TOP VII: Ärztliches Fehlermanagement/Patientensicherheit

3. Tag: Donnerstag, 5. Mai 2005 Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Schrappe, Referent:
Copyright el-zorro.de, 2005. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke sehr für die große Ehre, auf dem Deutschen Ärztetag ein so schwieriges und gleichzeitig so spannendes und für uns auch gutes Thema vorstellen zu können: Ärztliches Fehlermanagement und Patientensicherheit. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Worten über die postprandiale Müdigkeit hinweghelfen kann. Ferner hoffe ich, dass ich nicht zu viel von dem wiederhole, was Herr Dr. Jonitz bereits ausgeführt hat.

Ich werde versuchen, Ihnen das Thema aus drei Perspektiven nahe zu bringen: aus der Perspektive des Arztes, aus der Perspektive des Ärztlichen Direktors, der die Verantwortung für ein großes Klinikum mit 5 500 Mitarbeitern trägt, und auch aus der wissenschaftlichen Perspektive als Vorsitzender der Fachgesellschaft für Qualitätsmanagement, der GQMG.

Es ist außerordentlich schwer, über Fehler in der Öffentlichkeit zu sprechen. Wir haben in der letzten Zeit registrieren müssen: Es besteht die Tendenz zur Skandalisierung, sobald wir uns zu dieser Thematik äußern. Es geht plötzlich um große Zahlen, sozusagen um abstürzende Jumbojets. Das Wichtigste ist, dass wir der Faszination dieser Zahlen entkommen und uns der Sache zuwenden, die sehr wichtig ist, weil wir dem Gebot des „nil nocere“ unterworfen sind.

Zunächst einmal müssen wir die Begriffe klären. Es gibt unerwünschte Ereignisse, Fehler und Schäden. Sind Wundinfektionen Fehler? Nein, meine Damen und Herren, Wundinfektionen sind zunächst einmal ein unerwünschtes Ereignis, ein negatives Outcome. Ein unerwünschtes Ereignis wird erst dann zum Schaden, wenn ein Fehler hinzutritt. Wenn man die Zahlen, von denen die Öffentlichkeit so fasziniert ist, vor diesem Hintergrund diskutiert, wird vieles klar. Viele Zahlen beschreiben unerwünschte Ereignisse, also Komplikationen, werden aber als Zahlen über Fehler gehandelt und sind von daher schon grundsätzlich nicht richtig.

Beim Beispiel der Wundinfektion läge ein Schaden vor, eine Regelverletzung, wenn wir die perioperative Antibiotikaprophylaxe nicht durchführen oder zum falschen Zeitpunkt, wenn wir sie nicht wiederholen, wenn die Operation länger als zwei Stunden dauert. Dasselbe gilt für den Fall, dass wir die Händedesinfektion nicht durchführen; das ist ein altes Lieblingsthema von mir als Internist und Infektiologe.

Wenn die Begriffe geklärt sind, wird unser Fehlerverständnis wichtig, das Interpretationsmuster des Begriffs Fehler. Handelt es sich um einen Fehler, der von einem Schaden gefolgt ist, allein stehend, einzigartig, eine individuell zuzuordnende Katastrophe? Wir müssen zu einem Fehlerverständnis kommen, das uns Aktionsfreiheit bietet.

Der Volksmund sagt: Ein Unglück kommt selten allein. Oft spricht man auch von einer „Verkettung unglücklicher Umstände“. Sie kennen vielleicht das Modell nach Art des Schweizer Käses: der Fehler, der alle Barrieren passieren muss, wo sogar mehrere Fehler hintereinander passieren, woraus letztendlich der Schaden, die Katastrophe entsteht. Ich führe als Beispiel einen besonders schwerwiegenden Schaden an: die Seitenverwechslung bei Operationen. Auf dem Operationsplan ist die falsche Seite aufgeführt. Die Lagerung erfolgte auf der falschen Seite. Der Operateur kennt den Patienten nicht persönlich. Die Röntgenbilder sind nicht da. Dann kommt es zu dem Crash.

Wir kommen damit zu der ersten zentralen Frage: Was nützt es uns, sich mit Fehlererkennung, Fehlermanagement auseinander zu setzen? Es gibt Fehlerketten mit bis zu 20 Ereignissen, die aufeinander folgen. Wenn wir uns der Analyse zuwenden, stellt sich die Frage: Wie können wir davon profitieren? Eine Herangehensweise lautet: Wir müssen uns mit Fehlererkennung beschäftigen, weil niemand Zeit hat, alle Fehler selber zu machen. Mit anderen Worten: Wir müssen uns mit Fehlererkennung beschäftigen, indem wir Instrumente zu entwickeln versuchen, die Vorfehler, die Beinaheschäden identifizieren und auf diese Art und Weise den Crash vermeiden. Man nennt das – das ist ein Begriff, der heute sehr oft verwendet wird – ein Critical Incident Report System (CIRS). Es gibt – darauf hat Herr Jonitz bereits hingewiesen – heutzutage eine ganze Reihe solcher CIRS-Instrumente.

