TOP IV: Bericht: Krankheit und Armut

2. Tag: Mittwoch, 4. Mai 2005 Nachmittagssitzung

Henke, Referent:
Lieber Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich bedanke auch ich mich sehr herzlich bei Herrn Professor Siegrist für sein Referat. Ich darf hinzufügen, dass dies das erste Mal ist, dass sich ein bundesweites Gremium in Deutschland die Ergebnisse der European Science Foundation hat vorstellen lassen. Aus den Einblicken, die wir gewonnen haben, folgt nun natürlich die Frage nach den Konsequenzen. Die Ergebnisse des europäischen Forschungsprojekts haben zweierlei verdeutlicht: Zum einen gibt es offensichtlich einen direkten Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht und dem individuellen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko.

Zudem kumulieren die Risiken über den Lebenslauf hinweg. Eine schlechte soziale Ausgangslage zur Geburt und im Kleinkindalter erhöht offensichtlich auch das Risiko, in den späteren Lebensphasen eher zu erkranken und früher zu versterben.

Deshalb stelle ich fest – diese Sicht finden Sie auch im Antrag des Vorstands zu diesem Tagesordnungspunkt wieder –: Arbeitslosigkeit und Armut lassen Menschen früher altern, rascher krank werden, sie rauben Initiative zur eigenen Gesundheitsförderung, zerstören die Motivation zur Prävention, mindern gesundheitliche Potenziale und verbreiten gesundheitsbelastende Verhaltensweisen.

Arbeitslosigkeit macht arm und Armut und Arbeitslosigkeit machen krank, und zwar beides bis hinein in die folgende Generation.

Bitte gestatten Sie mir, diesen Aspekt noch durch einige Hinweise zu unterstreichen, die ich einer persönlichen Mitteilung von Herrn Professor Harvey Brenner, Professor für Epidemiologie an der Technischen Universität Berlin, verdanke. Herr Professor Brenner hat für zahlreiche Staaten die Korrelation zwischen Lebenserwartung und Arbeitslosigkeit geprüft. Für Deutschland ist die Datenlage noch nicht sehr ausführlich. Aber die Korrelation lässt sich für die männliche Bevölkerung sowohl auf der aggregierten Ebene der Bundesländer zeigen als auch auf der Ebene der Raumordnungsregionen und der Kreise. Es wird die Arbeitslosenquote aus 2002 zu der vom Bundesbauministerium zur Verfügung gestellten Prognose der Lebenserwartung in den jeweiligen Raumordnungsregionen in Beziehung gesetzt. Die Aussage ist keine kausale Aussage, sondern nur eine Korrelation. Sie besagt lediglich, dass sich aus der Arbeitslosenquote Differenzen in der Lebenserwartung mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent prognostizieren lassen und diese Prognosewahrscheinlichkeit hochsignifikant ist.

Es gibt einen ähnlichen Gradienten, wenn die Untersuchung auf der Ebene der Kreise und der kreisfreien Städte erfolgt. Wenn man eine Aufteilung zwischen Kreisen und kreisfreien Städten einerseits im Westen und andererseits im Osten vornimmt, sieht man, dass der Gradient im Westen stärker und im Osten schwächer ist. Eine spekulative These hinsichtlich der Gründe könnte lauten, dass die Arbeitslosigkeit kumulativ zur Risikoausbildung beiträgt und die Daten für die östlichen Bundesländer denjenigen Zeitraum mit beinhalten, zu dem jedenfalls formal eine Arbeitslosigkeit nicht möglich war, also vor der Änderung des Wirtschaftssystems.

Bei Frauen ist der Gradient schwächer ausgeprägt, aber auch vorhanden. Hier ist die Erklärungswahrscheinlichkeit 40 Prozent.

Ich halte diese Daten für hochinteressant. Noch interessanter wären sie, wenn sie sich auch einzelnen Krankheitsbildern widmen würden. Dazu wäre allerdings ein Forschungsprojekt nötig, das natürlich finanziert werden muss.

