TOP VI: Transparenz für Patienten/Rechtssicherheit für Ärzte – Modernisierung der GOÄ

3. Tag: Donnerstag, 5. Mai 2005 Vormittagssitzung

Prof. Dr. Taupitz, Referent:
Copyright baek.de, 2005. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorstand hat mich gebeten, ein Grundlagenreferat zu den Aufgaben und Funktionen einer staatlichen Gebührenordnung für freie Berufe zu halten. Um keine Doppelung mit dem anschließenden Referat von Herrn Dr. Möhrle herbeizuführen, werde ich mich auf die Grundlagen beschränken, also nicht auf die vielen umstrittenen Einzelheiten der GOÄ eingehen. Ich hoffe, dass mein Referat nicht abgehoben in der Theorie verbleiben wird, sondern Ihnen auch einige praktische Anregungen geben wird.

Ich habe mein Referat überschrieben: Staatliche Gebührenordnungen bei freien Berufen: notwendig und zeitgemäß oder überflüssig und anachronistisch? Anstelle des Begriffs Gebührenordnung kann man auch den Begriff Honorarordnung setzen. Das würde dem „honorarium“, der Ehrengabe, die den Ärzten früher zuteil wurde, eher gerecht als die Gebühr, die nach einem staatlichen Verwalter klingt. Man könnte hier genauso gut von einer staatlichen Taxe sprechen.

Als Jurist gehe ich natürlich zunächst einmal von der Verfassung her an dieses Thema heran und sage ganz deutlich, dass eine staatliche Gebührenordnung die grundrechtlich geschützte Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit des Freiberuflers einschränkt, dass die staatliche Gebührenordnung die Berufsfreiheit des Freiberuflers einschränkt und auch die Vertragsfreiheit des Auftraggebers, hier konkret: der Patienten. Deshalb bedarf eine staatliche Gebührenordnung von Verfassungs wegen einer besonderen Rechtfertigung hinsichtlich des Ob und des Wie, also hinsichtlich der Frage, ob der Staat überhaupt eine solche Gebührenordnung erlassen darf, und auch hinsichtlich der Frage, wie der Staat eine solche Gebührenordnung ausgestalten darf.

Eine staatliche Gebührenordnung muss – das ist, wenn man so will, das kleine Einmaleins des Verfassungsrechts, das kleine Einmaleins der Berechtigung von Grundrechtseingriffen – als Grundrechtseingriff zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignet, erforderlich und im Hinblick auf die Zweck-Mittel-Relation angemessen, also verhältnismäßig, sein. Sie muss also geeignet sein, ein legitimes Ziel zu erreichen. Sie darf nur so stark in die genannten Grundrechte eingreifen, wie es erforderlich ist. In Relation zur Höhe des Ziels, das verfolgt wird, muss sie angemessen sein. Sie darf also nicht zu stark eingreifen. Dies alles gilt stets auch vor dem Hintergrund eines eventuellen Wandels der maßgeblichen Umstände. Es ist nicht so, dass sich der staatliche Gesetzgeber einfach zurücklehnen darf und sagen kann: Ich habe eine Regelung geschaffen, sie ist auf ewige Zeit unabänderlich und kann so bestehen bleiben, sie ist gerechtfertigt. Nein, wenn sich die Umstände ändern, auch die äußeren Umstände, ist der Gesetzgeber, der Verordnungsgeber verpflichtet, gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen.

Staatliche Gebührenordnung und freier Beruf – ist das nicht ein Widerspruch in sich? Damit kommen wir zu den Charakteristika des freien Berufs. Was bedeutet der Begriff „freier Beruf“? Der freie Beruf ist gekennzeichnet durch die persönliche Leistungserbringung, die von außen im Einzelfall nur schwer zu beurteilen und deshalb im hohen Maße auf Eigenverantwortung angewiesen ist. Der freie Beruf erbringt eine qualifizierte Leistung aufgrund einer besonderen Ausbildung, aufgrund einer besonderen Zulassung, aufgrund der Weiter- und der Fortbildung. Der Freiberufler erbringt typischerweise – nicht alle – seine Leistung in wirtschaftlicher Selbstständigkeit und – das ist für Ärzte besonders wichtig – in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber.

Der Freiberufler ist ausdrücklich auf das Gemeinwohl verpflichtet. § 1 der Bundesärzteordnung schreibt es Ihnen ins Stammbuch, dass der Arzt auch der Gesamtheit des Volkes dient und nicht nur dem individuellen Patienten, der vor ihm sitzt.

