Ulla Schmidt, MdB, Bundesministerin für Gesundheit
und Soziale Sicherung: Sehr geehrter Herr Professor Hoppe! Sehr geehrter
Herr Jonitz! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jonitz hat mir gerade verraten, dass er
ausdrücklich dieses Allegro bestimmt hat, ehe ich zum Rednerpult gehe, weil er
ein bisschen um die Bewandtnisse im Gesundheitswesen weiß und wir oft über das
geredet haben, was der Ökonom Uwe Reinhardt so ausgedrückt hat: Egal wie viel
Geld eine Gesellschaft für ihr Gesundheitswesen ausgibt – es ist immer zu
wenig.
Die zweite Regel ist: Egal wie groß die Gesundheitsreform in
einem Land war – sobald sie verabschiedet ist, sagen alle: Wann kommt denn die
Reform, und zwar die richtige?
Der dritte Punkt ist – auch deshalb hat Herr Jonitz dieses
Allegro ausgewählt –, dass alle Gesundheitsminister dieser Welt in ihrem
früheren Leben etwas ganz Schreckliches getan haben müssen, sonst wären sie
nicht geworden, was sie sind.
Ich habe dies erwähnt, um
zu zeigen: Die Probleme im Gesundheitswesen sind, in welchem Land dieser Welt
wir uns auch bewegen, ob innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union,
überall gleich. In Ländern, die sehr wenig ausgeben – ich habe gestern mit dem
bulgarischen Gesundheitsminister gesprochen, der mir sagte, dass man dort pro
Patient im Jahr nur 100 Euro ausgeben kann – –
(Unruhe)
– Man braucht darüber gar nicht so zu raunen. Für die Länder
in Osteuropa und die dort lebenden Menschen ist es eine Aufgabe, Anschluss an
eine gute medizinische Versorgung zu finden. Neben dem Demokratisierungsprozess
gibt es einen Prozess, durch den sie an die Entwicklungen, die es bei uns gibt,
angeschlossen werden wollen.
Ich verstehe die Debatten. Ich bin gern Ihrer Einladung
gefolgt, Herr Professor Hoppe. Es ist für mich selbstverständlich, dass ich
komme. Wir diskutieren mit vielen von Ihnen auf vielen unterschiedlichen
Ebenen, auf denen Sie Verantwortung tragen: in Organisationen, in KVen, in den
einzelnen Kliniken, in Praxisnetzen usw. Wir kommen nur dann weiter, wenn wir
miteinander reden, wenn wir uns austauschen und sehen, was jede Ebene an
Verantwortung übernehmen kann.
Ich weiß, dass es immer Differenzen wird geben müssen, weil
die Interessen, die von jeder Seite vertreten werden, zueinander finden müssen,
weil Probleme, die sich häufig wie die Quadratur des Kreises ausnehmen, gelöst
werden müssen.
Erlauben Sie mir, dass ich, bevor ich auf die Themen des
Deutschen Ärztetages eingehe, zwei Dinge erwähne, die mir besonders am Herzen
liegen. Der erste Punkt ist auch Inhalt der Reden gewesen, die wir hier gehört
haben, ist auch Inhalt der Kämpfe innerhalb der Ärzteschaft, ist Gegenstand
vieler Diskussionen, die wir auf den unterschiedlichen Ebenen führen. Es geht
um die Frage der Endlichkeit der Ressourcen, die es im Gesundheitswesen gibt.
Darüber müssen wir offen diskutieren. Ihnen muss ich am allerwenigsten
erzählen, dass – Herr Jonitz hat sehr eindrucksvoll darauf hingewiesen –
der medizinische Fortschritt sich in immer kürzeren Abschnitten und mit einer
immer größeren Dynamik vollzieht. Wir sind froh, dass wir in einer Gesellschaft
leben, in der die Menschen die Chance haben, länger zu leben, und auch die
Chance haben, gesünder und mit Lebensqualität alt zu werden. Dies alles hat
auch mit dem medizinischen Fortschritt zu tun. Durch neue Medikamente, neue
Therapien, neue Diagnosemethoden gibt es neue Heilungschancen und die
Lebensqualität vieler Menschen wird verbessert.
Bei aller Anerkennung muss es, glaube ich, erlaubt sein, über
den sinnvollen Einsatz der Ressourcen zu reden. Wir müssen über die Frage
reden: Wo ist der medizinische Fortschritt sinnvoll einsetzbar? Wo bringt er
den höchsten medizinischen Nutzen? Wie können wir es organisieren, dass wir für
unsere Bevölkerung – 80 Millionen Menschen, Frauen, Männer und Kinder –
garantieren können, dass sie am medizinischen Fortschritt teilhaben können? Das
ist eine Frage, über die wir uns auseinander setzen müssen. Man darf nicht
glauben, dieses Problem würde gelöst, wenn wir die Entwicklung allein dem
Prinzip von Angebot und Nachfrage überlassen.
Wir müssen auch bei Entscheidungen über die Verteilung von
Gesundheitsleistungen die Frage der Wirtschaftlichkeit und der Finanzierbarkeit
mit einfließen lassen, so bitter das vielleicht für den einen oder anderen ist,
weil man derartige Entscheidungen gern frei von ökonomischen Überlegungen
treffen möchte.
Das hat nicht unbedingt etwas mit der Frage einer
Ökonomisierung des Gesundheitswesen zu tun, sondern es geht darum, dass wir das
Machbare und das Sinnvolle gegeneinander abwägen. Ich finde, dies zu tun, ist
kein Widerspruch zu der Situation, ein guter Arzt oder eine gute Ärztin zu
sein.