Die wichtigste Kausaltherapie für das Problem besteht selbstverständlich darin, die Arbeitslosigkeit und damit den derzeit wichtigsten Grund für die Ausbreitung von Armut zu beseitigen. Das wichtigste Gegenmittel sind also neue Arbeitsplätze. Neue Arbeitsplätze entstehen nicht von selbst, sie entstehen vielmehr, wenn jemand überzeugt ist oder doch zumindest das Vertrauen hat, dass die Investitionen in neue Arbeitsplätze sich lohnt und dass man diese Investition riskieren kann. Eine mangelhafte Bereitschaft zu Investitionen und ein hohes Maß an Arbeitslosigkeit gehen Hand in Hand.

Es ist die Aufgabe der Wirtschafts-, Steuer-, Sozial-, Finanz-, Tarif- und Arbeitsmarktpolitik, die Bedingungen für das Entstehen neuer Arbeit in Deutschland zu verbessern. Zur Abwehr der gesundheitlich katastrophalen Folgen von Arbeitslosigkeit und Armut muss das Prinzip „Arbeit zuerst“ zu einem Leitmotiv der politischen Gestaltung werden. Es ist doch kein Naturgesetz, dass die durchschnittliche Arbeitslosenquote der 21 bedeutendsten Industrieländer im Internationalen Standort-Ranking der Bertelsmann Stiftung seit 1993 von damals 9,2 Prozent auf inzwischen 6,6 Prozent gefallen ist, Deutschland jedoch bei grundsätzlich gleichen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen inzwischen das Schlusslicht in Wachstum und Beschäftigung darstellt. Wir brauchen also andere Antworten als bisher. Die Reaktion auf den Zusammenhang von Krankheit und Armut muss im Sinne kausaler Therapie als auch vor allem auf der politischen Ebene ankommen. Wir sind als Ärztinnen und Ärzte nicht in der Lage, mit dem Rezeptblock die Globalisierung rückgängig zu machen, noch können wir die Bedeutung des neuen hochmobilen Produktionsfaktors Wissen wegoperieren noch können wir – mit welcher Technologie auch immer – die niedrige Geburtenrate seit 1974 rückgängig machen, jedenfalls nicht für die Zeit bis jetzt. Wir können Deutschland nicht in eine Insel der Glückseligen verwandeln noch können wir das Gesundheitswesen zu einer Insel der Glückseligen in Deutschland machen.

Ich denke, deswegen müssen wir auch in der öffentlichen Debatte klar machen, was wir leisten können und was andere leisten müssen. Wir können nicht die Ausfallbürgschaft dafür übernehmen, dass wir im internationalen Vergleich das Thema Arbeitslosigkeit noch schlechter bewältigen als andere. Deswegen ist es für unser eigenes Handeln wichtig, dass wir die Kausalzusammenhänge zwischen sozialer Lage und Gesundheit besser verstehen, deswegen ist es so wichtig, dass wir uns heute damit befassen.

Ich will versuchen, die vier möglichen Lösungsansätze, die Herr Professor Siegrist aufgezeigt hat, auf die Möglichkeit gesundheitspolitischer Konsequenzen hin abzuklopfen.

Die erste mögliche Hypothese ist die Drift-Hypothese. Sicher war noch im 19. Jahrhundert Krankheit einer der zentralen Risikofaktoren für einen sozialen Abstieg und für Verelendung. Herr Professor Siegrist hat jedoch aufgezeigt, dass nach allen bisherigen wissenschaftlichen Ergebnissen davon ausgegangen werden muss, dass der Faktor Krankheit nur 5 bis 10 Prozent der Gesamtvarianz der Faktoren, die Armut verursachen, ausmacht. Die Krankheit ist also kein vordringlicher Faktor mehr.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es mindestens zwei Gruppen von Menschen gibt, bei denen die Folgen von Krankheit tatsächlich in den Ruin führen. Dabei handelt es sich zum einen um junge Menschen, die in frühen Lebensjahren ohne auskömmliche Rentenversicherung eine chronische Behinderung erwerben, die sie berufsunfähig macht. Ich habe neulich bei der Einweihung einer Mukoviszidose-Ambulanz mit mehreren dieser Patienten gesprochen. Sie schaffen es einfach nicht, arbeiten zu gehen. Sie sind in einer ökonomisch außerordentlich prekären Situation mit ihren 27 oder 29 Jahren.

