Prof. Dr. Schrappe, Referent:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr
geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke sehr für die große Ehre,
auf dem Deutschen Ärztetag ein so schwieriges und gleichzeitig so
spannendes und für uns auch gutes Thema vorstellen zu können: Ärztliches
Fehlermanagement und Patientensicherheit. Ich hoffe, dass ich Ihnen
mit meinen Worten über die postprandiale Müdigkeit hinweghelfen
kann. Ferner hoffe ich, dass ich nicht zu viel von dem wiederhole,
was Herr Dr. Jonitz bereits ausgeführt hat.
Ich werde versuchen, Ihnen das Thema aus drei Perspektiven
nahe zu bringen: aus der Perspektive des Arztes, aus der Perspektive des
Ärztlichen Direktors, der die Verantwortung für ein großes Klinikum mit
5 500 Mitarbeitern trägt, und auch aus der wissenschaftlichen Perspektive
als Vorsitzender der Fachgesellschaft für Qualitätsmanagement, der GQMG.
Es ist außerordentlich schwer, über Fehler in der
Öffentlichkeit zu sprechen. Wir haben in der letzten Zeit registrieren müssen:
Es besteht die Tendenz zur Skandalisierung, sobald wir uns zu dieser Thematik
äußern. Es geht plötzlich um große Zahlen, sozusagen um abstürzende Jumbojets.
Das Wichtigste ist, dass wir der Faszination dieser Zahlen entkommen und uns
der Sache zuwenden, die sehr wichtig ist, weil wir dem Gebot des „nil nocere“
unterworfen sind.
Zunächst einmal müssen wir die Begriffe klären. Es gibt
unerwünschte Ereignisse, Fehler und Schäden. Sind Wundinfektionen Fehler? Nein,
meine Damen und Herren, Wundinfektionen sind zunächst einmal ein unerwünschtes
Ereignis, ein negatives Outcome. Ein unerwünschtes Ereignis wird erst dann zum
Schaden, wenn ein Fehler hinzutritt. Wenn man die Zahlen, von denen die Öffentlichkeit
so fasziniert ist, vor diesem Hintergrund diskutiert, wird vieles klar. Viele
Zahlen beschreiben unerwünschte Ereignisse, also Komplikationen, werden aber
als Zahlen über Fehler gehandelt und sind von daher schon grundsätzlich nicht
richtig.
Beim Beispiel der Wundinfektion läge ein Schaden vor, eine
Regelverletzung, wenn wir die perioperative Antibiotikaprophylaxe nicht
durchführen oder zum falschen Zeitpunkt, wenn wir sie nicht wiederholen, wenn
die Operation länger als zwei Stunden dauert. Dasselbe gilt für den Fall, dass
wir die Händedesinfektion nicht durchführen; das ist ein altes Lieblingsthema
von mir als Internist und Infektiologe.
Wenn die Begriffe geklärt sind, wird unser Fehlerverständnis
wichtig, das Interpretationsmuster des Begriffs Fehler. Handelt es sich um
einen Fehler, der von einem Schaden gefolgt ist, allein stehend, einzigartig,
eine individuell zuzuordnende Katastrophe? Wir müssen zu einem
Fehlerverständnis kommen, das uns Aktionsfreiheit bietet.
Der Volksmund sagt: Ein Unglück kommt selten allein. Oft
spricht man auch von einer „Verkettung unglücklicher Umstände“. Sie kennen
vielleicht das Modell nach Art des Schweizer Käses: der Fehler, der alle
Barrieren passieren muss, wo sogar mehrere Fehler hintereinander passieren,
woraus letztendlich der Schaden, die Katastrophe entsteht. Ich führe als
Beispiel einen besonders schwerwiegenden Schaden an: die Seitenverwechslung bei
Operationen. Auf dem Operationsplan ist die falsche Seite aufgeführt. Die
Lagerung erfolgte auf der falschen Seite. Der Operateur kennt den Patienten
nicht persönlich. Die Röntgenbilder sind nicht da. Dann kommt es zu dem Crash.