Es geht auch um den Anspruch, keine von außen her gesetzte
Rationierung zu wollen. Es geht dabei auch um ethische Entscheidungen im
Gesundheitswesen. Angesichts des medizinischen Fortschritts leben wir Gott sei
Dank länger und viele Krankheiten, die früher nicht behandelbar waren, sind
heute behandelbar. Darauf muss ich nicht weiter eingehen, das hat Herr Jonitz
schon getan.
Wenn wir nicht die Frage nach dem medizinischen Nutzen
stellen, wenn wir nicht fragen, wo er sinnvoll eingesetzt werden soll, wenn wir
uns nicht die Frage stellen, wie wir sinnvoll mit den Ressourcen umgehen,
werden irgendwann ganz andere Entscheidungen Eingang in die Medizin finden.
Darum führt kein Weg daran vorbei, über Kosten und Nutzen von
medizinischen Leistungen offen zu reden. Im Rahmen dieser Diskussion ist mit
Ihnen, den Ärztinnen und Ärzten, zu reden. Zu Recht liegt die Entscheidung,
welche Behandlung für einen Menschen sinnvoll und notwendig ist, beim Arzt oder
bei der Ärztin. Maßstab bei dieser schwierigen Entscheidung muss vor allem
anderen der Nutzen für den Patienten und auch der Gewinn an Lebensqualität
sein. Ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Ich will diese Diskussion und bitte
Sie, mit in diese Diskussion einzusteigen. Ich möchte nämlich nicht, dass wir
darüber diskutieren, ob wir eine Rationierung entlang von Altersgrenzen
brauchen, wie sie von einigen jungen Menschen oder Nachwuchspolitikern und
Nachwuchsstars gefordert wird. Ich will auch nicht, dass wir Diskussionen
darüber führen, ob eine Teilhabe an Innovationen nur noch für diejenigen
möglich ist, die das notwendige Geld dazu haben.
(Vereinzelt Beifall)
Meine Damen und Herren, ich höre manchmal – ich habe es auch
heute wieder in einigen Zeitungsartikeln gelesen –, dass manche Ökonomen oder
die, die sich dafür halten,
(Zurufe)
und auch andere, die gern darüber schreiben, glauben, dass der
Ausstieg aus dem solidarisch finanzierten Gesundheitswesen, eine reine
Kapitaldeckung in der Gesundheitsversorgung oder allein die Loslösung und eine
Abkoppelung von den Lohnnebenkosten diese Endlichkeit der Ressourcen aufheben
würden. Dazu kann ich nur sagen: Das ist ein Irrtum; denn jeder Cent, der, egal
ob unabhängig vom Lohn, kapitalgedeckt oder umlagefinanziert in die Gesundheitsversorgung
einfließt, muss zunächst einmal erwirtschaftet werden, muss vom Einzelnen
verdient werden. Hier ist schon zu Recht angesprochen worden, dass es bei allen
Fragen darum gehen muss, auch denen, die es allein nicht schaffen, ihre
Gesundheitsversorgung abzusichern, denen, die in dieser Gesellschaft die
Schwächeren sind, den Zugang zu medizinischen Leistungen zu gewährleisten, wie
wir es gewohnt sind. Wenn wir das, was für meine Generation selbstverständlich
war, auch für die kommenden Generationen aufrechterhalten wollen, brauchen wir
mehr Solidarität und nicht weniger.
Die solidarische Finanzierung ist die einzige Absicherung,
dass diejenigen, die schwach sind, das bekommen, was sie brauchen, weil die
stärkeren Schultern mit dafür eintreten.
(Vereinzelt Beifall)
Solche Entscheidungen fallen auch mir nicht leicht. Es ist
keine einfache Situation, der Sie als Ärzte und Ärztinnen auch ausgesetzt sind,
wenn jemand sagt: Hier gibt es bestimmte Dinge, die mir vielleicht helfen,
warum wird das in der Versorgung nicht vorgesehen? Darauf muss man eine Antwort
finden.
Nicht einfach fallen auch die Antworten auf die vor allen
Dingen in den Kliniken gestellte Frage: Wie gehen wir mit der
Hochleistungsmedizin um? Müssen hoch technisierte Apparate in jedem Krankenhaus
vorhanden sein? Natürlich wünscht sich das jedes Krankenhaus.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt: Wenn wir
wollen, dass der medizinische Fortschritt für alle auch in Zukunft finanzierbar
ist, dann müssen wir auch den Mut haben, zu sagen: Nicht alles kann und muss
überall zur Verfügung stehen. Ich persönlich halte viel davon, dass wir eine
sehr offene Diskussion darüber führen, die Hochleistungsmedizin auf
spezialisierte und innovative Zentren zu konzentrieren.
Ich sehe die Gefahr, dass wir, weil wir darüber nicht offen
diskutieren und die entsprechenden Wege nicht beschreiten, in die Situation
geraten, dass uns Mittel an anderen Stellen fehlen, wo wir sie brauchen,
beispielsweise im palliativmedizinischen Bereich. Wir alle sagen, dass wir
diese Mittel in unserem Gesundheitssystem für unverzichtbar halten. Wir müssen
aber feststellen, dass diese Leistungen heute nicht allerorts bedarfsgerecht
vorgehalten werden können.