Der zweite Fall ist jener, dass man über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit in den Ruin getrieben wird, nämlich dann, wenn der Pflegebedarf so hoch ist, dass er das Dienstleistungsniveau der Pflegeversicherung übersteigt, sodass erst durch Zuzahlung eine menschenwürdige Pflege erfolgen kann. Die Folge ist dann sehr häufig der Verbrauch aller bis dahin erwirtschafteten Mittel.

Für das Gesundheitswesen ist mit der Drift-Hypothese die Aufforderung verbunden, keine Anstrengungen unversucht zu lassen, Erkrankungen möglichst früh zu erkennen und zu behandeln und bereits Erkrankten die beste Heilung und Rehabilitation zu ermöglichen. Zudem müssen die Sozialversicherungen in einen Zustand versetzt werden, der es verhindert, dass Krankheit und ihre Behandlung sowie Behinderung und die notwendige Rehabilitation und übrigens auch Pflegebedürftigkeit und menschenwürdige Pflege in materielle Verelendung münden.

Die zweite Hypothese lautet: Arme haben einen schlechteren Zugang zur medizinischen Versorgung. Das ist die These von den Zugangsbarrieren. An den Daten des Bundesgesundheitssurveys sieht man deutlich, dass die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen in der Unterschicht häufiger vorkommt. Das sagt noch nichts über die Zusammenhänge und über die Angemessenheit aus. Diese Daten haben wir von Frau Professor Kurth erhalten, die an diesem Survey entscheidend mitgewirkt hat.

Die Einführung der Kassengebühr zum 1. Januar 2004 hat nach Daten, welche die Kassenärztliche Vereinigung Berlin vorgelegt hat, dazu geführt, dass in jenen Berliner Stadtteilen, in denen der prozentuale Anteil der Bevölkerung, die vom Sozialhilfebezug leben, besonders hoch ist, der Rückgang der Arztinanspruchnahme im ersten Quartal 2004 im Vergleich zum ersten Quartal 2003 besonders ausgeprägt ist. Leider haben wir für das erste Quartal 2005 keine Zahlen.

Ich glaube, aus diesen Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin kann man die Konsequenz ziehen, dass die Frage zu stellen ist, ob nicht mit zunehmend mehr Selbstbehalten und Zuzahlungen die finanziell schwächsten Bevölkerungsgruppen vermehrt von der Nutzung ärztlicher Leistungen abgehalten werden. Eine weitere Verknappung der verfügbaren Geldmittel könnte tatsächlich zum Aufbau zunehmender Zugangsbarrieren zur gesundheitlichen Versorgung führen. Das ist zu dieser These, auch wenn sie ebenfalls nicht im Vordergrund der Argumentation stehen wird, die gesundheitspolitische Konsequenz.

Die dritte Hypothese lautet: Die Lebensbedingungen machen Arme krank. Es klingt schon fast trivial, dass das Leben unter den Bedingungen von Arbeitslosigkeit und Armut härter ist als unter den Lebensbedingungen im Wohlstand und somit zu erhöhten Krankheitsrisiken und Gefährdungen der Gesundheit führt. Wer die Dreigroschenoper von Bert Brecht und Kurt Weill kennt, kennt den Refrain: „Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm.“

Für die Lebensbedingungen im 19. Jahrhundert hatte diese Hypothese zweifellos eine riesige Plausibilität, denkt man nur an die damaligen Arbeits- und Wohnverhältnisse und die damit verbundenen Unfallgefahren und Gefahren ansteckender Erkrankungen wie beispielsweise Cholera, Tuberkulose oder Typhus.

