Antworten auf die vor allen Dingen in den Kliniken gestellte Frage: Wie gehen wir mit der Hochleistungsmedizin um? Müssen hoch technisierte Apparate in jedem Krankenhaus vorhanden sein? Natürlich wünscht sich das jedes Krankenhaus.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt: Wenn wir wollen, dass der medizinische Fortschritt für alle auch in Zukunft finanzierbar ist, dann müssen wir auch den Mut haben, zu sagen: Nicht alles kann und muss überall zur Verfügung stehen. Ich persönlich halte viel davon, dass wir eine sehr offene Diskussion darüber führen, die Hochleistungsmedizin auf spezialisierte und innovative Zentren zu konzentrieren.

Ich sehe die Gefahr, dass wir, weil wir darüber nicht offen diskutieren und die entsprechenden Wege nicht beschreiten, in die Situation geraten, dass uns Mittel an anderen Stellen fehlen, wo wir sie brauchen, beispielsweise im palliativmedizinischen Bereich. Wir alle sagen, dass wir diese Mittel in unserem Gesundheitssystem für unverzichtbar halten. Wir müssen aber feststellen, dass diese Leistungen heute nicht allerorts bedarfsgerecht vorgehalten werden können.

Damit bin ich bei einem zweiten Punkt, der für mich wichtig ist und der etwas mit aktuellen Diskussionen auch in einer Gesellschaft des längeren Lebens zu tun hat. Es geht um die Frage: Wie schaffen wir eine bestmögliche Versorgung von kranken Menschen am Ende ihres Lebens? Gestatten Sie mir, dass ich hier noch einmal auf die Debatte und auch auf das Schicksal der Wachkomapatientin Terri Schiavo eingehe. Das hat nicht nur mich, sondern auch viele von Ihnen emotional berührt und zum Nachdenken bewegt. Es steht mir nicht an – ich kann dies nicht –, zu beurteilen, ob in diesem Fall die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Dazu sind wir zu weit weg. Wir kennen dazu viel zu wenig die medizinischen Grundlagen und andere Fakten. Eines weiß ich jedoch genau: Mit der Würde eines Menschen, auch eines sterbenden Menschen, ist es unvereinbar, eine kranke und sterbende Frau, die weder eine Einwilligung geben noch sich wehren kann, in den Medien zur Schau zu stellen.

(Beifall)

Das hat mit seriöser Berichterstattung nichts mehr zu tun. Das sollten wir, glaube ich, ganz klar sagen.

Wenn wir eine Lehre aus dem Schicksal von Terri Schiavo ziehen können, dann die – da bin ich mit Herrn Professor Hoppe einer Meinung –, dass die Diskussion über die Würde des Menschen die Würde des Sterbens mit einbeziehen muss und dass wir alles daransetzen sollen, dass jeder und jede sich mit diesem Thema auseinander setzt und beispielsweise in Form einer rechtssicheren Patientenverfügung darlegt, wie der Einzelne für sich diese Wahrung der Würde definiert. Jeder soll die Chance haben, darüber nachzudenken, was geschehen soll, wenn er durch eine schwere Krankheit oder einen Unfall nicht mehr für sich selbst sprechen kann.

Hier haben die Ärzte und Ärztinnen, die im direkten Kontakt mit den Patienten stehen, die ja auch oft Ansprechpartner bei anderen als medizinischen Problemen sind, als Vertrauenspersonen eine große Verantwortung. Sie spielen hier eine große Rolle. Ich bitte Sie, diesen Prozess zu begleiten. Ich halte ihn bei der weiteren Entwicklung in unserer Gesellschaft für ganz wichtig.

Ich füge hinzu – deshalb habe ich vorhin das Beispiel der Palliativmedizin erwähnt –: Wer will, dass die Menschen in Würde sterben können, muss auch die Entscheidungen für eine adäquate palliativmedizinische Versorgung treffen.

Ich bin überzeugt: Nur wenn die Menschen wissen, dass sie am Ende ihres Lebens bestmöglich versorgt und so weit, wie es möglich ist, vor Schmerzen bewahrt werden, können wir ein Aufkeimen der Diskussion um die aktive Sterbehilfe verhindern. Alle, die Verantwortung im Gesundheitswesen tragen, leisten hier schon zu einem großen Teil ihren Beitrag. Wir können aber noch mehr tun. Wir haben, wie Sie wissen, die Palliativmedizin in der neuen Approbationsordnung verankert. Das war ein wichtiger Schritt, aber wir müssen genau beobachten – da bitte ich Sie um Unterstützung und Mithilfe –, ob sich die Situation der Palliativmedizin tatsächlich verbessert oder ob es weiterer Änderungen auch gesetzlicher Rahmenbedingungen bedarf.