Damit bin ich bei einem zweiten Punkt, der für mich wichtig
ist und der etwas mit aktuellen Diskussionen auch in einer Gesellschaft des
längeren Lebens zu tun hat. Es geht um die Frage: Wie schaffen wir eine
bestmögliche Versorgung von kranken Menschen am Ende ihres Lebens? Gestatten
Sie mir, dass ich hier noch einmal auf die Debatte und auch auf das Schicksal
der Wachkomapatientin Terri Schiavo eingehe. Das hat nicht nur mich, sondern
auch viele von Ihnen emotional berührt und zum Nachdenken bewegt. Es steht mir
nicht an – ich kann dies nicht –, zu beurteilen, ob in diesem Fall die
richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Dazu sind wir zu weit weg. Wir
kennen dazu viel zu wenig die medizinischen Grundlagen und andere Fakten. Eines
weiß ich jedoch genau: Mit der Würde eines Menschen, auch eines sterbenden
Menschen, ist es unvereinbar, eine kranke und sterbende Frau, die weder eine
Einwilligung geben noch sich wehren kann, in den Medien zur Schau zu stellen.
(Beifall)
Das hat mit seriöser Berichterstattung nichts mehr zu tun. Das
sollten wir, glaube ich, ganz klar sagen.
Wenn wir eine Lehre aus dem Schicksal von Terri Schiavo ziehen
können, dann die – da bin ich mit Herrn Professor Hoppe einer Meinung –, dass
die Diskussion über die Würde des Menschen die Würde des Sterbens mit
einbeziehen muss und dass wir alles daransetzen sollen, dass jeder und jede
sich mit diesem Thema auseinander setzt und beispielsweise in Form einer
rechtssicheren Patientenverfügung darlegt, wie der Einzelne für sich diese
Wahrung der Würde definiert. Jeder soll die Chance haben, darüber nachzudenken,
was geschehen soll, wenn er durch eine schwere Krankheit oder einen Unfall
nicht mehr für sich selbst sprechen kann.
Hier haben die Ärzte und Ärztinnen, die im direkten Kontakt
mit den Patienten stehen, die ja auch oft Ansprechpartner bei anderen als
medizinischen Problemen sind, als Vertrauenspersonen eine große Verantwortung.
Sie spielen hier eine große Rolle. Ich bitte Sie, diesen Prozess zu begleiten.
Ich halte ihn bei der weiteren Entwicklung in unserer Gesellschaft für ganz
wichtig.
Ich füge hinzu – deshalb habe ich vorhin das Beispiel der
Palliativmedizin erwähnt –: Wer will, dass die Menschen in Würde sterben
können, muss auch die Entscheidungen für eine adäquate palliativmedizinische
Versorgung treffen.
Ich bin überzeugt: Nur wenn die Menschen wissen, dass sie am
Ende ihres Lebens bestmöglich versorgt und so weit, wie es möglich ist, vor
Schmerzen bewahrt werden, können wir ein Aufkeimen der Diskussion um die aktive
Sterbehilfe verhindern. Alle, die Verantwortung im Gesundheitswesen tragen,
leisten hier schon zu einem großen Teil ihren Beitrag. Wir können aber noch
mehr tun. Wir haben, wie Sie wissen, die Palliativmedizin in der neuen
Approbationsordnung verankert. Das war ein wichtiger Schritt, aber wir müssen
genau beobachten – da bitte ich Sie um Unterstützung und Mithilfe –, ob sich
die Situation der Palliativmedizin tatsächlich verbessert oder ob es weiterer
Änderungen auch gesetzlicher Rahmenbedingungen bedarf.
Meine Damen und Herren, wenn ich das hier sage, verbinde ich
dies mit einem unmissverständlichen Nein zu jeglicher Form aktiver Sterbehilfe.
(Beifall)
Ich teile in diesem Punkt voll und ganz die Meinung des
Ärztetages: Aktive Sterbehilfe darf es in Deutschland nicht geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nun zu den
Themen kommen, mit denen Sie sich auf dem diesjährigen Ärztetag befassen
werden. Ich begrüße es sehr, dass die Themen ärztliches Fehlermanagement und
Patientensicherheit ganz oben auf der Agenda stehen. Für mich ist das ein sehr
positives Signal, dass nach jahrelangen Diskussionen, die wir geführt haben,
eine neue Kultur der Offenheit in dieser Frage Einzug hält. Speziell die
jüngste Rede des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie ist ein
deutlicher Beweis dafür. Ich halte das für eine wichtige und wegweisende Rede.
Ich teile die Auffassung, dass Fehler nicht als eigenes Versagen behandelt
werden sollen, sondern dass Fehler öffentlich diskutiert werden sollen, und
zwar nicht mit dem Ziel, den Einzelnen als denjenigen darzustellen, der als
Einziger Fehler macht, sondern mit dem Ziel, durch ein gutes Fehlermanagement
dafür zu sorgen, dass aus Fehlern, die im menschlichen Handeln nicht verhindert
werden können, gelernt wird und aus der Diskussion darüber die Voraussetzungen
dafür geschaffen werden, dass alle Einrichtungen in die Lage versetzt werden,
dort, wo es Fehlerquellen gibt, diese abzustellen und durch derartige Verbesserungen
die Patientensicherheit zu erhöhen.
Einrichtungen wie das „Aktionsbündnis Patientensicherheit“
oder das neue Fehlererfassungssystem der KBV sind vielversprechende Ansätze,
die ich sehr begrüße. Besonders erfreulich ist, dass sich im „Aktionsbündnis
Patientensicherheit“ alle Beteiligten, einschließlich der Patientenvertreter,
zusammengeschlossen haben. Mein Ministerium beabsichtigt, die Arbeit dieses
Bündnisses nicht nur ideell, sondern auch finanziell zu unterstützen.
