Prof. Dr. Taupitz, Referent:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorstand
hat mich gebeten, ein Grundlagenreferat zu den Aufgaben und Funktionen
einer staatlichen Gebührenordnung für freie Berufe zu halten. Um
keine Doppelung mit dem anschließenden Referat von Herrn Dr. Möhrle
herbeizuführen, werde ich mich auf die Grundlagen beschränken, also
nicht auf die vielen umstrittenen Einzelheiten der GOÄ eingehen.
Ich hoffe, dass mein Referat nicht abgehoben in der Theorie verbleiben
wird, sondern Ihnen auch einige praktische Anregungen geben wird.
Ich habe mein Referat überschrieben: Staatliche
Gebührenordnungen bei freien Berufen: notwendig und zeitgemäß oder überflüssig
und anachronistisch? Anstelle des Begriffs Gebührenordnung kann man auch den
Begriff Honorarordnung setzen. Das würde dem „honorarium“, der Ehrengabe, die
den Ärzten früher zuteil wurde, eher gerecht als die Gebühr, die nach einem
staatlichen Verwalter klingt. Man könnte hier genauso gut von einer staatlichen
Taxe sprechen.
Als Jurist gehe ich natürlich zunächst einmal von der
Verfassung her an dieses Thema heran und sage ganz deutlich, dass eine
staatliche Gebührenordnung die grundrechtlich geschützte Vertrags- und
Wettbewerbsfreiheit des Freiberuflers einschränkt, dass die staatliche
Gebührenordnung die Berufsfreiheit des Freiberuflers einschränkt und auch die
Vertragsfreiheit des Auftraggebers, hier konkret: der Patienten. Deshalb bedarf
eine staatliche Gebührenordnung von Verfassungs wegen einer besonderen
Rechtfertigung hinsichtlich des Ob und des Wie, also hinsichtlich der Frage, ob
der Staat überhaupt eine solche Gebührenordnung erlassen darf, und auch
hinsichtlich der Frage, wie der Staat eine solche Gebührenordnung ausgestalten
darf.
Eine staatliche Gebührenordnung muss – das ist, wenn man so
will, das kleine Einmaleins des Verfassungsrechts, das kleine Einmaleins der
Berechtigung von Grundrechtseingriffen – als Grundrechtseingriff zur Erreichung
eines legitimen Ziels geeignet, erforderlich und im Hinblick auf die
Zweck-Mittel-Relation angemessen, also verhältnismäßig, sein. Sie muss also
geeignet sein, ein legitimes Ziel zu erreichen. Sie darf nur so stark in die
genannten Grundrechte eingreifen, wie es erforderlich ist. In Relation zur Höhe
des Ziels, das verfolgt wird, muss sie angemessen sein. Sie darf also nicht zu
stark eingreifen. Dies alles gilt stets auch vor dem Hintergrund eines
eventuellen Wandels der maßgeblichen Umstände. Es ist nicht so, dass sich der
staatliche Gesetzgeber einfach zurücklehnen darf und sagen kann: Ich habe eine
Regelung geschaffen, sie ist auf ewige Zeit unabänderlich und kann so bestehen
bleiben, sie ist gerechtfertigt. Nein, wenn sich die Umstände ändern, auch die
äußeren Umstände, ist der Gesetzgeber, der Verordnungsgeber verpflichtet,
gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen.
Staatliche Gebührenordnung und freier Beruf – ist das nicht
ein Widerspruch in sich? Damit kommen wir zu den Charakteristika des freien
Berufs. Was bedeutet der Begriff „freier Beruf“? Der freie Beruf ist
gekennzeichnet durch die persönliche Leistungserbringung, die von außen im
Einzelfall nur schwer zu beurteilen und deshalb im hohen Maße auf
Eigenverantwortung angewiesen ist. Der freie Beruf erbringt eine qualifizierte
Leistung aufgrund einer besonderen Ausbildung, aufgrund einer besonderen
Zulassung, aufgrund der Weiter- und der Fortbildung. Der Freiberufler erbringt
typischerweise – nicht alle – seine Leistung in wirtschaftlicher
Selbstständigkeit und – das ist für Ärzte besonders wichtig – in einem
besonderen Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber.
Der Freiberufler ist ausdrücklich auf das Gemeinwohl
verpflichtet. § 1 der Bundesärzteordnung schreibt es Ihnen ins Stammbuch, dass
der Arzt auch der Gesamtheit des Volkes dient und nicht nur dem individuellen
Patienten, der vor ihm sitzt.