Bei der Entwicklung von CIRS gibt es allerdings einige Probleme zu beachten, einige Fragen zu klären. Ich glaube, es ist selbstverständlich, dass man ein CIRS anonym erarbeitet. Es gibt Kollegen, die sowohl Beinahe-Schäden oder Beinahe-Unfälle als auch Schäden mit einschließen wollen. Andere sagen – zu diesen möchte ich mich zählen –, dass man bei Beinahe-Schäden bleiben sollte.

Wenn man ein CIRS einführt, ist es wichtig, dass die Unternehmens-, die Krankenhaus-, die Praxisleitung dahintersteht und sich darauf verpflichtet, dass die Fehlererkennung vor der Sanktionierung kommt. Das nennt man einen non-punitiven Ansatz. Man darf nicht vergessen, dass ein CIRS nur eine der Möglichkeiten ist, zu Erkenntnissen über Fehler zu kommen. Man kann auch begleitende Untersuchungen durchführen oder Beobachtungen machen. Man kann Analysen durch trainierte Personen machen lassen. Es gibt beispielsweise Untersuchungen durch Ethnologen, die Behandlungsabläufe gut beobachten. Man kann klassische epidemiologische Untersuchungen, Aktenanalysen usw. durchführen.

Jedes CIRS ist Risikomanagement, aber Risikomanagement ist nicht allein durch ein CIRS beschrieben.

Ein sehr wichtiger Punkt ist die Befürchtung, dass man sich durch CIRS juristische Nachteile in zivil- oder strafrechtlicher Hinsicht einhandeln könnte. Es ist zunächst festzuhalten, dass die CIRS-Ergebnisse nicht Bestandteil der patientenbezogenen Dokumentation sind und insofern nicht primär in ein Verfahren Eingang finden. Wenn man die Ergebnisse aus dem CIRS bearbeitet und die entsprechenden Zustände abstellt, können sie auch nicht gegen einen verwendet werden. Allerdings besteht unter den Juristen, die uns zu diesem Thema sehr intensiv beraten, Einigkeit: Wenn man ein CIRS hat und einen Fehler erkennt, der vielleicht zu Schäden führt, und diesen Fehler bestehen lässt, hat man allerdings juristische Probleme zu gewärtigen. Wenn wir als Ärzte über einen fehlerhaften Prozessschritt Kenntnis erlangen und nichts dagegen tun, dann muss man sagen, dass das nicht verantwortungsvoll gehandelt ist.

Wenn man ein CIRS hat und es zu einem Schaden und es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommt, führt es zur Entlastung, wenn man darauf hinweisen kann, dass man sich schon lange um Fehlererkennung und Fehlerbeseitigung bemüht. Man kann nachweisen, dass man sich um die Beseitigung der Fehler bemüht hat.

Wenn wir Fehler erfassen, stellt sich die Frage: Was tun wir mit dieser Erkenntnis? Nur die Fehler zu erkennen und zu sammeln, also ein CIRS einzurichten, ist nicht einmal die halbe Miete. Wir müssen aus Fehlern lernen. Es gibt dazu saloppe Aussprüche wie: Jeder Fehler ist ein Schatz. Es ist viel leichter gesagt als getan, aus Fehlern Lernschritte abzuleiten.

Damit aus Fehlern gelernt werden kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Die Leitung eines Krankenhauses muss unhinterfragbar hinter der Problematik stehen. Es sollte ein Committment geben, dass man nicht im CIRS gemeldete Ereignisse zu Sanktionen nutzt.

Es lohnt sich, über vertrauensbildende Maßnahmen nachzudenken, beispielsweise einen Ombudsmann zu schaffen, der von der Krankenhausleitung Verschwiegenheit zugebilligt bekommt und der intern für Fragen im Zusammenhang mit der Thematik Fehler und Schäden in der Medizin zur Verfügung steht. Es kann eine Steuergruppe Risikomanagement eingerichtet werden. Man sollte nicht davor zurückschrecken, einen Versuch erst einmal im Kleinen zu starten. Allzu große, von oben angeordnete Systeme sind sicherlich fraglich.