Meine Damen und Herren, die Patientensicherheit wird dort
gestärkt, wo die mündige Patientin oder der mündige Patient dem Arzt auf
gleicher Augenhöhe gegenübersteht. Darüber diskutieren wir ständig. Gott sei
Dank sind die Zeiten vorbei, dass allein die Ärzte für die Patienten
entscheiden müssen. Deswegen fördern wir auch Projekte, die sich mit der
Verbesserung der Patientenbeteiligung befassen. Eine Bilanz dieser
Förderpolitik und der gemeinsamen Anstrengungen mit der deutschen Ärzteschaft
zieht vom 23. bis zum 25. Mai der Kongress „Der Patient als Partner im
medizinischen Entscheidungsprozess“, der uns sicherlich viele neue Anregungen
wird geben können, wie wir im ärztlichen Entscheidungsprozess die Rolle der
Patienten und Patientinnen stärken können.
Ein konkretes Beispiel für den Patientenschutz lässt sich am
Thema der Schönheitschirurgie festmachen. Es wird ja bisweilen der Eindruck
erweckt, dass Schönheit mit Skalpell und Botoxinjektionen praktisch
komplikationslos möglich sei. Dabei wird verschwiegen, dass kosmetische
Operationen chirurgische Eingriffe sind und deshalb nicht ohne Risiken.
Auch Schönheitsoperationen,
über die wir gemeinsam diskutieren, werfen ethische Fragen auf. Ich halte es
für ethisch bedenklich, dass gesunde Menschen mit einer Schönheitsoperation
ihre Gesundheit riskieren, während kranke Menschen, die gern gesund wären, gern
auf Operationen verzichten würden.
Deshalb freue ich mich, Herr Professor Hoppe, dass Sie die
Koalition „Gemeinsam gegen den Schönheitswahn“ initiiert haben, damit wir
gemeinsam einen Kontrapunkt zu einem von den Medien und einigen
„Schönheitschirurgen“ – das ist ja keine gesetzlich geschützte
Berufsbezeichnung – geförderten Schönheitswahn setzen. Ebenfalls begrüße ich,
dass Sie auf dem diesjährigen Ärztetag die Bezeichnung „Facharzt für Plastische
und Ästhetische Chirurgie“ in die (Muster-)Weiterbildungsordnung aufnehmen
wollen.
Ich wünsche mir sehr, dass dies geschieht; denn auch dies
dient dazu, dass die Menschen sich besser orientieren können und besser wissen,
wann sie Scharlatanen aufsitzen und wann sie bei jemandem sind, der wirklich
Ahnung von der Plastischen Chirurgie hat. Damit wird die Qualifikation der
Anbieter für die Patienten und Patientinnen transparent gemacht.
Wir selber sind im Rahmen unserer gesetzlichen Möglichkeiten
aktiv geworden. Im Rahmen der 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes werden wir
bestimmte Formen der suggestiven Werbung oder der irreführenden Werbung sowie
die Vorher-/Nachherbilder verbieten, denn hier wird den Menschen etwas suggeriert,
was in der Realität überhaupt nicht einzuhalten ist.
Meine Damen und Herren, verantwortliche Politik, die die
Patientensicherheit immer über Einzelinteressen stellen wird, muss auch in
Bezug auf die Arzneimittelsicherheit handeln. Wir werden mit der Neugestaltung
der Arzneimittelzulassung durch die Errichtung der Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur
(DAMA) dafür sorgen, dass neben der verbesserten Positionierung der deutschen
Zulassungsbehörde im europäischen Wettbewerb insbesondere eine gestärkte, weil
unabhängig arbeitende Arzneimittelüberwachung verankert wird.
Mit dem Gesetz wird neben
der Zulassung die laufende Überprüfung der auf dem Markt befindlichen
Arzneimittel – die so genannte Pharmakovigilanz – als zweite tragende Säule der
Agentur errichtet. Ich empfehle jedem, diesen Gesetzentwurf zu lesen; denn ich
glaube, er ist angesichts der aktuellen Diskussion und der Ereignisse gerade in
den letzten Monaten wirklich ein Meilenstein auf dem Weg, die
Arzneimittelsicherheit in Deutschland zu verbessern.
Ich bin im Übrigen froh, dass sich im Fall Sortis weder die
Ärzteschaft noch die Patienten und Patientinnen für die Interessen eines
Pharmaunternehmens haben einspannen lassen. Sowohl die Arzneimittelkommission
der deutschen Ärzteschaft als auch das Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen haben allen unsachlichen Pressionen
widerstanden und konsequent die Grundsätze der evidenzbasierten Medizin
vertreten. Sie haben durch ihre Auswertungen und Informationen für die
Ärzteschaft und für die Patienten und Patientinnen einen wichtigen Beitrag im
Hinblick auf eine qualitätsgesicherte Arzneimitteltherapie geleistet.
Meine Damen und Herren, die neuen Wege, die wir gehen, werden
auch bei der Umsetzung der Prävention zum Tragen kommen. Der Gedanke der Gesundheitsförderung
muss in unserer Gesellschaft einen größeren Stellenwert als bisher haben. Ich
stimme Ihnen zu, Herr Jonitz, dass es das Entscheidende ist, den Menschen eine
Perspektive zu geben, in Menschen zu investieren, in Bildung, in Beschäftigung,
damit sie überhaupt ihren Weg finden und in der Lage sind – auch junge Menschen
–, eine Familie zu gründen, den Menschen über ihre Arbeit die Möglichkeit zu
geben, über ihr Leben zu entscheiden.
Trotzdem werden wir auch bei der Umsetzung der Prävention
einiges auf den Weg bringen müssen, weil das eine das andere ergänzt, aber
nicht ausschließt. Dort, wo wir direkt tätig werden können, können wir
vielleicht mehr erreichen. Es wird zu Recht gesagt, dass ja nicht die Politik
die Arbeitsplätze schafft, sondern dass sie die Rahmenbedingungen für die
Unternehmen schafft, damit diese Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.