Der Freiberufler ist in besonderem Maße reglementiert zur
Wahrung des Gemeinwohls und er wird überwacht durch die im staatlichen Auftrag
handelnde berufsständische Selbstverwaltung. Herr Präsident Hoppe hat meinen
Vortrag auf der Jubiläumsveranstaltung der Bundesärztekammer angesprochen; dort
habe ich sehr deutlich die Zwitterstellung der freiberuflichen Selbstverwaltung
der Ärztekammern zwischen Selbstverwaltung und staatlicher Überwachungsbehörde
geschildert.
Insgesamt sind – auf den ersten Blick paradoxerweise – die
freien Berufe besonders stark reglementiert. Das gilt auch bezogen auf die
Vertragsfreiheit, die das Verhältnis zum Patienten betrifft. Ärzte dürfen nicht
willkürlich die Behandlung ablehnen, Ärzte sind gezwungen, den Inhalt des
Vertrags angemessen zu gestalten, angemessen auch im Hinblick auf die
Honorarhöhe.
Letztlich sind die freien Berufe in ständiger Abgrenzung zum
Gewerbe und in Freiheit von der Staatsdienerstellung zu betrachten. Das sind,
wenn man so will, die beiden Extrempunkte, von denen sich die freien Berufe
abgrenzen, mit historischen Wurzeln bei den „artes liberales“. Bei den „artes
liberales“ scheint der Begriff des freien Berufs auf, auch bezogen auf die
Freiheit von der Staatsdienerstellung. Die andere Seite der Medaille ist das Gewerbe,
das völlig frei ist; so frei wollen und dürfen Sie nicht sein.
Ich komme zu den Funktionen einer Gebührenordnung. Die
Gebührenordnung soll den Verzicht auf einen – unter Umständen ruinösen –
Preiswettbewerb als Grundlage der Qualitätssicherung herbeiführen. Man soll als
Freiberufler eben nicht nur auf jeden Euro schauen, sondern das Primäre ist die
Qualität. Die Qualität soll nicht zugunsten eines ruinösen Preiswettbewerbs
geopfert werden.
Es soll eine Einflussnahme des Auftraggebers, also des Patienten,
auf die Höhe des Entgelts zur Wahrung der Eigenverantwortlichkeit und der
wirtschaftlichen Selbstständigkeit verhindert werden. Eine weitere Funktion
einer Gebührenordnung besteht im Schutz des Auftraggebers vor unangemessen
hohen Entgeltforderungen. Es soll also nicht nur der Arzt, der Auftragnehmer,
gesichert sein, sondern auch der Patient, der Auftraggeber, soll vor
unangemessen hohen Forderungen sicher sein, wobei er die Angemessenheit des
Entgelts im Allgemeinen ja gar nicht beurteilen kann. Denken Sie bitte an das,
was ich vorhin gesagt habe: Die Leistungen eines Freiberuflers sind von außen
im jeweiligen Einzelfall häufig nicht zu kontrollieren. Sie sind im Einzelfall
nicht zu bewerten. Deswegen diese Vorgabe der Gebührenordnung.
Ein Feilschen um das Entgelt würde das Vertrauensverhältnis
zum Auftraggeber massiv belasten, Erwerbsgesichtspunkte würden unter
Zurückdrängung des Altruismuspostulats in den Vordergrund gestellt. Dies würde
zu Gepflogenheiten wie im Gewerbe führen, wo man um das Entgelt feilscht.
Eine qualifizierte Ausbildung der Freiberufler sichert eine
relativ gleichmäßige Qualität der Leistung. Diese relativ gleichmäßige Qualität
der Leistung erfordert relativ gleiche Preise, und zwar gleiche Preise
unabhängig von der Nachfrage – es soll bei den Ärzten keine Saisonpreise und
keine Rabattaktionen geben – und unabhängig vom Ausmaß der Konkurrenz, also
keine höheren Preise „auf dem Land“. Die Preise sollen auch unabhängig vom
sozialen Status des Auftraggebers sein, es soll gerade keine Klassenmedizin
geben, bei der ein reicher Patient mehr bezahlt als der arme Patient. Es soll
gleiche Preise unabhängig vom Erfolg der Leistung geben. Wenn Ärzte nach Erfolg
bezahlt würden, wollte niemand nur „einfache Fälle“ übernehmen.
Gleiche Preise soll es auch unabhängig von der Angewiesenheit
des Auftraggebers geben. Es soll also keinen Lebensrettungsaufschlag geben. Es
soll nicht so sein, dass die Behandlung, wenn sie besonders notwendig ist, ein
wenig mehr kostet, als wenn man zuwarten kann.