Wir kommen damit zu der ersten zentralen Frage: Was nützt es
uns, sich mit Fehlererkennung, Fehlermanagement auseinander zu setzen? Es gibt
Fehlerketten mit bis zu 20 Ereignissen, die aufeinander folgen. Wenn wir uns
der Analyse zuwenden, stellt sich die Frage: Wie können wir davon profitieren?
Eine Herangehensweise lautet: Wir müssen uns mit Fehlererkennung beschäftigen,
weil niemand Zeit hat, alle Fehler selber zu machen. Mit anderen Worten: Wir
müssen uns mit Fehlererkennung beschäftigen, indem wir Instrumente zu entwickeln
versuchen, die Vorfehler, die Beinaheschäden identifizieren und auf diese Art
und Weise den Crash vermeiden. Man nennt das – das ist ein Begriff, der heute
sehr oft verwendet wird – ein Critical Incident Report System (CIRS). Es gibt –
darauf hat Herr Jonitz bereits hingewiesen – heutzutage eine ganze Reihe
solcher CIRS-Instrumente.
Bei der Entwicklung von CIRS gibt es allerdings einige
Probleme zu beachten, einige Fragen zu klären. Ich glaube, es ist
selbstverständlich, dass man ein CIRS anonym erarbeitet. Es gibt Kollegen, die
sowohl Beinahe-Schäden oder Beinahe-Unfälle als auch Schäden mit einschließen
wollen. Andere sagen – zu diesen möchte ich mich zählen –, dass man bei
Beinahe-Schäden bleiben sollte.
Wenn man ein CIRS einführt, ist es wichtig, dass die
Unternehmens-, die Krankenhaus-, die Praxisleitung dahintersteht und sich
darauf verpflichtet, dass die Fehlererkennung vor der Sanktionierung kommt. Das
nennt man einen non-punitiven Ansatz. Man darf nicht vergessen, dass ein CIRS
nur eine der Möglichkeiten ist, zu Erkenntnissen über Fehler zu kommen. Man
kann auch begleitende Untersuchungen durchführen oder Beobachtungen machen. Man
kann Analysen durch trainierte Personen machen lassen. Es gibt beispielsweise Untersuchungen
durch Ethnologen, die Behandlungsabläufe gut beobachten. Man kann klassische
epidemiologische Untersuchungen, Aktenanalysen usw. durchführen.
Jedes CIRS ist Risikomanagement, aber Risikomanagement ist
nicht allein durch ein CIRS beschrieben.
Ein sehr wichtiger Punkt ist die Befürchtung, dass man sich
durch CIRS juristische Nachteile in zivil- oder strafrechtlicher Hinsicht
einhandeln könnte. Es ist zunächst festzuhalten, dass die CIRS-Ergebnisse nicht
Bestandteil der patientenbezogenen Dokumentation sind und insofern nicht primär
in ein Verfahren Eingang finden. Wenn man die Ergebnisse aus dem CIRS
bearbeitet und die entsprechenden Zustände abstellt, können sie auch nicht
gegen einen verwendet werden. Allerdings besteht unter den Juristen, die uns zu
diesem Thema sehr intensiv beraten, Einigkeit: Wenn man ein CIRS hat und einen
Fehler erkennt, der vielleicht zu Schäden führt, und diesen Fehler bestehen
lässt, hat man allerdings juristische Probleme zu gewärtigen. Wenn wir als
Ärzte über einen fehlerhaften Prozessschritt Kenntnis erlangen und nichts
dagegen tun, dann muss man sagen, dass das nicht verantwortungsvoll gehandelt
ist.
Wenn man ein CIRS hat und es zu einem Schaden und es zu einer
juristischen Auseinandersetzung kommt, führt es zur Entlastung, wenn man darauf
hinweisen kann, dass man sich schon lange um Fehlererkennung und Fehlerbeseitigung
bemüht. Man kann nachweisen, dass man sich um die Beseitigung der Fehler bemüht
hat.