Sie als Ärzte und Vertrauenspersonen können die Menschen dabei
unterstützen, mehr für ihre Gesundheit zu tun. Wir wissen, dass heute die
Angebote der Prävention, auch der individuellen Prävention, vorwiegend vom
Mittelstand und von den höheren Bildungsschichten genutzt werden. Dabei sind
gerade die Menschen, die arm sind oder in Arbeitslosigkeit leben – auch die
Kinder dieser Menschen –, gesundheitlich besonders belastet, werden aber von
den entsprechenden Angeboten nicht erreicht.
Deshalb wollen wir, dass über das Präventionsgesetz und über
die neuen Möglichkeiten, auch in Settingansätzen vorzugehen, Programme
entwickelt werden, damit man an diese Personengruppen herankommt und mit der Prävention
vor allen Dingen auch die sozial Benachteiligten erreicht.
Anders, als es oft
diskutiert wird, will dabei niemand auf den ärztlichen Sachverstand verzichten,
denn die Ärzte sind im Präventionsgesetz mit aufgeführt.
(Zurufe)
– Anders, als es immer gesagt wird. Das hat auch gute Gründe;
wir kennen davon ja auch ein bisschen.
Erstens wird die Ärzteschaft einbezogen, wenn es darum geht,
Programme und Strategien zu entwickeln oder Präventionsziele zu definieren. Wir
können nicht auf den medizinischen Sachverstand verzichten und wollen das auch
nicht. Das ist ganz einfach so.
(Zurufe)
Zweitens. Wir wollen, dass die Präventionsziele mit der
vertragsärztlichen Arbeit vernetzt werden. Wie soll es denn sonst
funktionieren, wenn man das ganz außen vor lässt? Auch das wissen wir.
Drittens haben die Ärzte einen festen Platz im Kuratorium der
Präventionsstiftung.
Das alles kann man im Gesetz nachlesen. Ich freue mich, dass
gerade im Bereich der Ärzteschaft schon eine ganze Menge von Projekten auf den
Weg gebracht wurden, beispielsweise das Projekt „Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung
in der Primarstufe“ der Ärztekammer Nordrhein. Ich erwähne diese Ärztekammer,
weil ich aus dieser Region komme. Das heißt nicht, dass ich die anderen
schlechter bewerten will.
Auch die Kinder- und Jugendärzte haben sich für eine neue
Rolle der niedergelassenen Ärzte bei präventiven Maßnahmen ausgesprochen. Die
Idee, den Arzt als Gesundheitsberater in der Schule zu etablieren, scheint mir
eine ganz gute Lösung zu sein, auch eingedenk dessen, was wir als Kinder erlebt
haben.
Meine Damen und Herren, ich sage das hier nur ganz kurz: Mit
dem Präventionsgesetz werden Möglichkeiten eröffnet, solche Settingansätze zu
fördern. Sie als Ärzte und Ärztinnen sind wirklich herzlich eingeladen, sich
vor Ort in diese Settingansätze mit einzubringen. Mein Wunsch ist, dass wir
gemeinsam ein großes Projekt daraus machen, denn nur dann wird es Erfolg haben
und wird diejenigen erreichen, die wir erreichen wollen.
Der nächste Punkt, der mich wie Sie beschäftigt, ist der
Ärztemangel.
(Zurufe)
– Ich habe das nie geleugnet.
(Widerspruch)
– Das habe ich nie geleugnet. Wir haben immer noch rein
statistisch ein ausgewogenes Arzt-Patienten-Verhältnis. Diese Statistik
bedeutet ja nicht, dass wir in allen Regionen die richtige Verteilung haben.
Wir haben Bedarf in einzelnen Regionen in den neuen Bundesländern, vor allen
Dingen im hausärztlichen Bereich, und auch in einigen ländlichen Regionen im
Westen.
Wir haben uns in den Konsensverhandlungen und auch beim GMG
mit der Frage beschäftigt, was denn getan werden kann, um für Ärzte und
Ärztinnen Anreize zu setzen, dass sie sich genau dort niederlassen. Welche
Instrumente müssen wir den Kassenärztlichen Vereinigungen an die Hand geben,
damit sie nach vorn gehen können?
Jenseits der Tatsache, dass ich manchmal gern ein bisschen
mehr Mobilität hätte, sehe ich, dass wir für die Lösung des Problems bisher
noch keine adäquate und befriedigende Antwort gefunden haben. Das muss ich hier
einfach so sagen. Wir haben sie nicht gefunden.
Wir haben eine Reihe von
Maßnahmen beschlossen. Wir haben auch mit den Kassenärztlichen Vereinigungen
der neuen Bundesländer darüber geredet. Viele haben auf dieser Basis
Sicherstellungsstatute abgeschlossen. Sie haben vieles umgesetzt. Trotzdem
gelingt es ihnen nicht, alle Arztpraxen, die frei sind, zu besetzen.
Meine Damen und Herren, Gemurmel hilft uns da nicht weiter.
(Zurufe)
Es hilft uns nur weiter,
wenn wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen und darüber reden, was denn getan
werden muss, damit wir auf Dauer eine flächendeckende und wohnortnahe ärztliche
Versorgung sicherstellen können. Wir vom Ministerium beraten nicht nur mit den
Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigungen, die ja
überwiegend zunächst einmal den Sicherstellungsauftrag haben, sondern wir beraten
auch mit den Hausärzten. Wir haben mit den Hausärzteverbänden diskutiert: Was
kann man tun, damit ich jungen Menschen sage: Geht doch nach Thüringen!
(Beifall – Lachen)
Du hast dort auch ein gutes Angebot!