Meine Damen und Herren, wenn ich das hier sage, verbinde ich dies mit einem unmissverständlichen Nein zu jeglicher Form aktiver Sterbehilfe.

(Beifall)

Ich teile in diesem Punkt voll und ganz die Meinung des Ärztetages: Aktive Sterbehilfe darf es in Deutschland nicht geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nun zu den Themen kommen, mit denen Sie sich auf dem diesjährigen Ärztetag befassen werden. Ich begrüße es sehr, dass die Themen ärztliches Fehlermanagement und Patientensicherheit ganz oben auf der Agenda stehen. Für mich ist das ein sehr positives Signal, dass nach jahrelangen Diskussionen, die wir geführt haben, eine neue Kultur der Offenheit in dieser Frage Einzug hält. Speziell die jüngste Rede des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie ist ein deutlicher Beweis dafür. Ich halte das für eine wichtige und wegweisende Rede. Ich teile die Auffassung, dass Fehler nicht als eigenes Versagen behandelt werden sollen, sondern dass Fehler öffentlich diskutiert werden sollen, und zwar nicht mit dem Ziel, den Einzelnen als denjenigen darzustellen, der als Einziger Fehler macht, sondern mit dem Ziel, durch ein gutes Fehlermanagement dafür zu sorgen, dass aus Fehlern, die im menschlichen Handeln nicht verhindert werden können, gelernt wird und aus der Diskussion darüber die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass alle Einrichtungen in die Lage versetzt werden, dort, wo es Fehlerquellen gibt, diese abzustellen und durch derartige Verbesserungen die Patientensicherheit zu erhöhen.

Einrichtungen wie das „Aktionsbündnis Patientensicherheit“ oder das neue Fehlererfassungssystem der KBV sind vielversprechende Ansätze, die ich sehr begrüße. Besonders erfreulich ist, dass sich im „Aktionsbündnis Patientensicherheit“ alle Beteiligten, einschließlich der Patientenvertreter, zusammengeschlossen haben. Mein Ministerium beabsichtigt, die Arbeit dieses Bündnisses nicht nur ideell, sondern auch finanziell zu unterstützen.

Meine Damen und Herren, die Patientensicherheit wird dort gestärkt, wo die mündige Patientin oder der mündige Patient dem Arzt auf gleicher Augenhöhe gegenübersteht. Darüber diskutieren wir ständig. Gott sei Dank sind die Zeiten vorbei, dass allein die Ärzte für die Patienten entscheiden müssen. Deswegen fördern wir auch Projekte, die sich mit der Verbesserung der Patientenbeteiligung befassen. Eine Bilanz dieser Förderpolitik und der gemeinsamen Anstrengungen mit der deutschen Ärzteschaft zieht vom 23. bis zum 25. Mai der Kongress „Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess“, der uns sicherlich viele neue Anregungen wird geben können, wie wir im ärztlichen Entscheidungsprozess die Rolle der Patienten und Patientinnen stärken können.

Ein konkretes Beispiel für den Patientenschutz lässt sich am Thema der Schönheitschirurgie festmachen. Es wird ja bisweilen der Eindruck erweckt, dass Schönheit mit Skalpell und Botoxinjektionen praktisch komplikationslos möglich sei. Dabei wird verschwiegen, dass kosmetische Operationen chirurgische Eingriffe sind und deshalb nicht ohne Risiken.

Auch Schönheitsoperationen, über die wir gemeinsam diskutieren, werfen ethische Fragen auf. Ich halte es für ethisch bedenklich, dass gesunde Menschen mit einer Schönheitsoperation ihre Gesundheit riskieren, während kranke Menschen, die gern gesund wären, gern auf Operationen verzichten würden.