Wenn wir Fehler erfassen, stellt sich die Frage: Was tun wir
mit dieser Erkenntnis? Nur die Fehler zu erkennen und zu sammeln, also ein CIRS
einzurichten, ist nicht einmal die halbe Miete. Wir müssen aus Fehlern lernen.
Es gibt dazu saloppe Aussprüche wie: Jeder Fehler ist ein Schatz. Es ist viel
leichter gesagt als getan, aus Fehlern Lernschritte abzuleiten.
Damit aus Fehlern gelernt werden kann, müssen einige
Voraussetzungen erfüllt sein. Die Leitung eines Krankenhauses muss
unhinterfragbar hinter der Problematik stehen. Es sollte ein Committment geben,
dass man nicht im CIRS gemeldete Ereignisse zu Sanktionen nutzt.
Es lohnt sich, über vertrauensbildende Maßnahmen nachzudenken,
beispielsweise einen Ombudsmann zu schaffen, der von der Krankenhausleitung Verschwiegenheit
zugebilligt bekommt und der intern für Fragen im Zusammenhang mit der Thematik
Fehler und Schäden in der Medizin zur Verfügung steht. Es kann eine
Steuergruppe Risikomanagement eingerichtet werden. Man sollte nicht davor
zurückschrecken, einen Versuch erst einmal im Kleinen zu starten. Allzu große,
von oben angeordnete Systeme sind sicherlich fraglich.
Ferner müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir, wenn
wir über Fehler Kenntnisse erlangen, diese rückkoppeln.
Ich kehre noch einmal zu dem non-punitiven Ansatz zurück. Wir
haben in unserem Klinikumsvorstand im September vorigen Jahres folgenden
Beschluss gefasst:
Der Vorstand verpflichtet sich auf eine non-punitive Vorgehensweise,
indem er zur Verhinderung von Fehlern und Schäden und zur Ermöglichung der
Analyse von stattgefundenen Schadensfällen die disziplinarische Ahndung zurückstellt,
sofern der Fehler bzw. der Schaden im CIRS gemeldet ist.
Diese Botschaft an die Mitarbeiter ist eine Conditio sine qua
non, um sinnvoll mit Fehlerfrüherkennungssystemen arbeiten zu können.
Wenn wir aus Fehlern lernen können, stellt sich die Frage: Wie
können wir effektive Vermeidungsstrategien aufbauen? Sie alle kennen die
Situation, dass Sie sich am Bankautomaten Bargeld holen möchten. Wenn hier
keine Prophylaxe eingebaut wäre, würden ungefähr 2 bis 3 Prozent der
Bankautomatenkunden ihre Karte im Automaten stecken lassen. Deshalb haben die
Bankautomatenbetreiber einen einfachen Sicherheitsautomatismus eingebaut: Sie
können das Geld erst entnehmen, wenn Sie die Karte aus dem Automaten entfernt haben.
Das ist eine einfache Maßnahme im so genannten Mensch-Maschine-Interface. In
den Krankenhäusern sind viele solcher Mensch-Maschine-Interfaces vorhanden, bei
denen es sich lohnt, aktiv über Präventionsmaßnahmen nachzudenken. Warum soll
es nicht einen Beeper geben, der bei einer Hypokaliämie den infrage kommenden
Arzt sogleich alarmiert, sobald der Laborwert bekannt ist? Dieser Alarm könnte
insbesondere dann erfolgen, wenn ein Medikament gegeben wird, das mit einer Hypokaliämie
nicht vereinbar ist.
Es ist hervorragend untersucht. Ich zeige Ihnen hier eine
historische Untersuchung (Arch. Intern. Med. 160, 2000, 2741), aus der Sie
ersehen, wie oft die Höchstdosis vor Einführung des Computerwarnsystems
überschritten wurde und wie nach Einführung dieses Warnsystems eine anhaltende
Verminderung eintrat. Dies als Beispiel aus dem großen Gebiet der
Medikationsfehler.