Sie alle könnten dabei sehr hilfreich sein, wenn man auch über
die Vorzüge und über die guten Dinge des Arztberufes redet. Das ist unser
gemeinsames Interesse. Ich glaube, es ist kein Punkt, den man lächelnd beiseiteschieben
kann.
Mein Appell ist jedenfalls: Wenn Sie Ideen haben, wie wir
dieses Problem lösen können – –
(Zurufe)
– Sie haben sie leider noch nicht so offen gesagt, sonst
hätten wir es vielleicht schon umsetzen können.
(Widerspruch)
Ich glaube, es wäre zu einfach, wenn man meinte, wenn die
Dokumentationen beseitigt würden, wäre das Problem gelöst. Damit wäre das
Problem auch nicht gelöst. Das Problem ist ein tiefer gehendes. Es hat etwas
mit den Stadt-Land-Beziehungen zu tun, mit der Frage des Einsatzes in einem
Beruf.
(Widerspruch)
– Natürlich! Sie haben eben doch selber gefragt: Will ich 24
Stunden arbeiten? Sie haben gesagt: Wir wollen Zeit für Arbeit, Leben, Kinder.
Das hat natürlich etwas mit den Arbeitszeiten und den Arbeitsbedingungen zu
tun.
Weil das Problem vielschichtig ist, gibt es dafür auch keine
einfache Lösung. Es gibt eine ganze Menge von Ansätzen, auch im ärztlichen
Bereich. Es gibt Ansätze, wie man durch Arbeitsorganisation, durch
Arbeitszeitorganisation versucht, den Wünschen der Beschäftigten
entgegenzukommen.
Ich biete Ihnen an: Wir vom Ministerium führen mit Ihnen gern
diese Diskussion. Das, was wir tun können, werden wir tun. Aber wir müssen über
realistische Wege reden und wir müssen auch alle im eigenen Interesse dafür
eintreten, dass es uns gelingt, junge Menschen wieder für diesen Beruf zu begeistern
und auch zu sagen: Hier in Deutschland habt ihr eine Perspektive, wir in Deutschland
sorgen dafür, dass ihr sie habt.
(Beifall)
Es ist immer einfach, die Politik verantwortlich zu machen.
Wir haben in Deutschland ein Gesundheitswesen, in dem der Staat die
Rahmenbedingungen festlegt. Das ist anders als beispielsweise in
Großbritannien, wo der Gesundheitsminister auch noch darüber entscheidet, was
in der einzelnen Praxis und was im Krankenhaus passiert, wo er auch noch mit
darüber entscheidet, was medizinisch notwendig ist und was nicht. Bei uns wird
die Frage, wie die Arbeit organisiert ist, wie dieses vor Ort umgesetzt wird,
auf der Ebene der Partner der Selbstverwaltung geregelt. Deswegen ist die
Antwort auf die Frage, wie die Arbeit in der Praxis oder im Krankenhaus
organisiert ist, nicht allein in die Verantwortung der Politik zu schieben.
Ich sage ganz deutlich: Das Wenigste, was es an bürokratischen
Auswüchsen gibt, ist eigentlich gesetzlich bedingt.
(Zurufe)
Dort, wo es gesetzlich bedingt ist, sind wir bereit, das zu
ändern.
(Vereinzelt Beifall)
Der größte Teil – schauen Sie sich bitte an, was Ihre
Kassenärztlichen Vereinigungen oder andere mit den Krankenkassen oder wem auch
immer vereinbart haben – ist durch die Vertragsgestaltung in den Selbstverwaltungsgremien
entstanden. Deshalb sind alle gefordert, das ihrige zu tun und dafür zu sorgen,
dass hier abgebaut wird.
(Zurufe)
Die Sozialverbände haben uns in Abstimmung mit den Partnern in
der Selbstverwaltung ein dickes Papier zur Prüfung eingereicht, wie wir im
Pflegebereich über eine Entbürokratisierung wieder dahin kommen können, dass
die dort Beschäftigten mehr Zeit für die Arbeit mit den Menschen haben und
weniger Zeit für die Dokumentation benötigen. Dass dort Auswüchse bestehen,
will ich doch gar nicht bestreiten. Es geht darum, dass wir einen Weg finden,
wie wir diese Bürokratie, die unnötig ist, wieder abbauen.
(Beifall)
Ich sage Ihnen auch gleich, dass beispielsweise der Einsatz
der elektronischen Patientenkarte vieles von dem beseitigen wird, was heute an
Zeit gebunden wird, weil man zum dritten, vierten oder fünften Mal den gleichen
Bericht in den Computer eintippen, ausdrucken und wieder eintippen muss.
Ich bin offen für sinnvolle Vorschläge. Das, was gesetzlich zu
tun ist, tun wir. Gleichzeitig sollten die neuen Medien genutzt werden. Ich
hoffe, dass wir dann in diesem Bereich wirklich ein Stück nach vorn kommen.
Behauptungen, dass die Ärzte 80 Prozent ihrer ärztlichen
Tätigkeit vor dem Computer verbringen, halte ich nicht für realitätsgerecht.
Das kann man zwar machen, aber damit kommen wir auch nicht weiter.
Meine Damen und Herren, wo wir zur Verbesserung beitragen
können, haben wir wirklich das Anliegen, diese Rahmenbedingungen zu schaffen.
Wir haben während der Konsensverhandlungen vor fast zwei Jahren sehr lange
darüber nachgedacht, was wir als Bundesebene denn tun müssen, um beispielsweise
die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes in den Kliniken sicherzustellen. Wir haben
gesagt: Wir wollen, dass die Arbeitszeiten verbessert werden. Wir waren nicht
diejenigen, die wollten, dass jeder Bereitschaftsdienst nur Bereitschaftsdienst
ist. Wir haben das sofort in nationales Recht umgesetzt. Sie wissen, dass es
auf europäischer Ebene schon wieder infrage steht.