Deshalb freue ich mich, Herr Professor Hoppe, dass Sie die Koalition „Gemeinsam gegen den Schönheitswahn“ initiiert haben, damit wir gemeinsam einen Kontrapunkt zu einem von den Medien und einigen „Schönheitschirurgen“ – das ist ja keine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung – geförderten Schönheitswahn setzen. Ebenfalls begrüße ich, dass Sie auf dem diesjährigen Ärztetag die Bezeichnung „Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie“ in die (Muster-)Weiterbildungsordnung aufnehmen wollen.

Ich wünsche mir sehr, dass dies geschieht; denn auch dies dient dazu, dass die Menschen sich besser orientieren können und besser wissen, wann sie Scharlatanen aufsitzen und wann sie bei jemandem sind, der wirklich Ahnung von der Plastischen Chirurgie hat. Damit wird die Qualifikation der Anbieter für die Patienten und Patientinnen transparent gemacht.

Wir selber sind im Rahmen unserer gesetzlichen Möglichkeiten aktiv geworden. Im Rahmen der 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes werden wir bestimmte Formen der suggestiven Werbung oder der irreführenden Werbung sowie die Vorher-/Nachherbilder verbieten, denn hier wird den Menschen etwas suggeriert, was in der Realität überhaupt nicht einzuhalten ist.

Meine Damen und Herren, verantwortliche Politik, die die Patientensicherheit immer über Einzelinteressen stellen wird, muss auch in Bezug auf die Arzneimittelsicherheit handeln. Wir werden mit der Neugestaltung der Arzneimittelzulassung durch die Errichtung der Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur (DAMA) dafür sorgen, dass neben der verbesserten Positionierung der deutschen Zulassungsbehörde im europäischen Wettbewerb insbesondere eine gestärkte, weil unabhängig arbeitende Arzneimittelüberwachung verankert wird.

Mit dem Gesetz wird neben der Zulassung die laufende Überprüfung der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel – die so genannte Pharmakovigilanz – als zweite tragende Säule der Agentur errichtet. Ich empfehle jedem, diesen Gesetzentwurf zu lesen; denn ich glaube, er ist angesichts der aktuellen Diskussion und der Ereignisse gerade in den letzten Monaten wirklich ein Meilenstein auf dem Weg, die Arzneimittelsicherheit in Deutschland zu verbessern.

Ich bin im Übrigen froh, dass sich im Fall Sortis weder die Ärzteschaft noch die Patienten und Patientinnen für die Interessen eines Pharmaunternehmens haben einspannen lassen. Sowohl die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft als auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen haben allen unsachlichen Pressionen widerstanden und konsequent die Grundsätze der evidenzbasierten Medizin vertreten. Sie haben durch ihre Auswertungen und Informationen für die Ärzteschaft und für die Patienten und Patientinnen einen wichtigen Beitrag im Hinblick auf eine qualitätsgesicherte Arzneimitteltherapie geleistet.

Meine Damen und Herren, die neuen Wege, die wir gehen, werden auch bei der Umsetzung der Prävention zum Tragen kommen. Der Gedanke der Gesundheitsförderung muss in unserer Gesellschaft einen größeren Stellenwert als bisher haben. Ich stimme Ihnen zu, Herr Jonitz, dass es das Entscheidende ist, den Menschen eine Perspektive zu geben, in Menschen zu investieren, in Bildung, in Beschäftigung, damit sie überhaupt ihren Weg finden und in der Lage sind – auch junge Menschen –, eine Familie zu gründen, den Menschen über ihre Arbeit die Möglichkeit zu geben, über ihr Leben zu entscheiden.

Trotzdem werden wir auch bei der Umsetzung der Prävention einiges auf den Weg bringen müssen, weil das eine das andere ergänzt, aber nicht ausschließt. Dort, wo wir direkt tätig werden können, können wir vielleicht mehr erreichen. Es wird zu Recht gesagt, dass ja nicht die Politik die Arbeitsplätze schafft, sondern dass sie die Rahmenbedingungen für die Unternehmen schafft, damit diese Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

Sie als Ärzte und Vertrauenspersonen können die Menschen dabei unterstützen, mehr für ihre Gesundheit zu tun. Wir wissen, dass heute die Angebote der Prävention, auch der individuellen Prävention, vorwiegend vom Mittelstand und von den höheren Bildungsschichten genutzt werden. Dabei sind gerade die Menschen, die arm sind oder in Arbeitslosigkeit leben – auch die Kinder dieser Menschen –, gesundheitlich besonders belastet, werden aber von den entsprechenden Angeboten nicht erreicht.