Nun ist der Zeitpunkt gekommen, sich die Frage zu stellen:
Können wir uns mit den Zahlen anfreunden? Zahlen üben eine große Faszination
aus. Sie stehen als Erstes in der Presse. Auf der anderen Seite können wir uns
natürlich nicht professionell mit der Thematik auseinander setzen, wenn wir
Zahlen, die einer wissenschaftlichen Herangehensweise entspringen, nicht zur
Kenntnis nehmen. Am besten nähert man sich der Problematik aus der Perspektive
dessen, was wir bereits kennen. Wir haben in Deutschland vor zehn Jahren damit
begonnen, große Untersuchungen zur Häufigkeit nosokomialer Infektionen
durchzuführen. Sie kennen die Publikation von Rüden hier aus Berlin: 3,6
Prozent der Patienten haben mindestens eine nosokomiale Infektion.
Es gibt große internationale Studien zu den
Arzneimittelnebenwirkungen: 2 Prozent. In neuerer Zeit werden Studien
angestellt zu den Nebenwirkungen von Medizinprodukten. Erste Studien sprechen
von über 8 Prozent.
Wir haben entsprechende Zahlen über Dekubitus und Sturzereignisse,
deren Ergebnisse alle nicht bei null liegen. Es gibt viele Studien zur
Diskrepanz zwischen Autopsiebefund und letzter klinischer Diagnose. Auch hier
liegen die Zahlen nicht besonders niedrig.
Die bekannten retrospektiven Studien von Harvard und Utah über
die Häufigkeit von Adverse Events kommen auf 3 bis 4 Prozent. Andere Studien,
die sich anderer Techniken bedienen, beispielsweise der teilnehmenden
Beobachtung – eine Technik, die auch in der Luftfahrtindustrie eingesetzt
worden ist –, liegen deutlich höher.
Wir müssen von den Adverse Events auf die Ereignisse folgern,
die auf Fehler zurückgehen. Man ist sich in der internationalen Literatur über
die Größenordnung klar: 30 bis 50 Prozent aller unerwünschten Ereignisse gehen
auf Fehler zurück.
Das sind die Kerndaten. Wir kommen auf dieser Grundlage zu
folgender Einschätzung, deren Abgesichertheit relativ hoch angesetzt werden
kann. Von den deutschen Krankenhauspatienten werden 5 bis 10 Prozent
unerwünschte Ereignisse haben, ohne dass gesagt werden kann, dass diesen
Ereignissen Fehler zugrunde liegen. Die Schäden liegen in einer Größenordnung
von 2 bis 4 Prozent. Fehlende Sorgfalt ist das am geringsten abgesicherte
Datum. Internationale Daten gehen von ungefähr 1 Prozent aus. Alle Studien aus
den letzten 15 Jahren gehen von konstant 0,1 Prozent Todesfällen aus.
Es gibt ein großes Problem, das uns in dieser Form in
Deutschland bis jetzt nicht entgegentritt, weil wir keine deutschen Studien
haben. Andere europäische Länder haben in dieser Situation folgende Diskussion
geführt. Sie haben sich überlegt: Brauchen wir eine landesspezifische Studie?
Man hat beispielsweise in Dänemark gesagt: Ja, wir brauchen eine solche Studie.
Man hat diese Studie durchgeführt und ist zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Es
wird der Diskussion der nächsten Monate zu überlassen sein, wie wir dieses für
Deutschland entscheiden.
Wenn wir uns die Daten der Haftpflichtversicherung anschauen,
beispielsweise bezüglich der von der Ecclesia-Gruppe betreuten Krankenhäuser,
sehen wir hinsichtlich der Schadensfälle auf jeden Fall ein sicheres Ergebnis:
Die Fallzahlen gehen nicht zurück. Gleiches wird auch von den
Schlichtungsstellen berichtet.
