TOP II: Arbeitssituation der niedergelassenen Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 4. Mai 2005 Vormittagssitzung

Dr. Lipp, Sachsen:
Meine Damen und Herren! Ich möchte vier Punkte kurz ansprechen. Zum Barmer-Vertrag möchte ich mich auch als Hausarzt äußern. Ich denke, in diesem Barmer-Vertrag finden sich einige prognostisch äußerst bedenkliche ordnungspolitische Fehler. Die Apotheken gewinnen nicht nur potenziell Zugang zu unserem Honorar über die 1-Prozent-Regelung, sondern sie erhalten potenziell Zugang zu unserer ärztlichen Beratungspflicht. Ob uns das nicht auf die Dauer auf die Füße fällt, weiß ich nicht.

Die Kassen bekommen Einfluss auf hoheitliche Gebiete, nämlich auf die Definition, was unter „Therapie“ zu verstehen ist, indem sie festlegen, was ein Me-too-Präparat ist und was nicht. Ferner halte ich den Barmer-Vertrag über die Transparenzlisten für den potenziellen Einstieg in das Einkaufsmodell. Wenn die Transparenzliste aufweist, in welches Krankenhaus ich einweisen darf, ist dies der Einstieg in das Einkaufsmodell. Danach sind die Fachärzte an der Reihe und irgendwann auch die Hausärzte. Insofern lehne ich diesen Vertrag als sehr bedenklich eher ab.

(Beifall)

Zum Aspekt des freien Berufs: Wenn wir ein freier Beruf sein wollen, sollten wir nicht nach staatlichen Fördermitteln rufen. Ich gäbe meinen Vorrednern Recht, wenn ich ein Honorar in Euro hätte, dessen Höhe ich durch Leistungsausweitung und Fleiß steuern kann. Solange ich aber ein Honorar habe, das budgetiert ist und ich zu 100 Prozent den medizinischen Fortschritt schultern muss, wenn ich gleichzeitig unter dem Budget die Heranbildung des Nachwuchses durch einen realen Honorarverzicht auch noch subventionieren muss, was bei anderen freien Berufen – Rechtsanwälte, Steuerberater – nicht der Fall ist, benötigen wir staatliche Fördermittel. Ansonsten lehne ich eine solche Subventionierung des Nachwuchses eher ab.

Noch ein Wort zum Antrag 2 a hinsichtlich der Pflichtpraktika. Ich bitte Sie dringend, das Pflichtpraktikum als solches im Text stehen zu lassen. Wir haben an den Universitäten eine desolate Situation der Allgemeinmedizin, die häufig finanziell unterdeckt ist. Was der Arzt nicht kennt, kann er nicht diagnostizieren. Was der Student nicht kennt, kann er nicht in seine Berufswahl einbeziehen.

Darüber hinaus glaube ich, dass jeder Student und jeder Facharzt wissen muss, was in der hausärztlichen Versorgung vor sich geht. Aus diesem Grunde muss jeder Student in irgendeiner Weise ein hausärztliches Praktikum durchlaufen.

Bei einem Wahlpraktikum verschiebt man die gesamte Last, die Organisation und die Finanzierung auf die Allgemeinmediziner, die an der Universität eh schlechte Bedingungen haben. Beim Pflichtpraktikum sind die Universitäten und die Länder in der Pflicht, für eine Grundausstattung zu sorgen. Deshalb muss das Pflichtpraktikum im Antrag stehen bleiben.

Zum Antrag 5 melde ich mich nachher noch.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank, Herr Lipp. Jetzt bitte Herr Lorenzen aus Baden-Württemberg.

 

© 2005, Bundesärztekammer.