Deshalb wollen wir, dass über das Präventionsgesetz und über die neuen Möglichkeiten, auch in Settingansätzen vorzugehen, Programme entwickelt werden, damit man an diese Personengruppen herankommt und mit der Prävention vor allen Dingen auch die sozial Benachteiligten erreicht.

Anders, als es oft diskutiert wird, will dabei niemand auf den ärztlichen Sachverstand verzichten, denn die Ärzte sind im Präventionsgesetz mit aufgeführt.

(Zurufe)

– Anders, als es immer gesagt wird. Das hat auch gute Gründe; wir kennen davon ja auch ein bisschen.

Erstens wird die Ärzteschaft einbezogen, wenn es darum geht, Programme und Strategien zu entwickeln oder Präventionsziele zu definieren. Wir können nicht auf den medizinischen Sachverstand verzichten und wollen das auch nicht. Das ist ganz einfach so.

(Zurufe)

Zweitens. Wir wollen, dass die Präventionsziele mit der vertragsärztlichen Arbeit vernetzt werden. Wie soll es denn sonst funktionieren, wenn man das ganz außen vor lässt? Auch das wissen wir.

Drittens haben die Ärzte einen festen Platz im Kuratorium der Präventionsstiftung.

Das alles kann man im Gesetz nachlesen. Ich freue mich, dass gerade im Bereich der Ärzteschaft schon eine ganze Menge von Projekten auf den Weg gebracht wurden, beispielsweise das Projekt „Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung in der Primarstufe“ der Ärztekammer Nordrhein. Ich erwähne diese Ärztekammer, weil ich aus dieser Region komme. Das heißt nicht, dass ich die anderen schlechter bewerten will.

Auch die Kinder- und Jugendärzte haben sich für eine neue Rolle der niedergelassenen Ärzte bei präventiven Maßnahmen ausgesprochen. Die Idee, den Arzt als Gesundheitsberater in der Schule zu etablieren, scheint mir eine ganz gute Lösung zu sein, auch eingedenk dessen, was wir als Kinder erlebt haben.

Meine Damen und Herren, ich sage das hier nur ganz kurz: Mit dem Präventionsgesetz werden Möglichkeiten eröffnet, solche Settingansätze zu fördern. Sie als Ärzte und Ärztinnen sind wirklich herzlich eingeladen, sich vor Ort in diese Settingansätze mit einzubringen. Mein Wunsch ist, dass wir gemeinsam ein großes Projekt daraus machen, denn nur dann wird es Erfolg haben und wird diejenigen erreichen, die wir erreichen wollen.

Der nächste Punkt, der mich wie Sie beschäftigt, ist der Ärztemangel.

(Zurufe)

– Ich habe das nie geleugnet.

(Widerspruch)

– Das habe ich nie geleugnet. Wir haben immer noch rein statistisch ein ausgewogenes Arzt-Patienten-Verhältnis. Diese Statistik bedeutet ja nicht, dass wir in allen Regionen die richtige Verteilung haben. Wir haben Bedarf in einzelnen Regionen in den neuen Bundesländern, vor allen Dingen im hausärztlichen Bereich, und auch in einigen ländlichen Regionen im Westen.

Wir haben uns in den Konsensverhandlungen und auch beim GMG mit der Frage beschäftigt, was denn getan werden kann, um für Ärzte und Ärztinnen Anreize zu setzen, dass sie sich genau dort niederlassen. Welche Instrumente müssen wir den Kassenärztlichen Vereinigungen an die Hand geben, damit sie nach vorn gehen können?

Jenseits der Tatsache, dass ich manchmal gern ein bisschen mehr Mobilität hätte, sehe ich, dass wir für die Lösung des Problems bisher noch keine adäquate und befriedigende Antwort gefunden haben. Das muss ich hier einfach so sagen. Wir haben sie nicht gefunden.

Wir haben eine Reihe von Maßnahmen beschlossen. Wir haben auch mit den Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Bundesländer darüber geredet. Viele haben auf dieser Basis Sicherstellungsstatute abgeschlossen. Sie haben vieles umgesetzt. Trotzdem gelingt es ihnen nicht, alle Arztpraxen, die frei sind, zu besetzen.

