TOP IV: Bericht: Krankheit und Armut

2. Tag: Mittwoch, 4. Mai 2005 Nachmittagssitzung

Dr. Urban, Berlin:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin seit etwas mehr als 20 Jahren als Psychiater in Berlin-Moabit niedergelassen. Ich kenne die Problematik seit vielen Jahren. Ich bin froh, dass sie in diesem Ausmaß und mit diesem Gewicht auf dem Deutschen Ärztetag diskutiert wird. Ich finde, der gesamte Vorspann ist richtig, wichtig und gut. Vielleicht ist der Auftakt ein bisschen unglücklich, wenn dort steht, der Deutsche Ärztetag möge beschließen: Armut macht krank. Das kann man vielleicht etwas anders formulieren.

Ich werde mich an die Redezeit von drei Minuten halten. Es gibt in dem Maßnahmenkatalog eine ganze Reihe von Punkten, bei denen eine Überarbeitung und Konkretisierung erforderlich wäre. Ich bitte darum, dies in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband Deutscher Nervenärzte und dem Berufsverband Deutscher Psychiater zu tun. Ich will nicht all die kleinen Dinge, die mir aufgefallen sind, aufzählen. Ich möchte nur drei Dinge ansprechen. In Punkt 5 ist der primärärztliche Bereich aufgeführt. Ich weiß nicht ganz genau, was der Vorstand der Bundesärztekammer unter dem primärärztlichen Bereich versteht und welches primärärztliches Modell er vorzieht. In der Klammerbemerkung ist die Rede von Ärzten für Allgemeinmedizin, Praktischen Ärzten, Pädiatern und auch psychiatrisch tätigen Kolleginnen und Kollegen. Ich fühle mich als Psychiater als psychiatrisch tätiger Kollege und käme mit meiner Fachbezeichnung auch gern so vor, nicht als jemand, der auch psychiatrisch tätig ist. Ich denke, da wäre eine Präzisierung sicherlich wichtig.

In Punkt 8 geht es um die Vergütung. Da stehen die Hausärzte als Gruppe eindeutig definiert und dann – aus meiner Sicht etwas diffus – die insgesamt primärärztlich tätigen Kollegen. Das ist noch einmal reduziert und für mich nicht eindeutig nachvollziehbar.

Ich mache seit mindestens 15 Jahren bei Heimpatienten und unterprivilegierten Patienten in meinem Bezirk Hausbesuche. Bisher ist die Vergütung dafür beständig geringer und nicht höher geworden. Insofern ist es sicherlich gut, wenn hier eine entsprechende Forderung aufgestellt wird.

Ich könnte mir vorstellen, dass der Finanzierungsvorbehalt, der heute mehrfach angesprochen wurde, auch hier ganz konkret und eindeutig hervorgehoben wird, damit nicht auf einmal Leistungen, die wichtig sind, die erfolgen sollten, für die ein Bedarf und auch ein moralischer Anspruch besteht, plötzlich aus der Gesamtvergütung bezahlt werden und der Standard und die Ansprüche hochgeschraubt werden. Ich meine, hier muss der Finanzierungsvorbehalt ganz eindeutig untergebracht werden.

Den Punkt 9 finde ich nicht unproblematisch. Danach sollen die sozialpsychiatrischen Dienste auf- und ausgebaut werden. Das ist sicherlich nichts Schlechtes. Ich weiß allerdings nicht, ob diejenigen, die nach dem Wortlaut des Gesetzes auch für Zwangseinweisungen zuständig sind, die optimale Anlaufstelle für Arbeitslose, Wohnungslose, Menschen mit Suchtproblemen sind, die fürchten, dass ihnen ihr Kind weggenommen werden könnte, das in den Unterlagen auftaucht. Man darf bezweifeln, ob diese Institutionen in dieser Beziehung das Optimum sind.

Ich darf auch die Frage stellen, wie eine kombinierte Bezahlung aus Krankenkassengeldern und Staatsgeldern für die sozialpsychiatrischen Dienste funktionieren soll. Aber das sind vielleicht Kleinigkeiten.

Ich habe gesehen, dass in einem Antrag gefordert wird, auch die Psychotherapie irgendwo mit unterzubringen. Bei aller Wertschätzung für die Psychotherapie – ich bin ja selber auch Psychotherapeut – denke ich, dass eine Richtlinienpsychotherapie, die ein Antragsverfahren voraussetzt, nichts ist, was kurzfristig erfolgen kann, und sicherlich nicht das Problem ist, das hier mit hereingequetscht werden müsste.

Mein Vorschlag ist, dass der Maßnahmenkatalog unter Einbeziehung der Berufsverbände der Nervenärzte und der Psychiater überarbeitet wird. Der Finanzierungsvorbehalt muss ganz konkret deutlich gemacht werden. Es kann nicht sein, dass wichtige Arbeiten von uns zusätzlich geleistet werden müssen. Da­rauf ist heute schon mehrfach hingewiesen worden. Das kann auch nicht auf diesem Umweg implementiert werden. Ich bitte Sie, das mit einzubeziehen.

Danke sehr.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank, Herr Urban. Zur Geschäftsordnung bitte Herr Mayer aus Bayern.

 

© 2005, Bundesärztekammer.