Es gab eine Übergangszeit, damit die Tarifpartner Regelungen
finden können. Wir haben Arbeitszeitgipfel durchgeführt und haben den Kassen
700 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die sie zusätzlich
ausgeben können, um dort, wo es neue Arbeitszeitmodelle gibt und wo die
Kliniken auf dem Weg sind, die Arbeitszeitsituation zu verbessern, diese
Aktivitäten mit zu unterstützen. 200 Millionen Euro sind – ich habe
extra noch einmal nachgefragt – bereits abgeflossen, auch zur Förderung neuer
Arbeitszeitmodelle.
Auf früheren Ärztetagen – ich bin ja schon zum fünften Mal in
Folge hier – ist gefordert worden, den Arzt im Praktikum abzuschaffen. Wir
haben den Arzt im Praktikum abgeschafft, um die jungen Ärzte nach ihrer
studentischen Ausbildung nach BAT bezahlen zu können. Wir haben die Kliniken
mit diesem Problem nicht allein gelassen, sondern wir haben trotz der
schwierigen finanziellen Situation der Kassen gesagt: Wir wollen, dass die
Krankenkassen jenseits der Grenzen dieses zusätzliche Geld den Kliniken zur
Verfügung stellen, weil die Kliniken sonst zur Umsetzung nicht in der Lage
sind.
Auch das ist getan worden. In diesem Jahr stehen dafür
300 Millionen Euro zur Verfügung.
(Beifall)
Ich verstehe den Kampf, den Sie, Herr Montgomery, vor allen
Dingen in den Kliniken führen, um bessere Arbeitszeiten, um eine neue
Arbeitszeitorganisation zu erreichen. Flexiblere Arbeitszeiten müssen
diskutiert und dann auch umgesetzt werden. Ich fordere auch die Krankenkassen
und die Klinikleitungen auf, sich bei den Vertragsverhandlungen nicht immer
gegenseitig zu blockieren, wie es ja der Fall ist,
(Beifall)
sondern im Interesse einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen
der Beschäftigten jetzt nach vorne zu gehen und die Instrumente, die die
Politik geschaffen hat – das haben wir gemeinsam getan –, zu nutzen.
Folgender wichtiger Punkt, der manchmal ganz unter den Tisch
fällt, gehört bei den jungen Medizinern und Medizinerinnen dazu. Ich diskutiere
in der Hochschule mit ihnen und in den Kliniken mit den Beschäftigten und den
Personalräten. Ich höre immer wieder, dass gerade für junge Ärztinnen und Ärzte
die Hierarchien in Krankenhäusern, wie wir sie heute noch vielfach antreffen,
sehr unattraktiv sind. Sie sagen: Wir wollen nicht als Einzelkämpfer arbeiten,
sondern wir wollen gleichberechtigter Partner und gleichberechtigter
Mitarbeiter sein. Wir wollen Partner der Patienten und Partner im
Medizinprozess sein.
Auch das sind entscheidende Gründe – nicht nur die bessere
Bezahlung –, ob junge Mediziner und Medizinerinnen beispielsweise in die
skandinavischen Länder gehen oder nicht. Wir brauchen flachere Hierarchien, wir
brauchen bessere Arbeitsbedingungen, wir brauchen Impulse aus dem Benchmarking.
Viele Studien müssen ausgewertet und in die Versorgung einbezogen werden.
Meine Damen und Herren, jenseits der Diskussionen, die wir
über die Frage, was gut oder schlecht ist, führen: Ich sehe bei meinen
vielfachen Veranstaltungen vor Ort, dass sich an vielen Stellen in Deutschland
etwas bewegt und dass nicht nur die ganz jungen, sondern auch die älteren
Beschäftigten sagen: Wir wollen die neuen Möglichkeiten nutzen, weil wir sehen,
dass wir neue Chancen haben, wenn wir Bürokratie und Hierarchien beseitigen.
Man erkennt, dass man die Zusammenarbeit untereinander und auch mit den anderen
Gesundheitsberufen besser organisieren muss.
Wir haben gestern – das wird Herr Jonitz bestätigen – bei der
Verleihung des Berliner Gesundheitspreises gute Vorstellungen erlebt und gute
Bilder gesehen, wie Ärzte und Ärztinnen durch Kooperation und die Umsetzung
neuer Organisationsformen ebenso wie durch die Nutzung der neuen Medien es
geschafft haben, Bürokratie abzubauen und die Abläufe besser zu organisieren.
Da war viel Raum für ärztliche Tätigkeiten.
Diejenigen, die dort waren
– es ging um neue Organisationsformen in der hausärztlichen Versorgung –, haben
gesehen, dass gilt, was in dem Slogan „Vom Praxisfrust zur Praxislust“ zum
Ausdruck kommt. Viele sagen: Man kann durch Zusammenschluss etwas tun, nach
vorn zu kommen, damit der Beruf Spaß macht.
Ich habe gesagt, dass ich
sie gern in die Hochschulen mitnehmen würde zu den Diskussionen mit
Studentinnen und Studenten, damit sie dort zum Ausdruck bringen, dass dieser
Beruf etwas Schönes ist und dass es nicht nur gut ist, sich für dieses Studium
zu entscheiden, sondern auch, diesen Beruf anschließend auszuüben.
Ich glaube, jenseits der
Auseinandersetzungen über das, was verändert werden muss und wo jeder
entsprechend den ihm gegebenen Möglichkeiten versuchen muss, das Notwendige zu
tun, auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verändern, ist auch das zu berücksichtigen,
was im Grunde in die Hände der Vertragspartner gelegt ist und den größten
Bereich ausmacht. Zu berücksichtigen sind auch die unterschiedlichen
Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen.