Meine Damen und Herren, Gemurmel hilft uns da nicht weiter.

(Zurufe)

Es hilft uns nur weiter, wenn wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen und darüber reden, was denn getan werden muss, damit wir auf Dauer eine flächendeckende und wohnortnahe ärztliche Versorgung sicherstellen können. Wir vom Ministerium beraten nicht nur mit den Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigungen, die ja
überwiegend zunächst einmal den Sicherstellungsauftrag haben, sondern wir beraten auch mit den Hausärzten. Wir haben mit den Hausärzteverbänden diskutiert: Was kann man tun, damit ich jungen Menschen sage: Geht doch nach Thüringen!

(Beifall – Lachen)

Du hast dort auch ein gutes Angebot!

Sie alle könnten dabei sehr hilfreich sein, wenn man auch über die Vorzüge und über die guten Dinge des Arztberufes redet. Das ist unser gemeinsames Interesse. Ich glaube, es ist kein Punkt, den man lächelnd beiseiteschieben kann.

Mein Appell ist jedenfalls: Wenn Sie Ideen haben, wie wir dieses Problem lösen können – –

(Zurufe)

– Sie haben sie leider noch nicht so offen gesagt, sonst hätten wir es vielleicht schon umsetzen können.

(Widerspruch)

Ich glaube, es wäre zu einfach, wenn man meinte, wenn die Dokumentationen beseitigt würden, wäre das Problem gelöst. Damit wäre das Problem auch nicht gelöst. Das Problem ist ein tiefer gehendes. Es hat etwas mit den Stadt-Land-Beziehungen zu tun, mit der Frage des Einsatzes in einem Beruf.

(Widerspruch)

– Natürlich! Sie haben eben doch selber gefragt: Will ich 24 Stunden arbeiten? Sie haben gesagt: Wir wollen Zeit für Arbeit, Leben, Kinder. Das hat natürlich etwas mit den Arbeitszeiten und den Arbeitsbedingungen zu tun.

Weil das Problem vielschichtig ist, gibt es dafür auch keine einfache Lösung. Es gibt eine ganze Menge von Ansätzen, auch im ärztlichen Bereich. Es gibt Ansätze, wie man durch Arbeitsorganisation, durch Arbeitszeitorganisation versucht, den Wünschen der Beschäftigten entgegenzukommen.

Ich biete Ihnen an: Wir vom Ministerium führen mit Ihnen gern diese Diskussion. Das, was wir tun können, werden wir tun. Aber wir müssen über realistische Wege reden und wir müssen auch alle im eigenen Interesse dafür eintreten, dass es uns gelingt, junge Menschen wieder für diesen Beruf zu begeistern und auch zu sagen: Hier in Deutschland habt ihr eine Perspektive, wir in Deutschland sorgen dafür, dass ihr sie habt.

(Beifall)

Es ist immer einfach, die Politik verantwortlich zu machen. Wir haben in Deutschland ein Gesundheitswesen, in dem der Staat die Rahmenbedingungen festlegt. Das ist anders als beispielsweise in Großbritannien, wo der Gesundheitsminister auch noch darüber entscheidet, was in der einzelnen Praxis und was im Krankenhaus passiert, wo er auch noch mit darüber entscheidet, was medizinisch notwendig ist und was nicht. Bei uns wird die Frage, wie die Arbeit organisiert ist, wie dieses vor Ort umgesetzt wird, auf der Ebene der Partner der Selbstverwaltung geregelt. Deswegen ist die Antwort auf die Frage, wie die Arbeit in der Praxis oder im Krankenhaus organisiert ist, nicht allein in die Verantwortung der Politik zu schieben.

Ich sage ganz deutlich: Das Wenigste, was es an bürokratischen Auswüchsen gibt, ist eigentlich gesetzlich bedingt.

(Zurufe)

Dort, wo es gesetzlich bedingt ist, sind wir bereit, das zu ändern.

(Vereinzelt Beifall)

Der größte Teil – schauen Sie sich bitte an, was Ihre Kassenärztlichen Vereinigungen oder andere mit den Krankenkassen oder wem auch immer vereinbart haben – ist durch die Vertragsgestaltung in den Selbstverwaltungsgremien entstanden. Deshalb sind alle gefordert, das ihrige zu tun und dafür zu sorgen, dass hier abgebaut wird.