Allerdings soll es beschränkte Möglichkeiten geben,
individuellen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Diese individuellen
Besonderheiten müssen natürlich begründet werden. Das wird dadurch
sichergestellt, dass es Gebührenrahmen und nicht punktgenau festgelegte Gebühren
gibt und indem es die beschränkte Möglichkeit gibt, von den Vorgaben der
Gebührenordnung im Einzelfall durch Vereinbarung mit dem Patienten abzuweichen.
Zusammengefasst kann man sagen, dass die Funktion einer
Gebührenordnung insbesondere darin besteht, den Leistungswettbewerb statt des
Preiswettbewerbs in den Vordergrund zu stellen und zu fördern. Anstelle des
Preiswettbewerbs soll es Transparenz für Auftraggeber und Auftragnehmer geben,
also entgegen der Formulierung des Tagesordnungspunkts, in dessen Rahmen wir
jetzt diskutieren, Transparenz nicht nur für Patienten, sondern Transparenz
auch für die Ärzte.
Es soll Rechtssicherheit für Auftraggeber und Auftragnehmer
herbeigeführt werden, also – ebenso in Abänderung des jetzigen
Tagesordnungspunkts – Rechtssicherheit nicht nur für Ärzte, sondern auch für
die Patienten. Ferner soll Gleichheit für Auftraggeber und Auftragnehmer
herbeigeführt werden, indem vonseiten des Arztes nicht willkürlich die Gebühren
mal so und mal anders festgesetzt werden. Es soll sowohl für Auftraggeber als
auch für Auftragnehmer angemessene Gebühren geben.
Insgesamt gesehen soll eine Gebührenordnung Gerechtigkeit für
Auftraggeber und Auftragnehmer herbeiführen und sie soll zum Rechtsfrieden für
Auftraggeber und Auftragnehmer führen.
Auf die Frage, ob staatliche Gebührenordnung und freier Beruf
ein Widerspruch in sich sind, ist ganz klar zu antworten: Nein! Die staatliche
Gebührenordnung verträgt sich durchaus mit einem freien Beruf, einem, wie ich
geschildert habe, durchaus staatlich gebundenen Beruf. Im Gegenteil: Die
Existenz einer Gebührenordnung wird vielfach als selbstständiges
Charakteristikum, als besonderes Charakteristikum eines freien Berufs
angesehen. Gerade viele Freiberufler haben eine staatliche Gebührenordnung.
Denken Sie an Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.
Staatliche Gebührenordnungen prägen das Berufsbild eines
freien Berufs und sie sichern das Berufsbild und damit die ordnungsgemäße
Erfüllung der dem Freiberufler im Allgemeininteresse übertragenen Aufgabe.
Voraussetzung ist, dass die Gebührenordnung für Auftraggeber
und Auftragnehmer transparent ist, dass sie zu Rechtssicherheit für
Auftraggeber und Auftragnehmer führt und dass sie zu angemessenen Entgelten für
Auftraggeber und Auftragnehmer führt.
Wenn das nicht der Fall ist, wenn beispielsweise „den
berechtigten Interessen der Ärzte und den zur Zahlung der Entgelte
Verpflichteten“ nicht Rechnung getragen wird – § 11 Satz 3 der
Bundesärzteordnung – und dabei der beschränkte Beurteilungsspielraum des
zuständigen Verordnungsgebers überschritten ist, verliert die Gebührenordnung
ihre verfassungsrechtliche Berechtigung, weil sie nicht mehr geeignet ist, die
verfolgten Ziele zu erreichen und weil sie keinen verhältnismäßigen
Grundrechtseingriff beinhaltet. Ich verweise auf das, was ich eingangs meines
Referats gesagt habe: Eine staatliche Gebührenordnung schränkt massiv die
Grundrechte der Ärzte und der Patienten ein. Diese Grundrechtseinschränkung
muss verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Sie ist es aufgrund der
Kriterien Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Diese
Kriterien erfüllt die Gebührenordnung nur, wenn sie die Ziele, die sie verfolgen
soll, auch tatsächlich verfolgt.
Wenn die Gebührenordnung ihre verfassungsrechtliche Berechtigung
verliert, kann nicht etwa Verfassungsbeschwerde erhoben werden, weil es sich
hier nicht um ein förmliches Gesetz handelt, sondern es kann bei jedem Verwaltungsgericht
die Feststellung der Nichtigkeit beantragt werden. Jedes Verwaltungsgericht
kann die Nichtigkeit der Gebührenordnung feststellen.