Die Frage ist nun: Bestehen solche Unterschiede in den Lebensbedingungen und damit im Krankheitsgeschehen auch heute noch? Auch wenn wir von den meisten Epidemien Gott sei Dank weitgehend verschont sind, weisen auch heute noch die Ergebnisse verschiedener Studien deutliche Morbiditätsunterschiede unter den verschiedenen sozialen Schichten auf. Zum einen zeigen alle vorliegenden bevölkerungsbezogenen Befragungen, dass mit abnehmendem sozialen Status auch die eigene Gesundheit subjektiv schlechter eingeschätzt wird. Angehörige der obersten sozialen Schicht beantworten die Frage nach ihrer Zufriedenheit mit ihrer Gesundheit im Vergleich zu den Angehörigen der untersten sozialen Schicht mehr als doppelt so häufig positiv. Man könnte sagen, dies könnte auf eine größere „Klagsamkeit“ in den unteren sozialen Schichten zurückgeführt werden. Das ist aber nicht so. Bei der Deutschen Herz-Kreislauf-Präventionsstudie wurden die Teilnehmer befragt, ob sie in ihrem Leben schon einmal einen Herzinfarkt bzw. Schlaganfall erlitten haben bzw. ob sie an einem nicht insulinpflichtigen Diabetes leiden. Es hat sich gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Angehörige der untersten sozialen Schichten auf diese Fragen mit Ja antworten, um 50 bis 100 Prozent größer ist als jene bei der
obersten Sozialschicht.

Auch hier ist mit der bloßen Deskription noch längst nichts darüber ausgesagt, wie die dargestellten Zusammenhänge zwischen Krankheiten und sozialer Schicht zustande kommen. Als abzuleitende Folge für das Gesundheitswesen wird man feststellen können: Die Prozesse, die sich im Arbeitsleben als gesundheitliche Risiken herausbilden, sind durch das Gesundheitswesen – ich nehme die Betriebsärzte und die Arbeitsmedizin aus – nur schwer zu beeinflussen. Hier kommt eher dem Arzt-Patient-Gespräch und gegebenenfalls der Vermittlung an weitere Stellen, die Hilfestellungen bei der Bewältigung und Verarbeitung von Stress leisten können, eine Bedeutung zu. Ich glaube allerdings nicht, dass dies das Hauptmetier unseres Berufs sein wird.

Die vierte Hypothese lautet: Arme zeigen ein ungünstigeres Gesundheitsverhalten. Hier bleibt die Frage, ob nicht ein großer Teil der zwischen den Sozialschichten feststellbaren unterschiedlichen gesundheitlichen Belastungen mit dem Gesundheitsverhalten zu tun hat. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsarmut und Übergewicht mit einer erheblichen sozialen Gradienz verbunden sind.

Gleiches gilt für die Teilnahme an Maßnahmen zur Gesundheitsförderung. Es wurde gefragt, ob man während der letzten zwölf Monate an einer Maßnahme zur Gesundheitsförderung teilgenommen hat. Auch hier zeigt sich das schichtenspezifisch typische Verteilungsmuster.

Gleiches gilt für die Teilnahme an Krebsvorsorgeuntersuchungen, für die Teilnahme an den Kindervorsorgeuntersuchungen und die Zahnpflege, die sich anhand der Zahl kariöser Zähne abbilden lässt.

Welches können die möglichen Schritte sein? Folge für das Gesundheitswesen könnte eine verstärkte Aufklärung über Gesundheitsrisiken und gesundheitsförderliches Verhalten sein, über Vorsorgemaßnahmen, über Prävention und Unterstützungsangebote, vor allem für die drei von Herrn Siegrist beschriebenen relevanten Lebensphasen: Neugeborene/Kleinkinder und ihre Eltern, Jugendliche, mittleres Erwachsenenalter/Berufstätige. Solche Aufklärungsaktivitäten müssen zielgruppengerecht erfolgen, sie sollten aber auch unterstützt werden durch den einzelnen Arzt in Praxis und Klinik. Eine weitere Folge wäre mehr aktives Kontaktieren randständiger Bevölkerungsgruppen zu Vorsorgeuntersuchungen und zur Teilnahme an Impfungen. Hier sollte der öffentliche Gesundheitsdienst eine entscheidende Rolle wahrnehmen, beispielsweise über Screeninguntersuchungen schon im Kindergartenalter, eine umfassende, sozialschichtbezogene Gesundheitsberichterstattung usw. Auch sollten erwachsene Versicherte zukünftig anders zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen motiviert werden, wie dies nun beispielsweise beim Mammographiescreening erfolgen wird. Über die Zweckmäßigkeit des Mammographiescreenings könnte man lange diskutieren. Der Weg vom opportunistischen hin zum organisierten Screening auf Einladungsbasis scheint mir ein Weg zu sein, der auch in anderen Konditionen Erfolg verspricht.