(Zurufe)

Die Sozialverbände haben uns in Abstimmung mit den Partnern in der Selbstverwaltung ein dickes Papier zur Prüfung eingereicht, wie wir im Pflegebereich über eine Entbürokratisierung wieder dahin kommen können, dass die dort Beschäftigten mehr Zeit für die Arbeit mit den Menschen haben und weniger Zeit für die Dokumentation benötigen. Dass dort Auswüchse bestehen, will ich doch gar nicht bestreiten. Es geht darum, dass wir einen Weg finden, wie wir diese Bürokratie, die unnötig ist, wieder abbauen.

(Beifall)

Ich sage Ihnen auch gleich, dass beispielsweise der Einsatz der elektronischen Patientenkarte vieles von dem beseitigen wird, was heute an Zeit gebunden wird, weil man zum dritten, vierten oder fünften Mal den gleichen Bericht in den Computer eintippen, ausdrucken und wieder eintippen muss.

Ich bin offen für sinnvolle Vorschläge. Das, was gesetzlich zu tun ist, tun wir. Gleichzeitig sollten die neuen Medien genutzt werden. Ich hoffe, dass wir dann in diesem Bereich wirklich ein Stück nach vorn kommen.

Behauptungen, dass die Ärzte 80 Prozent ihrer ärztlichen Tätigkeit vor dem Computer verbringen, halte ich nicht für realitätsgerecht. Das kann man zwar machen, aber damit kommen wir auch nicht weiter.

Meine Damen und Herren, wo wir zur Verbesserung beitragen können, haben wir wirklich das Anliegen, diese Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir haben während der Konsensverhandlungen vor fast zwei Jahren sehr lange darüber nachgedacht, was wir als Bundesebene denn tun müssen, um beispielsweise die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes in den Kliniken sicherzustellen. Wir haben gesagt: Wir wollen, dass die Arbeitszeiten verbessert werden. Wir waren nicht diejenigen, die wollten, dass jeder Bereitschaftsdienst nur Bereitschaftsdienst ist. Wir haben das sofort in nationales Recht umgesetzt. Sie wissen, dass es auf europäischer Ebene schon wieder infrage steht.

Es gab eine Übergangszeit, damit die Tarifpartner Regelungen finden können. Wir haben Arbeitszeitgipfel durchgeführt und haben den Kassen 700 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die sie zusätzlich ausgeben können, um dort, wo es neue Arbeitszeitmodelle gibt und wo die Kliniken auf dem Weg sind, die Arbeitszeitsituation zu verbessern, diese Aktivitäten mit zu unterstützen. 200 Millionen Euro sind – ich habe extra noch einmal nachgefragt – bereits abgeflossen, auch zur Förderung neuer Arbeitszeitmodelle.

Auf früheren Ärztetagen – ich bin ja schon zum fünften Mal in Folge hier – ist gefordert worden, den Arzt im Praktikum abzuschaffen. Wir haben den Arzt im Praktikum abgeschafft, um die jungen Ärzte nach ihrer studentischen Ausbildung nach BAT bezahlen zu können. Wir haben die Kliniken mit diesem Problem nicht allein gelassen, sondern wir haben trotz der schwierigen finanziellen Situation der Kassen gesagt: Wir wollen, dass die Krankenkassen jenseits der Grenzen dieses zusätzliche Geld den Kliniken zur Verfügung stellen, weil die Kliniken sonst zur Umsetzung nicht in der Lage sind.

Auch das ist getan worden. In diesem Jahr stehen dafür 300 Millionen Euro zur Verfügung.

(Beifall)

Ich verstehe den Kampf, den Sie, Herr Montgomery, vor allen Dingen in den Kliniken führen, um bessere Arbeitszeiten, um eine neue Arbeitszeitorganisation zu erreichen. Flexiblere Arbeitszeiten müssen diskutiert und dann auch umgesetzt werden. Ich fordere auch die Krankenkassen und die Klinikleitungen auf, sich bei den Vertragsverhandlungen nicht immer gegenseitig zu blockieren, wie es ja der Fall ist,

(Beifall)

sondern im Interesse einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten jetzt nach vorne zu gehen und die Instrumente, die die Politik geschaffen hat – das haben wir gemeinsam getan –, zu nutzen.