Der Freiberufler ist in besonderem Maße reglementiert zur Wahrung des Gemeinwohls und er wird überwacht durch die im staatlichen Auftrag handelnde berufsständische Selbstverwaltung. Herr Präsident Hoppe hat meinen Vortrag auf der Jubiläumsveranstaltung der Bundesärztekammer angesprochen; dort habe ich sehr deutlich die Zwitterstellung der freiberuflichen Selbstverwaltung der Ärztekammern zwischen Selbstverwaltung und staatlicher Überwachungsbehörde geschildert.

Insgesamt sind – auf den ersten Blick paradoxerweise – die freien Berufe besonders stark reglementiert. Das gilt auch bezogen auf die Vertragsfreiheit, die das Verhältnis zum Patienten betrifft. Ärzte dürfen nicht willkürlich die Behandlung ablehnen, Ärzte sind gezwungen, den Inhalt des Vertrags angemessen zu gestalten, angemessen auch im Hinblick auf die Honorarhöhe.

Letztlich sind die freien Berufe in ständiger Abgrenzung zum Gewerbe und in Freiheit von der Staatsdienerstellung zu betrachten. Das sind, wenn man so will, die beiden Extrempunkte, von denen sich die freien Berufe abgrenzen, mit historischen Wurzeln bei den „artes liberales“. Bei den „artes liberales“ scheint der Begriff des freien Berufs auf, auch bezogen auf die Freiheit von der Staatsdienerstellung. Die andere Seite der Medaille ist das Gewerbe, das völlig frei ist; so frei wollen und dürfen Sie nicht sein.

Ich komme zu den Funktionen einer Gebührenordnung. Die Gebührenordnung soll den Verzicht auf einen – unter Umständen ruinösen – Preiswettbewerb als Grundlage der Qualitätssicherung herbeiführen. Man soll als Freiberufler eben nicht nur auf jeden Euro schauen, sondern das Primäre ist die Qualität. Die Qualität soll nicht zugunsten eines ruinösen Preiswettbewerbs geopfert werden.

Es soll eine Einflussnahme des Auftraggebers, also des Patienten, auf die Höhe des Entgelts zur Wahrung der Eigenverantwortlichkeit und der wirtschaftlichen Selbstständigkeit verhindert werden. Eine weitere Funktion einer Gebührenordnung besteht im Schutz des Auftraggebers vor unangemessen hohen Entgeltforderungen. Es soll also nicht nur der Arzt, der Auftragnehmer, gesichert sein, sondern auch der Patient, der Auftraggeber, soll vor unangemessen hohen Forderungen sicher sein, wobei er die Angemessenheit des Entgelts im Allgemeinen ja gar nicht beurteilen kann. Denken Sie bitte an das, was ich vorhin gesagt habe: Die Leistungen eines Freiberuflers sind von außen im jeweiligen Einzelfall häufig nicht zu kontrollieren. Sie sind im Einzelfall nicht zu bewerten. Deswegen diese Vorgabe der Gebührenordnung.

Ein Feilschen um das Entgelt würde das Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber massiv belasten, Erwerbsgesichtspunkte würden unter Zurückdrängung des Altruismuspostulats in den Vordergrund gestellt. Dies würde zu Gepflogenheiten wie im Gewerbe führen, wo man um das Entgelt feilscht.

Eine qualifizierte Ausbildung der Freiberufler sichert eine relativ gleichmäßige Qualität der Leistung. Diese relativ gleichmäßige Qualität der Leistung erfordert relativ gleiche Preise, und zwar gleiche Preise unabhängig von der Nachfrage – es soll bei den Ärzten keine Saisonpreise und keine Rabattaktionen geben – und unabhängig vom Ausmaß der Konkurrenz, also keine höheren Preise „auf dem Land“. Die Preise sollen auch unabhängig vom sozialen Status des Auftraggebers sein, es soll gerade keine Klassenmedizin geben, bei der ein reicher Patient mehr bezahlt als der arme Patient. Es soll gleiche Preise unabhängig vom Erfolg der Leistung geben. Wenn Ärzte nach Erfolg bezahlt würden, wollte niemand nur „einfache Fälle“ übernehmen.

Gleiche Preise soll es auch unabhängig von der Angewiesenheit des Auftraggebers geben. Es soll also keinen Lebensrettungsaufschlag geben. Es soll nicht so sein, dass die Behandlung, wenn sie besonders notwendig ist, ein wenig mehr kostet, als wenn man zuwarten kann.