Schließlich ist auch zu überlegen, ob und in welcher Weise niedergelassene Ärzte ihre Angebote an die veränderte Bedarfslage anpassen müssen und können. Ich bin sicher, dass wir dazu gleich von Frau Dr. Goesmann etwas hören werden.

Mehr Gesundheitsaufklärung beispielsweise an Schulen ist notwendig. Auch hierbei können Ärzte einen aktiven Beitrag leisten.

Auch sollten wir auf eine stärkere Vernetzung der Einrichtungen des Gesundheitswesens mit anderen Bereichen und Einrichtungen der sozialen Versorgung hinwirken. Einen guten Ansatz hierfür bietet das Projekt regionaler Knoten des Betriebskrankenkassen-Bundesverbands und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das sich die Förderung sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen zur Aufgabe gemacht hat und an dem vielerorts bereits auch die Landesärztekammern und die Gesundheitsämter mitwirken. Vielleicht können auch kommunale Gesundheitskonferenzen zu einer intensiveren Bündelung der lokalen Kräfte beitragen, mit denen die Ärztekammern und die Gesundheitsämter in Nordrhein-Westfalen seit einigen Jahren Erfahrung gesammelt haben.

Natürlich sind die genannten Handlungsansätze und weitere, die Ihnen im Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer vorliegen, eingerahmt in das große Bild des Arbeitsmarktes und der Entwicklungen dort. Denn ein ausreichendes Arbeitsplatzangebot ist schließlich ein Garant dafür, dass der Einzelne berufliche Perspektiven hat und Möglichkeiten innerhalb der Gesellschaft findet, die ihn auch in seinen übrigen Ressourcen stärken.

Ich will auf ein Problem aufmerksam machen, das ebenso grundsätzlicher wie politischer Natur ist. Mit hoher Arbeitslosigkeit schrumpfen auch die Ressourcen des Gesundheitswesens. Wenn diese Entwicklung nicht umgekehrt wird, wird das zwingend dazu führen, dass immer mehr Menschen von Leistungen ausgeschlossen werden, also die Rationierung immer mehr um sich greift. In einem Gesundheitswesen, das seine Finanzierung fast ausschließlich an das Arbeitseinkommen bindet, schrumpfen die verfügbaren Ressourcen paradoxerweise gerade dann, wenn Arbeitslosigkeit und Armut die Morbidität zunehmen lassen und damit der Bedarf an gesundheitlicher Versorgung steigt.

Viele Beiträge kann sicherlich auch jeder Einzelne im täglichen ärztlichen Tun leisten. Es ist wichtig, dass wir die unterschiedlichen Verantwortungszuordnungen im Gedächtnis behalten und diesbezüglich keine Unklarheit aufkommen lassen. Wir können mit den Mitteln der einzelnen Praxis nicht alles reparieren. Wir können auch mit den Mitteln des Gesundheitswesens und mit den Einsatzmöglichkeiten, die eine vielleicht bessere Koordinierung im Gesundheitswesen bietet, nicht alles lösen. Dennoch ist es das Schicksal der Menschen, mit den Möglichkeiten und an den Stellen, an denen man sich einsetzen kann, dafür zu sorgen, dass die Situation verbessert wird.

Weil ich dazu sonst keine Gelegenheit mehr habe, möchte ich mich bei Herrn Professor Siegrist und bei Frau Dr. Goesmann, aber auch bei allen anderen, die an der Vorbereitung dieses Tagesordnungspunkts mitgewirkt haben, herzlich bedanken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Vielen Dank, Rudolf Henke, für diese konkrete Darstellung, auch des Antrags, den wir als Vorstand eingebracht haben.

Jetzt hat Frau Goesmann das Wort, um die Problematik aus der Erfahrung des Alltags zu beleuchten. Bitte schön.

 

© 2005, Bundesärztekammer.