Folgender wichtiger Punkt, der manchmal ganz unter den Tisch fällt, gehört bei den jungen Medizinern und Medizinerinnen dazu. Ich diskutiere in der Hochschule mit ihnen und in den Kliniken mit den Beschäftigten und den Personalräten. Ich höre immer wieder, dass gerade für junge Ärztinnen und Ärzte die Hierarchien in Krankenhäusern, wie wir sie heute noch vielfach antreffen, sehr unattraktiv sind. Sie sagen: Wir wollen nicht als Einzelkämpfer arbeiten, sondern wir wollen gleichberechtigter Partner und gleichberechtigter Mitarbeiter sein. Wir wollen Partner der Patienten und Partner im Medizinprozess sein.

Auch das sind entscheidende Gründe – nicht nur die bessere Bezahlung –, ob junge Mediziner und Medizinerinnen beispielsweise in die skandinavischen Länder gehen oder nicht. Wir brauchen flachere Hierarchien, wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen, wir brauchen Impulse aus dem Benchmarking. Viele Studien müssen ausgewertet und in die Versorgung einbezogen werden.

Meine Damen und Herren, jenseits der Diskussionen, die wir über die Frage, was gut oder schlecht ist, führen: Ich sehe bei meinen vielfachen Veranstaltungen vor Ort, dass sich an vielen Stellen in Deutschland etwas bewegt und dass nicht nur die ganz jungen, sondern auch die älteren Beschäftigten sagen: Wir wollen die neuen Möglichkeiten nutzen, weil wir sehen, dass wir neue Chancen haben, wenn wir Bürokratie und Hierarchien beseitigen. Man erkennt, dass man die Zusammenarbeit untereinander und auch mit den anderen Gesundheitsberufen besser organisieren muss.

Wir haben gestern – das wird Herr Jonitz bestätigen – bei der Verleihung des Berliner Gesundheitspreises gute Vorstellungen erlebt und gute Bilder gesehen, wie Ärzte und Ärztinnen durch Kooperation und die Umsetzung neuer Organisationsformen ebenso wie durch die Nutzung der neuen Medien es geschafft haben, Bürokratie abzubauen und die Abläufe besser zu organisieren. Da war viel Raum für ärztliche Tätigkeiten.

Diejenigen, die dort waren – es ging um neue Organisationsformen in der hausärztlichen Versorgung –, haben gesehen, dass gilt, was in dem Slogan „Vom Praxisfrust zur Praxislust“ zum Ausdruck kommt. Viele sagen: Man kann durch Zusammenschluss etwas tun, nach vorn zu kommen, damit der Beruf Spaß macht.

Ich habe gesagt, dass ich sie gern in die Hochschulen mitnehmen würde zu den Diskussionen mit Studentinnen und Studenten, damit sie dort zum Ausdruck bringen, dass dieser Beruf etwas Schönes ist und dass es nicht nur gut ist, sich für dieses Studium zu entscheiden, sondern auch, diesen Beruf anschließend auszuüben.

Ich glaube, jenseits der Auseinandersetzungen über das, was verändert werden muss und wo jeder entsprechend den ihm gegebenen Möglichkeiten versuchen muss, das Notwendige zu tun, auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verändern, ist auch das zu berücksichtigen, was im Grunde in die Hände der Vertragspartner gelegt ist und den größten Bereich ausmacht. Zu berücksichtigen sind auch die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen.

Wir müssen wieder lernen, mehr für den Beruf zu werben und die Attraktivität herauszustellen. Hier sind vor allen Dingen die Standesorganisationen gefordert, auch die Chefarztverbände, gute Modelle zu entwickeln. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die eine Änderung herbeiführen wollen, sollten keine zusätzlichen Hindernisse in den Weg gelegt werden, wie ich vor Ort an der einen oder anderen Stelle zu hören bekomme.

Für mich ist besonders wichtig: Wenn wir in Deutschland das gesamte Potenzial an qualifizierten Frauen und Männern, das wir in Deutschland haben – anderenfalls wären sie ja im europäischen und auch im nicht europäischen Ausland nicht so gern gesehen –, für die ambulante und die stationäre Versorgung nutzen wollen, dann brauchen wir eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

(Beifall)

Ohne dies werden wir nicht vorankommen. Die Ärzteschaft muss diese Diskussion ohne Scheuklappen führen.