Ferner müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir, wenn wir über Fehler Kenntnisse erlangen, diese rückkoppeln.

Ich kehre noch einmal zu dem non-punitiven Ansatz zurück. Wir haben in unserem Klinikumsvorstand im September vorigen Jahres folgenden Beschluss gefasst:

Der Vorstand verpflichtet sich auf eine non-punitive Vorgehensweise, indem er zur Verhinderung von Fehlern und Schäden und zur Ermöglichung der Analyse von stattgefundenen Schadensfällen die disziplinarische Ahndung zurückstellt, sofern der Fehler bzw. der Schaden im CIRS gemeldet ist.

Diese Botschaft an die Mitarbeiter ist eine Conditio sine qua non, um sinnvoll mit Fehlerfrüherkennungssystemen arbeiten zu können.

Wenn wir aus Fehlern lernen können, stellt sich die Frage: Wie können wir effektive Vermeidungsstrategien aufbauen? Sie alle kennen die Situation, dass Sie sich am Bankautomaten Bargeld holen möchten. Wenn hier keine Prophylaxe eingebaut wäre, würden ungefähr 2 bis 3 Prozent der Bankautomatenkunden ihre Karte im Automaten stecken lassen. Deshalb haben die Bankautomatenbetreiber einen einfachen Sicherheitsautomatismus eingebaut: Sie können das Geld erst entnehmen, wenn Sie die Karte aus dem Automaten entfernt haben. Das ist eine einfache Maßnahme im so genannten Mensch-Maschine-Interface. In den Krankenhäusern sind viele solcher Mensch-Maschine-Interfaces vorhanden, bei denen es sich lohnt, aktiv über Präventionsmaßnahmen nachzudenken. Warum soll es nicht einen Beeper geben, der bei einer Hypokaliämie den infrage kommenden Arzt sogleich alarmiert, sobald der Laborwert bekannt ist? Dieser Alarm könnte insbesondere dann erfolgen, wenn ein Medikament gegeben wird, das mit einer Hypokaliämie nicht vereinbar ist.

Es ist hervorragend untersucht. Ich zeige Ihnen hier eine historische Untersuchung (Arch. Intern. Med. 160, 2000, 2741), aus der Sie ersehen, wie oft die Höchstdosis vor Einführung des Computerwarnsystems überschritten wurde und wie nach Einführung dieses Warnsystems eine anhaltende Verminderung eintrat. Dies als Beispiel aus dem großen Gebiet der Medikationsfehler.

Nun ist der Zeitpunkt gekommen, sich die Frage zu stellen: Können wir uns mit den Zahlen anfreunden? Zahlen üben eine große Faszination aus. Sie stehen als Erstes in der Presse. Auf der anderen Seite können wir uns natürlich nicht professionell mit der Thematik auseinander setzen, wenn wir Zahlen, die einer wissenschaftlichen Herangehensweise entspringen, nicht zur Kenntnis nehmen. Am besten nähert man sich der Problematik aus der Perspektive dessen, was wir bereits kennen. Wir haben in Deutschland vor zehn Jahren damit begonnen, große Untersuchungen zur Häufigkeit nosokomialer Infektionen durchzuführen. Sie kennen die Publikation von Rüden hier aus Berlin: 3,6 Prozent der Patienten haben mindestens eine nosokomiale Infektion.

Es gibt große internationale Studien zu den Arzneimittelnebenwirkungen: 2 Prozent. In neuerer Zeit werden Studien angestellt zu den Nebenwirkungen von Medizinprodukten. Erste Studien sprechen von über 8 Prozent.

Wir haben entsprechende Zahlen über Dekubitus und Sturzereignisse, deren Ergebnisse alle nicht bei null liegen. Es gibt viele Studien zur Diskrepanz zwischen Autopsiebefund und letzter klinischer Diagnose. Auch hier liegen die Zahlen nicht besonders niedrig.

Die bekannten retrospektiven Studien von Harvard und Utah über die Häufigkeit von Adverse Events kommen auf 3 bis 4 Prozent. Andere Studien, die sich anderer Techniken bedienen, beispielsweise der teilnehmenden Beobachtung – eine Technik, die auch in der Luftfahrtindustrie eingesetzt worden ist –, liegen deutlich höher.

Wir müssen von den Adverse Events auf die Ereignisse folgern, die auf Fehler zurückgehen. Man ist sich in der internationalen Literatur über die Größenordnung klar: 30 bis 50 Prozent aller unerwünschten Ereignisse gehen auf Fehler zurück.