Allerdings soll es beschränkte Möglichkeiten geben, individuellen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Diese individuellen Besonderheiten müssen natürlich begründet werden. Das wird dadurch sichergestellt, dass es Gebührenrahmen und nicht punktgenau festgelegte Gebühren gibt und indem es die beschränkte Möglichkeit gibt, von den Vorgaben der Gebührenordnung im Einzelfall durch Vereinbarung mit dem Patienten abzuweichen.

Zusammengefasst kann man sagen, dass die Funktion einer Gebührenordnung insbesondere darin besteht, den Leistungswettbewerb statt des Preiswettbewerbs in den Vordergrund zu stellen und zu fördern. Anstelle des Preiswettbewerbs soll es Transparenz für Auftraggeber und Auftragnehmer geben, also entgegen der Formulierung des Tagesordnungspunkts, in dessen Rahmen wir jetzt diskutieren, Transparenz nicht nur für Patienten, sondern Transparenz auch für die Ärzte.

Es soll Rechtssicherheit für Auftraggeber und Auftragnehmer herbeigeführt werden, also – ebenso in Abänderung des jetzigen Tagesordnungspunkts – Rechtssicherheit nicht nur für Ärzte, sondern auch für die Patienten. Ferner soll Gleichheit für Auftraggeber und Auftragnehmer herbeigeführt werden, indem vonseiten des Arztes nicht willkürlich die Gebühren mal so und mal anders festgesetzt werden. Es soll sowohl für Auftraggeber als auch für Auftragnehmer angemessene Gebühren geben.

Insgesamt gesehen soll eine Gebührenordnung Gerechtigkeit für Auftraggeber und Auftragnehmer herbeiführen und sie soll zum Rechtsfrieden für Auftraggeber und Auftragnehmer führen.

Auf die Frage, ob staatliche Gebührenordnung und freier Beruf ein Widerspruch in sich sind, ist ganz klar zu antworten: Nein! Die staatliche Gebührenordnung verträgt sich durchaus mit einem freien Beruf, einem, wie ich geschildert habe, durchaus staatlich gebundenen Beruf. Im Gegenteil: Die Existenz einer Gebührenordnung wird vielfach als selbstständiges Charakteristikum, als besonderes Charakteristikum eines freien Berufs angesehen. Gerade viele Freiberufler haben eine staatliche Gebührenordnung. Denken Sie an Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

Staatliche Gebührenordnungen prägen das Berufsbild eines freien Berufs und sie sichern das Berufsbild und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der dem Freiberufler im Allgemeininteresse übertragenen Aufgabe.

Voraussetzung ist, dass die Gebührenordnung für Auftraggeber und Auftragnehmer transparent ist, dass sie zu Rechtssicherheit für Auftraggeber und Auftragnehmer führt und dass sie zu angemessenen Entgelten für Auftraggeber und Auftragnehmer führt.

Wenn das nicht der Fall ist, wenn beispielsweise „den berechtigten Interessen der Ärzte und den zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten“ nicht Rechnung getragen wird – § 11 Satz 3 der Bundesärzteordnung – und dabei der beschränkte Beurteilungsspielraum des zuständigen Verordnungsgebers überschritten ist, verliert die Gebührenordnung ihre verfassungsrechtliche Berechtigung, weil sie nicht mehr geeignet ist, die verfolgten Ziele zu erreichen und weil sie keinen verhältnismäßigen Grundrechtseingriff beinhaltet. Ich verweise auf das, was ich eingangs meines Referats gesagt habe: Eine staatliche Gebührenordnung schränkt massiv die Grundrechte der Ärzte und der Patienten ein. Diese Grundrechtseinschränkung muss verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Sie ist es aufgrund der Kriterien Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Diese Kriterien erfüllt die Gebührenordnung nur, wenn sie die Ziele, die sie verfolgen soll, auch tatsächlich verfolgt.

Wenn die Gebührenordnung ihre verfassungsrechtliche Berechtigung verliert, kann nicht etwa Verfassungsbeschwerde erhoben werden, weil es sich hier nicht um ein förmliches Gesetz handelt, sondern es kann bei jedem Verwaltungsgericht die Feststellung der Nichtigkeit beantragt werden. Jedes Verwaltungsgericht kann die Nichtigkeit der Gebührenordnung feststellen.