Ich will ganz deutlich sagen: Jeder, der eine solche Klage
erhebt, sollte sich allerdings der Konsequenzen bewusst sein. Zum einen gilt,
dass das Verwaltungsgericht die Nichtigkeit nur inter partes feststellt, also
zwischen dem bestimmten Kläger und dem bestimmten Beklagten. Die Wirkung geht
politisch gesehen natürlich darüber hinaus. Insofern ist diese Inter-partes-Wirkung
nur juristisch, nicht aber politisch.
Aus diesem Blickwinkel heraus sollte man sich sehr gut
überlegen, ob man als Arzt eine solche Feststellungsklage erhebt, denn man muss
die Konsequenz sehen: Wenn die Nichtigkeit durch das Verwaltungsgericht
festgestellt wird, ist die Gebührenordnung insgesamt nicht mehr existent. Nicht
nur die Fesseln, die man beseitigen wollte, sind weg, sondern auch die
Wohltaten, die die Gebührenordnung für die Ärzte teilweise beinhaltet. Auch der
Schutzwall einer Gebührenordnung gegen Absenkungsbestrebungen wäre hinfällig.
Im Übrigen kann in jedem Rechtsstreit, der über die
Angemessenheit einer Gebühr geführt wird, jedes Gericht die Gebührenordnung als
unwirksam betrachten.
Ich betone noch einmal: Es besteht keine Zuständigkeit des
Bundesverfassungsgerichts, weil es sich um eine so genannte untergesetzliche
Norm handelt.
Viel wichtiger im politischen Bereich ist es, dass, wenn die
Gebührenordnung ihre Funktion nicht mehr erfüllt, wenn sie eben nicht zu einem
angemessenen Interessenausgleich führt, eine Erosion des Berufsbildes
stattfindet, und zwar von innen und von außen. Die Ärzte sind unzufrieden, weil
die Gebühren zu niedrig sind, die Patienten sind unzufrieden, weil sie meinen,
die Gebühren sind zu hoch. Weil keine Sicherheit besteht, weil individuelle
Abweichungen erfolgen usw., kommt es zu einer Erosion des Berufsbildes. Ich
weise noch einmal darauf hin: Die Gebührenordnung soll das Berufsbild im
Gemeinwohlinteresse sichern. Sie soll die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der
jeweiligen Freiberufler ermöglichen und sichern.
Wenn die von mir genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind,
entfällt die Rechtfertigung für die besonderen Bindungen des staatlich
gebundenen Berufs und das vom Freiberufler zu wahrende Allgemeininteresse, das
Gemeinwohl, gerät in Gefahr. Nicht erst dann stellt sich die Frage, ob denn
nicht eine staatliche Gebührenordnung und der freie Beruf ein Widerspruch in
sich sind. Ich habe eben von der Funktion einer Gebührenordnung gesprochen,
habe mich aber noch nicht dazu geäußert, ob es gerade eine staatliche
Gebührenordnung sein soll. Verstößt die staatliche Gebührenordnung vielleicht
gegen die Grundprinzipien des freien Berufs, weil sie gegen den Gedanken der
freiberuflichen Selbstverwaltung verstößt, die ein wesentliches
Charakteristikum des freien Berufs ist?
Einerseits ist die Selbstverwaltung zur Regelung der eigenen
Angelegenheiten des Berufsstandes berufen, nicht aber zur Regelung der Belange
Außenstehender. Es soll also nur um das gehen, was den Berufsstand im Inneren angeht,
nicht aber dürfen die Belange von Außenstehenden geregelt werden. Genau das
aber tut eine Gebührenordnung, indem sie nämlich auch die Pflichten der
Patienten, also der Außenstehenden, regelt. Von daher widerspricht eine
staatliche Gebührenordnung dem Selbstverwaltungsgedanken nicht.
Der Staat dürfte aber durchaus der öffentlich-rechtlichen
Selbstverwaltung per Gesetz die Ermächtigung erteilen, Regelungen auch über den
Kreis der Mitglieder hinaus zu treffen. Das, was ich eben gesagt habe, nämlich
dass der Berufsstand in seiner Selbstverwaltung nur zur Regelung der eigenen Angelegenheiten
berufen ist, gilt nur, wenn der Gesetzgeber nicht hinreichend deutlich eine
abweichende, eine weitergehende Ermächtigung ausgesprochen hat.
Durch staatliche Genehmigungserfordernisse könnte durchaus
sichergestellt werden, dass die Interessen der Außenstehenden hinreichend
berücksichtigt werden.
Zudem ist der Staat über die Beihilfe faktisch Schuldner eines
nicht unerheblichen Teils ärztlicher Honorarforderungen. Das ist derselbe
Staat, der die Gebührenordnung erlässt.
