TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 3. Mai 2005, nur Nachmittagssitzung

Dr. Bühren, Vorstand der Bundesärztekammer:
Ich habe quasi den Auftrag, dies inhaltlich noch etwas weiter zu füllen. Wir haben in der Akademie intensiv besprochen, dass die revolutionären Fortschritte in der somatischen Medizin, in den Naturwissenschaften und in der Technik dazu geführt haben, dass dies der Hauptschwerpunkt im letzten Jahrhundert war. Wir sollten mit derselben Power die wissenschaftlichen Fortschritte in der Psychiatrie, der Psychosomatik und der Psychotherapie in der ärztlichen Behandlung umsetzen, und zwar in allen Bereichen: hausärztlich, fachärztlich, in Klinik und Praxis. Hier haben wir nämlich, wie Herr Professor Eckel eben sagte, ganz wichtiges ärztliches Terrain verloren.

Menschen erleben sich in ihrer Krankheit ganzheitlich. Einige wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Erstens. Polytraumatisierte gesunden besser und schneller, wenn sie an Körper und Seele behandelt werden. Ich zitiere aus einer Arbeit aus Köln, und zwar von Herrn Professor Pfaff:

Der Patient will den ganzen Arzt, nicht nur den Techniker. Eine Arbeitsteilung, bei der der Arzt für das Handwerkliche und eine andere Profession für das Emotionale zuständig ist, funktioniert nicht.

Zweitens. Ärztinnen und Ärzte sind, wie wir ja alle wissen, auch aus Körper und Seele zusammengesetzt. Auch das zeigt sich in Untersuchungen. Der NAV hat gerade eine Untersuchung durchgeführt, deren Ergebnis lautet, dass 40 Prozent der 6 000 befragten hausärztlich und fachärztlich Tätigen sagen, sie haben Defizite in ihren Kommunikationstechniken und das fehle ihnen sehr.

Drittens. Auch junge Ärzte und Ärztinnen kehren der Medizin den Rücken zu, weil sie eher kodiert haben, dass sie sich den Menschen zugewendet haben, als dass sie sich tatsächlich den Menschen zuwenden konnten. Letzteres aber täten sie lieber, denn deshalb haben sie dieses Fach studiert.

Tatsache ist: Die Menschen wenden sich inzwischen mit ihren seelischen Nöten an viele verschiedene Berufsgruppen, auch viele nicht ärztliche. Die Richtlinienpsychotherapie erbringen inzwischen mehrheitlich Psychologische Psychotherapeuten. Ich muss hinzufügen: In den KVen und im Wissenschaftlichen Beirat „Psychotherapie“ wird eine gute gemeinsame sachliche Arbeit geleistet.

Professor Hoffmann, der frühere Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats „Psychotherapie“ fragte in einem Artikel: Der Körper dem Arzt, die Seele dem Psychologen? Wollen wir das? Wenn wir das nicht wollen, sondern diese Domänen weiterhin in der Medizin belassen wollen, ist es sehr wichtig, dass wir uns im nächsten Jahr auf dem Deutschen Ärztetag mit diesem Thema befassen. Das hat Herr Professor Hoppe ja auch schon angekündigt.

Danke schön.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank, Frau Bühren. Jetzt bitte Herr Kollege Albers aus Berlin.

 

© 2005, Bundesärztekammer.