Ich will ganz deutlich sagen: Jeder, der eine solche Klage erhebt, sollte sich allerdings der Konsequenzen bewusst sein. Zum einen gilt, dass das Verwaltungsgericht die Nichtigkeit nur inter partes feststellt, also zwischen dem bestimmten Kläger und dem bestimmten Beklagten. Die Wirkung geht politisch gesehen natürlich darüber hinaus. Insofern ist diese Inter-partes-Wirkung nur juristisch, nicht aber politisch.

Aus diesem Blickwinkel heraus sollte man sich sehr gut überlegen, ob man als Arzt eine solche Feststellungsklage erhebt, denn man muss die Konsequenz sehen: Wenn die Nichtigkeit durch das Verwaltungsgericht festgestellt wird, ist die Gebührenordnung insgesamt nicht mehr existent. Nicht nur die Fesseln, die man beseitigen wollte, sind weg, sondern auch die Wohltaten, die die Gebührenordnung für die Ärzte teilweise beinhaltet. Auch der Schutzwall einer Gebührenordnung gegen Absenkungsbestrebungen wäre hinfällig.

Im Übrigen kann in jedem Rechtsstreit, der über die Angemessenheit einer Gebühr geführt wird, jedes Gericht die Gebührenordnung als unwirksam betrachten.

Ich betone noch einmal: Es besteht keine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, weil es sich um eine so genannte untergesetzliche Norm handelt.

Viel wichtiger im politischen Bereich ist es, dass, wenn die Gebührenordnung ihre Funktion nicht mehr erfüllt, wenn sie eben nicht zu einem angemessenen Interessenausgleich führt, eine Erosion des Berufsbildes stattfindet, und zwar von innen und von außen. Die Ärzte sind unzufrieden, weil die Gebühren zu niedrig sind, die Patienten sind unzufrieden, weil sie meinen, die Gebühren sind zu hoch. Weil keine Sicherheit besteht, weil individuelle Abweichungen erfolgen usw., kommt es zu einer Erosion des Berufsbildes. Ich weise noch einmal da­rauf hin: Die Gebührenordnung soll das Berufsbild im Gemeinwohlinteresse sichern. Sie soll die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der jeweiligen Freiberufler ermöglichen und sichern.

Wenn die von mir genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, entfällt die Rechtfertigung für die besonderen Bindungen des staatlich gebundenen Berufs und das vom Freiberufler zu wahrende Allgemeininteresse, das Gemeinwohl, gerät in Gefahr. Nicht erst dann stellt sich die Frage, ob denn nicht eine staatliche Gebührenordnung und der freie Beruf ein Widerspruch in sich sind. Ich habe eben von der Funktion einer Gebührenordnung gesprochen, habe mich aber noch nicht dazu geäußert, ob es gerade eine staatliche Gebührenordnung sein soll. Verstößt die staatliche Gebührenordnung vielleicht gegen die Grundprinzipien des freien Berufs, weil sie gegen den Gedanken der freiberuflichen Selbstverwaltung verstößt, die ein wesentliches Charakteristikum des freien Berufs ist?

Einerseits ist die Selbstverwaltung zur Regelung der eigenen Angelegenheiten des Berufsstandes berufen, nicht aber zur Regelung der Belange Außenstehender. Es soll also nur um das gehen, was den Berufsstand im Inneren angeht, nicht aber dürfen die Belange von Außenstehenden geregelt werden. Genau das aber tut eine Gebührenordnung, indem sie nämlich auch die Pflichten der Patienten, also der Außenstehenden, regelt. Von daher widerspricht eine staatliche Gebührenordnung dem Selbstverwaltungsgedanken nicht.

Der Staat dürfte aber durchaus der öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltung per Gesetz die Ermächtigung erteilen, Regelungen auch über den Kreis der Mitglieder hinaus zu treffen. Das, was ich eben gesagt habe, nämlich dass der Berufsstand in seiner Selbstverwaltung nur zur Regelung der eigenen Angelegenheiten berufen ist, gilt nur, wenn der Gesetzgeber nicht hinreichend deutlich eine abweichende, eine weitergehende Ermächtigung ausgesprochen hat.

Durch staatliche Genehmigungserfordernisse könnte durchaus sichergestellt werden, dass die Interessen der Außenstehenden hinreichend berücksichtigt werden.

Zudem ist der Staat über die Beihilfe faktisch Schuldner eines nicht unerheblichen Teils ärztlicher Honorarforderungen. Das ist derselbe Staat, der die Gebührenordnung erlässt.

Der Staat ist also nicht ein neutraler Vermittler zwischen den – naheliegenderweise konfligierenden – Interessen der Ärzteschaft und den Interessen der Zahlungspflichtigen.

Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht eine Gebührenordnung durch die ärztliche Selbstverwaltung eine Alternative zur staatlichen Gebührenordnung wäre. Hier gibt es eine Vielfalt von Problemen des europäischen Kartellrechts, die ich hier nicht näher ausführen will, die in Italien bereits zu großen Problemen mit dem Europäischen Gerichtshof geführt haben. Ich glaube, viel wichtiger sind für uns die rechtspolitischen Probleme, die dadurch entstünden, weil es zu einer einseitigen Preiskontrolle durch die Ärzteschaft käme und weil keine systematische Berücksichtigung der Interessen der unmittelbar Zahlungspflichtigen, also der Patienten, erfolgte. Auch die systematische Berücksichtigung der Interessen der mittelbar Zahlungspflichtigen – die private Krankenversicherung und die Beihilfestellen – wäre nicht gegeben. Die Ärzteschaft käme letztlich in denselben politischen Disput wie bei den Abgeordneten, nämlich dass die eigenen Einkünfte festgesetzt werden. Das wäre politisch kaum zu vermitteln.

Deshalb sage ich ganz klar: Die Ärzteschaft sollte sich dieser Aufgabe nicht widmen.

Es gibt das so genannte Vorschlagsmodell bzw. das Interessenausgleichsmodell, das etwa im Jahre 2000 vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer erarbeitet wurde. Dieses Vorschlagsmodell sollte aus meiner Sicht wiederbelebt werden. Man sollte intensiv darum kämpfen, aber in modifizierter Form. Es sollte nämlich eine Verhandlungspartnerschaft der Leistungserbringer, der Patienten und der Kostenträger geben. Die wichtigsten Leistungserbringer sind die Ärzte. Vielleicht könnte man auch die Krankenhäuser – über die Deutsche Krankenhausgesellschaft – an der Ausarbeitung beteiligen. Ich meine, man sollte auch die Patienten mit einbeziehen. Mittlerweile gibt es ja eine Patientenbeauftragte. Sie sollte in diesem Gremium, das einen derartigen Vorschlag erarbeiten soll, vertreten sein.

Der erzielte Konsens, der Vorschlag, sollte durch Rechtsverordnung – wie die geltende Gebührenordnung – oder durch eine so genannte Allgemeinverbindlicherklärung nach einer staatlichen Rechtmäßigkeitsprüfung übernommen werden. Diese Rechtmäßigkeitsprüfung war in dem damaligen Vorschlag nicht enthalten, jedenfalls nicht deutlich zum Ausdruck kommend. Damals wurde dafür plädiert, dass das Ministerium an den ausgearbeiteten Vorschlag gebunden sein soll. Das geht aus verfassungsrechtlichen Gründen und insbesondere aus rechtspolitischen Gründen kaum. Deshalb muss hier eine unabhängige Rechtmäßigkeitsprüfung vonseiten einer staatlichen Behörde erfolgen.

Ganz wichtig ist: Es muss eine adäquate Konfliktlösung bei Nichteinigung durch eine neutrale Schiedsstelle geben. Das ist ein wichtiges und auch schwer zu lösendes Problem.

Welches sind die Alternativen zur Wiederbelebung dieses Vorschlagsmodells? Da kommt in erster Linie die Resignation infrage. Ich meine, Resignation ist eines freien Berufs unwürdig.

(Beifall)

Eine andere Alternative ist die Flucht in die Honorarvereinbarung mit dem einzelnen Patienten, also ein Feilschen mit dem einzelnen Patienten um das Honorar. Das ist sicherlich individuell und berufspolitisch sehr problematisch. Dadurch würde der Wert der Gebührenordnung mit ihren auch positiven Facetten längerfristig ausgehöhlt.

Schließlich bliebe der Versuch übrig, den Verordnungsgeber zu überzeugen, politischen Druck zu machen. Das allerdings ist außerordentlich mühsam.

Ich wünsche Ihnen allen und insbesondere Ihren Funktionären dabei viel Erfolg!

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Vielen Dank, Herr Professor Taupitz. Wir spenden gerne Beifall, auch für diese klare Darstellung, nur nicht für den Begriff „Funktionär“. Wir fühlen uns nicht als „Funktionäre“, sondern als Mandatsträger oder als Interessenvertreter. – Aber das war jetzt ein Joke.

Als nächster Referent bitte Herr Möhrle.

 

© 2005, Bundesärztekammer.