Der Staat ist also nicht ein neutraler Vermittler zwischen den
– naheliegenderweise konfligierenden – Interessen der Ärzteschaft und den
Interessen der Zahlungspflichtigen.
Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht eine Gebührenordnung
durch die ärztliche Selbstverwaltung eine Alternative zur staatlichen
Gebührenordnung wäre. Hier gibt es eine Vielfalt von Problemen des europäischen
Kartellrechts, die ich hier nicht näher ausführen will, die in Italien bereits
zu großen Problemen mit dem Europäischen Gerichtshof geführt haben. Ich glaube,
viel wichtiger sind für uns die rechtspolitischen Probleme, die dadurch
entstünden, weil es zu einer einseitigen Preiskontrolle durch die Ärzteschaft
käme und weil keine systematische Berücksichtigung der Interessen der
unmittelbar Zahlungspflichtigen, also der Patienten, erfolgte. Auch die
systematische Berücksichtigung der Interessen der mittelbar Zahlungspflichtigen
– die private Krankenversicherung und die Beihilfestellen – wäre nicht gegeben.
Die Ärzteschaft käme letztlich in denselben politischen Disput wie bei den
Abgeordneten, nämlich dass die eigenen Einkünfte festgesetzt werden. Das wäre
politisch kaum zu vermitteln.
Deshalb sage ich ganz klar: Die Ärzteschaft sollte sich dieser
Aufgabe nicht widmen.
Es gibt das so genannte Vorschlagsmodell bzw. das
Interessenausgleichsmodell, das etwa im Jahre 2000 vom Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer
erarbeitet wurde. Dieses Vorschlagsmodell sollte aus meiner Sicht wiederbelebt
werden. Man sollte intensiv darum kämpfen, aber in modifizierter Form. Es
sollte nämlich eine Verhandlungspartnerschaft der Leistungserbringer, der
Patienten und der Kostenträger geben. Die wichtigsten Leistungserbringer sind
die Ärzte. Vielleicht könnte man auch die Krankenhäuser – über die Deutsche
Krankenhausgesellschaft – an der Ausarbeitung beteiligen. Ich meine, man sollte
auch die Patienten mit einbeziehen. Mittlerweile gibt es ja eine
Patientenbeauftragte. Sie sollte in diesem Gremium, das einen derartigen
Vorschlag erarbeiten soll, vertreten sein.
Der erzielte Konsens, der Vorschlag, sollte durch
Rechtsverordnung – wie die geltende Gebührenordnung – oder durch eine so
genannte Allgemeinverbindlicherklärung nach einer staatlichen
Rechtmäßigkeitsprüfung übernommen werden. Diese Rechtmäßigkeitsprüfung war in
dem damaligen Vorschlag nicht enthalten, jedenfalls nicht deutlich zum Ausdruck
kommend. Damals wurde dafür plädiert, dass das Ministerium an den
ausgearbeiteten Vorschlag gebunden sein soll. Das geht aus verfassungsrechtlichen
Gründen und insbesondere aus rechtspolitischen Gründen kaum. Deshalb muss hier
eine unabhängige Rechtmäßigkeitsprüfung vonseiten einer staatlichen Behörde
erfolgen.
Ganz wichtig ist: Es muss eine adäquate Konfliktlösung bei
Nichteinigung durch eine neutrale Schiedsstelle geben. Das ist ein wichtiges
und auch schwer zu lösendes Problem.
Welches sind die Alternativen zur Wiederbelebung dieses
Vorschlagsmodells? Da kommt in erster Linie die Resignation infrage. Ich meine,
Resignation ist eines freien Berufs unwürdig.
(Beifall)
Eine andere Alternative ist die Flucht in die
Honorarvereinbarung mit dem einzelnen Patienten, also ein Feilschen mit dem
einzelnen Patienten um das Honorar. Das ist sicherlich individuell und
berufspolitisch sehr problematisch. Dadurch würde der Wert der Gebührenordnung
mit ihren auch positiven Facetten längerfristig ausgehöhlt.
Schließlich bliebe der Versuch übrig, den Verordnungsgeber zu
überzeugen, politischen Druck zu machen. Das allerdings ist außerordentlich
mühsam.
Ich wünsche Ihnen allen und insbesondere Ihren Funktionären
dabei viel Erfolg!
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank,
Herr Professor Taupitz. Wir spenden gerne Beifall, auch für diese klare
Darstellung, nur nicht für den Begriff „Funktionär“. Wir fühlen uns nicht als
„Funktionäre“, sondern als Mandatsträger oder als Interessenvertreter. – Aber
das war jetzt ein Joke.
Als nächster Referent bitte Herr Möhrle.
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