Das sind die Kerndaten. Wir kommen auf dieser Grundlage zu folgender Einschätzung, deren Abgesichertheit relativ hoch angesetzt werden kann. Von den deutschen Krankenhauspatienten werden 5 bis 10 Prozent unerwünschte Ereignisse haben, ohne dass gesagt werden kann, dass diesen Ereignissen Fehler zugrunde liegen. Die Schäden liegen in einer Größenordnung von 2 bis 4 Prozent. Fehlende Sorgfalt ist das am geringsten abgesicherte Datum. Internationale Daten gehen von ungefähr 1 Prozent aus. Alle Studien aus den letzten 15 Jahren gehen von konstant 0,1 Prozent Todesfällen aus.

Es gibt ein großes Problem, das uns in dieser Form in Deutschland bis jetzt nicht entgegentritt, weil wir keine deutschen Studien haben. Andere europäische Länder haben in dieser Situation folgende Diskussion geführt. Sie haben sich überlegt: Brauchen wir eine landesspezifische Studie? Man hat beispielsweise in Dänemark gesagt: Ja, wir brauchen eine solche Studie. Man hat diese Studie durchgeführt und ist zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Es wird der Diskussion der nächsten Monate zu überlassen sein, wie wir dieses für Deutschland entscheiden.

Wenn wir uns die Daten der Haftpflichtversicherung anschauen, beispielsweise bezüglich der von der Ecclesia-Gruppe betreuten Krankenhäuser, sehen wir hinsichtlich der Schadensfälle auf jeden Fall ein sicheres Ergebnis: Die Fallzahlen gehen nicht zurück. Gleiches wird auch von den Schlichtungsstellen berichtet.

Letztlich ist es nicht so entscheidend, ob es 0,1 Prozent, 0,11 Prozent oder 0,08 Prozent sind; letztlich ist entscheidend, dass wir in dieser Situation nicht in eine defensive Position geraten.

Ich möchte dies näher ausführen an einem Punkt, der meines Erachtens in Zukunft ganz sicher der zweite Hauptdiskussionspunkt sein wird, nämlich an der Frage der Versicherbarkeit. Wir haben in den letzten 20 Jahren in den USA mehrere aufeinanderfolgende Malpractice Crisis beobachtet: Versicherungskrisen mit schlechter Versicherbarkeit und überhöhten Prämien, die dazu führen – das können wir in Deutschland nicht wollen –, dass die Gefahr einer mangelnden Versorgung von Patienten wegen der schlechten Versicherbarkeit der Ärzte entsteht.

Es gibt einen Konflikt zwischen zwei Herangehensweisen zur Thematik Fehler und Schäden in der Medizin, der in der englischsprachigen Literatur als Blame Trap, als Haftungsfalle, bezeichnet wird. Zum einen gibt es die aus der haftungsrechtlichen Logik argumentierende Herangehensweise, nämlich dass der Anreiz, sich um die Patientensicherheit zu bemühen, umso größer ist, je höher die Prämien sind. Man sieht den Unterschied zu der von mir vertretenen Meinung, nämlich dem Präventionsansatz, dass gerade die Vorbeugung die Prämien niedrig hält und die Versicherbarkeit erhält. Mit diesem Thema werden wir es zukünftig mit Sicherheit vermehrt zu tun haben. Herr Jonitz hat sehr richtig schon auf die Bedeutung der juristischen Diskussion und dessen, was aus dem Bundesministerium der Justiz in die Diskussion eingebracht wird, hingewiesen.

In dieser Situation ist guter Rat teuer. Was müssen wir, was können wir tun? Wir brauchen – so heißt es häufig – „the magic bullet“. Ich möchte Ihnen hierzu einen Vorschlag machen. Es gibt zum einen die normale Versorgung (Care). Wir haben die Qualität unseres Tuns (Quality). Wir machen Fehler (Errors), glücklicherweise zumeist ohne dass daraus ein Schaden resultiert. Im Zentrum aller Diskussionen über Behandlung und Qualität haben wir das Problem der Patientensicherheit (Safety). Die Patientensicherheit ist das zentrale Thema bei allem, was wir im Zusammenhang mit der Qualität diskutieren. Insofern ist es nur zu verständlich und normal, dass wir zehn bis 15 Jahre, nachdem wir in Deutschland begonnen haben, uns mit der Qualität zu beschäftigen, in expliziter Form mit der Safety-Problematik konfrontiert sind. Es muss koordiniert werden, was an Bestrebungen, an Projekten, an Studien, an Versuchen, Fehlerprävention in Deutschland zu betreiben, vorhanden ist. Zum Glück gibt es im Ausland Beispiele, die wir inspizieren können. Vor einem Jahr wurde die Schweizer Stiftung für Patientensicherheit gegründet. Sehr interessant ist die Leapfrog-Initiative in den USA. 170 Unternehmen, die Versicherungen für ihre Mitarbeiter kaufen, haben sich vor ungefähr fünf Jahren zusammengeschlossen, um Projekte beispielsweise im Hinblick auf Patientenverwechslung oder zur Ausstattung von Intensivstationen zu starten.