Wir müssen wieder lernen, mehr für den Beruf zu werben und die
Attraktivität herauszustellen. Hier sind vor allen Dingen die
Standesorganisationen gefordert, auch die Chefarztverbände, gute Modelle zu
entwickeln. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die eine Änderung
herbeiführen wollen, sollten keine zusätzlichen Hindernisse in den Weg gelegt
werden, wie ich vor Ort an der einen oder anderen Stelle zu hören bekomme.
Für mich ist besonders
wichtig: Wenn wir in Deutschland das gesamte Potenzial an qualifizierten Frauen
und Männern, das wir in Deutschland haben – anderenfalls wären sie ja im
europäischen und auch im nicht europäischen Ausland nicht so gern gesehen –,
für die ambulante und die stationäre Versorgung nutzen wollen, dann brauchen
wir eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
(Beifall)
Ohne dies werden wir nicht vorankommen. Die Ärzteschaft muss
diese Diskussion ohne Scheuklappen führen.
Ich sage das auch mit Blick auf viele gut qualifizierte junge
Frauen, die ein Medizinstudium absolviert haben und danach nicht in die
Patientenversorgung gegangen sind, nicht weil sie lieber in Schweden, in der
Schweiz oder in Österreich oder in der Pharmaindustrie arbeiteten, sondern weil
die Arbeitszeiten und die Arbeitsorganisationen rücksichtslos gegenüber
familiären Anforderungen sind. Zwar hat sich die Zahl der Medizinstudenten in
den letzten fünf Jahren von 52 auf 62 Prozent erhöht, aber wo sind diese Frauen
denn in den Praxen und in den Krankenhäusern? Das spiegelt sich schon gar nicht
in der Anzahl der Klinikdirektorinnen wider. Ich meine, es passt auch nicht ins
21. Jahrhundert, dass sich hinsichtlich der Klinikspitzen noch nicht einmal ein
Gruppenbild mit Dame ergibt. Auch da muss einiges in Bewegung kommen, meine
Damen und Herren.
(Beifall)
Da wir in Zukunft auf gut ausgebildete Frauen im Gesundheitswesen
nicht verzichten können, brauchen wir in Deutschland Konzepte, nach denen
Frauen und, wie ich hoffe, zunehmend auch Männer den Arztberuf mit dem Wunsch
nach Kindern vereinbaren können.
Ich bleibe dabei, dass die Medizinischen Versorgungszentren ein
Weg sind, um für Zeiten der Familienphase Angebote für junge Ärztinnen und
Ärzte zu machen, damit bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch das
Angebot von Teilzeitarbeit, auch durch gegebene Wiedereinstiegsmöglichkeiten
nach der familiären Phase ein Fortschritt erreicht wird.
Im Übrigen werden die Medizinischen Versorgungszentren gut
angenommen. Es gibt mittlerweile über 120 Medizinische Versorgungszentren, auch
im Westen der Republik. Dort arbeiten freiberuflich tätige Ärzte mit
angestellten Ärzten zusammen. Diese Medizinischen Versorgungszentren sind vor
allem für Frauen ein gutes Angebot. Ich kann Ihnen trotz aller Unkenrufe
versichern: Der Sozialismus ist nicht eingezogen in unser Gesundheitswesen –
das wird auch so bleiben –, auch nicht durch die Medizinischen
Versorgungszentren.
(Unruhe)
Meine Damen und Herren, ich
jedenfalls spüre bei meinen Besuchen in Arztpraxen und Krankenhäusern: Es ist
Bewegung im Gesundheitswesen. Ich halte das für notwendig. Wenn man sieht, dass
im Jahre 2003 250 Milliarden Euro in unser
Gesundheitswesen geflossen sind, davon allein 145 Milliarden Euro
über die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung, dann muss man sich doch
fragen, ob dieses Geld nicht ausreicht, um ein Volk von 80 Millionen Bürgerinnen
und Bürgern gut zu versorgen. Wenn wir wollen, dass es eine gute medizinische
Versorgung gibt, werden wir darüber reden müssen und auch darüber streiten müssen,
wie jeder Euro sinnvoll eingesetzt wird. Ich setze sehr auch auf neue Versorgungsstrukturen,
die den Wünschen vieler Ärztinnen und Ärzte und vieler Angehörigen in anderen
Gesundheitsberufen entgegenkommen. Man muss gemeinsam dazu kommen, die
Zusammenarbeit zu verbessern, die Kooperation zu verbessern, gemeinsam
Ressourcen zu nutzen und durch Absprachen dafür zu sorgen, dass eine Leistung
den Patienten genau so erreicht, wie sie geplant war.
Vor Ort reden wir in diesen
nicht einfachen Zeiten über Fragen wie die Patientenbeteiligung, die
Qualitätssicherung, flexible Versorgungsformen und den Ausbau der Prävention.
All dies wird nach und nach Einzug in das Gesundheitswesen halten.
Ich bin sicher, dass hier der diesjährige Deutsche Ärztetag
Signale mit setzen wird, vor allen Dingen im Hinblick auf die Einfügung der
ärztlichen Tätigkeit und die neuen Aufgaben, die mit der ärztlichen Tätigkeit
verbunden sind.
Ich sage Ihnen hier zu: Wo ich im Rahmen meiner Möglichkeiten
dazu beitragen kann, bin ich offen für Gespräche. Ich wünsche Ihnen lebhafte,
konstruktive Diskussionen und freue mich jederzeit auf ein Wiedersehen mit
Ihnen.
Vielen Dank.
(Beifall)
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