Merchel, Westfalen-Lippe: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich möchte darstellen, wie viel Spaß es heute macht, in der
Praxis als niedergelassener Frauenarzt zu arbeiten. Ich bin 12 Jahre
niedergelassen. Das war damals die Seehofer-Zeit. Die Umschuldung nach 12
Jahren hat auch nicht das gebracht, was man gedacht hatte. Die Praxis muss noch
ein bisschen weiter abbezahlt werden. Unter den jetzigen Bedingungen fragt man
sich schon, wie das denn erfolgen kann.
Die Modernisierung des Gesundheitswesen hat bei den
Frauenärzten in Westfalen-Lippe zu Fallzahlverlusten von über 15 Prozent in der
zweiten Hälfte des Jahres 2004 geführt und zu Honorarverlusten von über 10
Prozent. Diese 10 Prozent sind genau diese Summe, von der man lebt,
nachdem man die Kosten, die Schulden, die Versicherungen usw. bezahlt hat. Mit
diesem Zustand kann man nicht lange über die Runden kommen. Die KV zuckt mit
den Schultern, weil sie nicht verteilen kann, was sie nicht eingenommen hat,
weil bei uns die Frauen nicht mehr in diesem Umfang zur Prävention kommen. Das
andere wird umverteilt auf die Kollegen.
Der EBM 2000plus wird nicht unbedingt die Lösung bringen. Wir
haben in Westfalen-Lippe einen Honorarverteilungsvertrag, der im Prinzip eine
Grenzvolumenpunktzahl vorsieht. Wenn man das ausrechnet, sieht man, dass man
mit seinem Durchschnitt schnell darüber liegt. Ein großer Teil der geleisteten
Arbeit wird nicht bezahlt. Wenn weniger Patientinnen kommen, bedeutet das ja
nicht, dass man weniger arbeitet, sondern diejenigen, die für kleinere Dinge
kamen, kommen nicht mehr.
Große Praxen, die es natürlich auch gibt, die Versorgerpraxen,
die sehr viele Frauen versorgen, wissen schon jetzt, dass sie mit den im neuen
EBM festgelegten Minuten nicht hinkommen und dadurch kriminalisiert und
drangsaliert werden. Das kann es am Ende auch nicht sein.
Ferner sind die Rahmenbedingungen für uns als Frauenärzte auch
alles andere als gut. Die Mammazentren, die insbesondere in Nordrhein-Westfalen
sehr gefördert werden, die dazu führen, dass auch die ambulante Medizin der
Frau mit Brustkrebs immer mehr ans Krankenhaus und an niedergelassene Onkologen
abwandert, bringen uns die Frauen aus der Praxis. Wenn das Mammographiescreening
erst einmal angelaufen ist, sehen wir die Frauen nicht einmal mehr nach der
Diagnosestellung, sondern, wenn wir Glück haben, irgendwann nach Beendigung der
Therapie, wenn sie nicht doch durch den Hausarzt, den Onkologen oder den
Palliativmediziner weiter betreut werden. Irgendwann kommt auch noch der
Pathologe ins Spiel.
Die Frauen, die nicht in der Praxis sind, sind einerseits
diejenigen, die schon im Mammazentrum behandelt werden. Warum sollen sie zur
Krebsvorsorge kommen? Sie haben ja schon Krebs. Die anderen, die ihr
Pillenrezept alle sechs Monate holen – vielleicht macht es zwischendurch auch
der Hausarzt; dann sehe ich sie vielleicht nur einmal im Jahr oder noch
seltener –, kann ich auch nicht zu Präventionsleistungen motivieren. Nur
Frauen, die zu mir kommen, kann ich davon überzeugen.
Die Kinderwunschpatientinnen kann ich heute nicht mehr
ausreichend diagnostizieren, weil das normale Budget mehr als ein oder zwei
Ultraschalluntersuchungen pro Quartal nicht hergibt. Alles andere fällt über
den Jordan, kann ich also nicht vernünftig machen.
Wenn die Frau wirklich in eine Sterilitätstherapie geht, muss
sie die Hälfte dazubezahlen. Deshalb sind auch dort die Fallzahlen drastisch
gesunken.
Man weiß nicht, wo man mit seiner Fachkompetenz, die man sich
durch Weiterbildung erworben hat, steht. Man qualifiziert sich mit
Fortbildungspunkten weiter, aber man hat kaum noch Möglichkeiten, das erworbene
Wissen anzuwenden.
Die Schwangere stellt immer höhere Ansprüche. Ich kann ihr nur
das bisschen, was unsere Schwangerschaftsvorsorge routinemäßig vorsieht,
bieten, mehr nicht. Handelt es sich um eine Risikoschwangere – das ist jede
zweite Schwangere –, möchte das Krankenhaus sie mitbetreuen. Handelt es sich um
eine normale Schwangere, möchte das am liebsten die Hebamme tun. Für den normalen
Frauenarzt ist hier im Prinzip kaum noch Platz.
Für das, was wir machen und wofür wir meiner Meinung nach gut
qualifiziert sind, werden wir nicht ausreichend bezahlt. Alle anderen Bereiche
– das Krankenhaus, auch die Hebammen – greifen im Prinzip ab und nehmen
Aufgaben weg. Für mich stellt sich schon die Frage: Macht es Sinn, sich in
irgendeiner Art und Weise zusammenzuschließen? Gibt es da Möglichkeiten? Im
Moment bin ich, ehrlich gesagt, nur frustriert. Lichtblicke sehe ich nicht, auch
nicht von der bisherigen Diskussion hier.
Danke schön.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Merchel. Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Calles aus Bayern
gemeldet.
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