In Großbritannien gibt es die National Agency for Patient Safety. Ferner gibt es die gute alte Joint Commission in den USA, auf deren Website interessante Statistiken zu finden sind, beispielsweise zur Thematik Seitenverwechslung (Wrong Site Surgery). Man sieht: Als Grund solcher Ereignisse steht wiederum an erster Stelle die mangelhafte Kommunikation.

Was können wir in Deutschland tun? Wir haben in den Vorbesprechungen zur Gründung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit vor allen Dingen darüber diskutiert, ob ein solches Aktionsbündnis überhaupt notwendig ist. Die Entscheidung zum Ja ist gefallen, weil die Aktualität des Themas wirklich nicht von der Hand zu weisen ist, vor allem aber deshalb, weil es eine Koordinierungsnotwendigkeit gibt und bisher keine Einrichtung existiert, in die alle mit ihren partiellen Sichtweisen Eingang finden können. Wir müssen ehrlicherweise anerkennen, dass hier genauso Patientenverbände gefragt und zur Mitarbeit gebeten werden müssen wie beispielsweise die Kostenträger oder die Versicherungen.

Die Partner des Aktionsbündnisses sind in erster Linie Einzelpersonen, die wegen langjähriger Beschäftigung mit der Thematik gesagt haben: Es muss etwas geschehen. Partner sind weiterhin Vertreter der Selbstverwaltung, Vertreter von Fachgesellschaften und Vertreter der Patientenverbände.

Ich freue mich sehr, heute nach Herrn Dr. Jonitz, dem Berliner Kammerpräsidenten, gesprochen zu haben, der mein Stellvertreter im Vorsitz bei diesem Aktionsbündnis ist. Herr Privatdozent Dr. Grandt aus Saarbrücken, der vor zwei Wochen den großen Arzneimittelsicherheitskongress in Saarbrücken durchgeführt hat, ist Geschäftsführer. Herr Professor Conen, der Präsident der Schweizer Stiftung für Patientensicherheit, arbeitet ebenfalls im Vorstand mit, wovon wir sehr profitieren. Im Vorstand sind auch Herr Dr. Lauterberg von der AOK und Frau Loskill von den Patientenverbänden sowie Herr Professor Rothmund von den Chirurgen.

Das Mission Statement, das Sie auf der Website ansehen können, umfasst folgende drei Punkte: erstens die kontinuierliche Verbesserung der Patientensicherheit, zweitens das Fehlerverständnis – Stichworte: individuelle Verantwortung, Fehlerkette, Kommunikation – Organisation – System –, drittens Masterplan mit Agenda Patientensicherheit 2005. Es soll in diesem Jahr eine zusammenfassende Darstellung der Istsituation in Deutschland erarbeitet werden. Es sollen in diesem Sommer Projekte zu drei klinischen Problemen gestartet werden: Seitenverwechslung, Medikationsfehler und Patientenverwechslung.

Es ist ja schön, dass manche von uns ihre Mitarbeiter zur Lufthansa schicken, um sie im Risikomanagement zu trainieren. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass wir von ärztlicher Seite her eigene Trainingseinrichtungen haben, um beispielsweise das Mensch-Maschine-Interface zu trainieren.

Wir wollen ein Konzept für CIRS entwickeln und natürlich zum Thema Curriculum weiterarbeiten.

Letztlich geht es darum, eine Netzstruktur aufzubauen, die im Sinne einer kleinen Geschäftsstelle eine Art zentralen Knoten aufweist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Vielen Dank, Herr Schrappe. Wir treten jetzt in die Diskussion ein. Wundern Sie sich bitte nicht, wenn im Zuge der Diskussion über diesen Bereich viele englische Begriffe auftauchen. Das sind Dinge, die aus den englischsprachigen Ländern nach Deutschland hinübergespült worden sind. Für manche englische Wendung gibt es nichts Entsprechendes im Deutschen. Auch ich musste mich daran gewöhnen. Ich nehme an, jede und jeder von uns hat verstanden, um was es geht.

Bereits jetzt ist die Rednerliste zu diesem Thema länger als jene bei der Gebührenordnung. Es liegen auch einige Anträge vor. Der erste Redner ist Herr Dr. Crusius.

 

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