Ich sage das auch mit Blick auf viele gut qualifizierte junge Frauen, die ein Medizinstudium absolviert haben und danach nicht in die Patientenversorgung gegangen sind, nicht weil sie lieber in Schweden, in der Schweiz oder in Österreich oder in der Pharmaindustrie arbeiteten, sondern weil die Arbeitszeiten und die Arbeitsorganisationen rücksichtslos gegenüber familiären Anforderungen sind. Zwar hat sich die Zahl der Medizinstudenten in den letzten fünf Jahren von 52 auf 62 Prozent erhöht, aber wo sind diese Frauen denn in den Praxen und in den Krankenhäusern? Das spiegelt sich schon gar nicht in der Anzahl der Klinikdirektorinnen wider. Ich meine, es passt auch nicht ins 21. Jahrhundert, dass sich hinsichtlich der Klinikspitzen noch nicht einmal ein Gruppenbild mit Dame ergibt. Auch da muss einiges in Bewegung kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Da wir in Zukunft auf gut ausgebildete Frauen im Gesundheitswesen nicht verzichten können, brauchen wir in Deutschland Konzepte, nach denen Frauen und, wie ich hoffe, zunehmend auch Männer den Arztberuf mit dem Wunsch nach Kindern vereinbaren können.

Ich bleibe dabei, dass die Medizinischen Versorgungszentren ein Weg sind, um für Zeiten der Familienphase Angebote für junge Ärztinnen und Ärzte zu machen, damit bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch das Angebot von Teilzeitarbeit, auch durch gegebene Wiedereinstiegsmöglichkeiten nach der familiären Phase ein Fortschritt erreicht wird.

Im Übrigen werden die Medizinischen Versorgungszentren gut angenommen. Es gibt mittlerweile über 120 Medizinische Versorgungszentren, auch im Westen der Republik. Dort arbeiten freiberuflich tätige Ärzte mit angestellten Ärzten zusammen. Diese Medizinischen Versorgungszentren sind vor allem für Frauen ein gutes Angebot. Ich kann Ihnen trotz aller Unkenrufe versichern: Der Sozialismus ist nicht eingezogen in unser Gesundheitswesen – das wird auch so bleiben –, auch nicht durch die Medizinischen Versorgungszentren.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich jedenfalls spüre bei meinen Besuchen in Arztpraxen und Krankenhäusern: Es ist Bewegung im Gesundheitswesen. Ich halte das für notwendig. Wenn man sieht, dass im Jahre 2003  250 Milliarden Euro in unser Gesundheitswesen geflossen sind, davon allein 145 Milliarden Euro über die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung, dann muss man sich doch fragen, ob dieses Geld nicht ausreicht, um ein Volk von 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern gut zu versorgen. Wenn wir wollen, dass es eine gute medizinische Versorgung gibt, werden wir darüber reden müssen und auch darüber streiten müssen, wie jeder Euro sinnvoll eingesetzt wird. Ich setze sehr auch auf neue Versorgungsstrukturen, die den Wünschen vieler Ärztinnen und Ärzte und vieler Angehörigen in anderen Gesundheitsberufen entgegenkommen. Man muss gemeinsam dazu kommen, die Zusammenarbeit zu verbessern, die Kooperation zu verbessern, gemeinsam Ressourcen zu nutzen und durch Absprachen dafür zu sorgen, dass eine Leistung den Patienten genau so erreicht, wie sie geplant war.

Vor Ort reden wir in diesen nicht einfachen Zeiten über Fragen wie die Patientenbeteiligung, die Qualitätssicherung, flexible Versorgungsformen und den Ausbau der Prävention. All dies wird nach und nach Einzug in das Gesundheitswesen halten.

Ich bin sicher, dass hier der diesjährige Deutsche Ärztetag Signale mit setzen wird, vor allen Dingen im Hinblick auf die Einfügung der ärztlichen Tätigkeit und die neuen Aufgaben, die mit der ärztlichen Tätigkeit verbunden sind.

Ich sage Ihnen hier zu: Wo ich im Rahmen meiner Möglichkeiten dazu beitragen kann, bin ich offen für Gespräche. Ich wünsche Ihnen lebhafte, konstruktive Diskussionen und freue mich jederzeit auf ein Wiedersehen mit Ihnen.

Vielen Dank.

(Beifall)


© 2005, Bundesärztekammer.