Letztlich ist es nicht so entscheidend, ob es 0,1 Prozent,
0,11 Prozent oder 0,08 Prozent sind; letztlich ist entscheidend, dass wir
in dieser Situation nicht in eine defensive Position geraten.
Ich möchte dies näher ausführen an einem Punkt, der meines
Erachtens in Zukunft ganz sicher der zweite Hauptdiskussionspunkt sein wird,
nämlich an der Frage der Versicherbarkeit. Wir haben in den letzten 20 Jahren
in den USA mehrere aufeinanderfolgende Malpractice Crisis beobachtet:
Versicherungskrisen mit schlechter Versicherbarkeit und überhöhten Prämien, die
dazu führen – das können wir in Deutschland nicht wollen –, dass die Gefahr
einer mangelnden Versorgung von Patienten wegen der schlechten Versicherbarkeit
der Ärzte entsteht.
Es gibt einen Konflikt zwischen zwei Herangehensweisen zur
Thematik Fehler und Schäden in der Medizin, der in der englischsprachigen
Literatur als Blame Trap, als Haftungsfalle, bezeichnet wird. Zum einen gibt es
die aus der haftungsrechtlichen Logik argumentierende Herangehensweise, nämlich
dass der Anreiz, sich um die Patientensicherheit zu bemühen, umso größer ist,
je höher die Prämien sind. Man sieht den Unterschied zu der von mir vertretenen
Meinung, nämlich dem Präventionsansatz, dass gerade die Vorbeugung die Prämien
niedrig hält und die Versicherbarkeit erhält. Mit diesem Thema werden wir es
zukünftig mit Sicherheit vermehrt zu tun haben. Herr Jonitz hat sehr richtig
schon auf die Bedeutung der juristischen Diskussion und dessen, was aus dem
Bundesministerium der Justiz in die Diskussion eingebracht wird, hingewiesen.
In dieser Situation ist guter Rat teuer. Was müssen wir, was können
wir tun? Wir brauchen – so heißt es häufig – „the magic bullet“. Ich möchte
Ihnen hierzu einen Vorschlag machen. Es gibt zum einen die normale Versorgung (Care).
Wir haben die Qualität unseres Tuns (Quality). Wir machen Fehler (Errors),
glücklicherweise zumeist ohne dass daraus ein Schaden resultiert. Im Zentrum
aller Diskussionen über Behandlung und Qualität haben wir das Problem der
Patientensicherheit (Safety). Die Patientensicherheit ist das zentrale Thema
bei allem, was wir im Zusammenhang mit der Qualität diskutieren. Insofern ist
es nur zu verständlich und normal, dass wir zehn bis 15 Jahre, nachdem wir in
Deutschland begonnen haben, uns mit der Qualität zu beschäftigen, in expliziter
Form mit der Safety-Problematik konfrontiert sind. Es muss koordiniert werden,
was an Bestrebungen, an Projekten, an Studien, an Versuchen, Fehlerprävention
in Deutschland zu betreiben, vorhanden ist. Zum Glück gibt es im Ausland
Beispiele, die wir inspizieren können. Vor einem Jahr wurde die Schweizer Stiftung
für Patientensicherheit gegründet. Sehr interessant ist die Leapfrog-Initiative
in den USA. 170 Unternehmen, die Versicherungen für ihre Mitarbeiter kaufen,
haben sich vor ungefähr fünf Jahren zusammengeschlossen, um Projekte
beispielsweise im Hinblick auf Patientenverwechslung oder zur Ausstattung von
Intensivstationen zu starten.
In Großbritannien gibt es die National Agency for Patient Safety.
Ferner gibt es die gute alte Joint Commission in den USA, auf deren Website
interessante Statistiken zu finden sind, beispielsweise zur Thematik
Seitenverwechslung (Wrong Site Surgery). Man sieht: Als Grund solcher
Ereignisse steht wiederum an erster Stelle die mangelhafte Kommunikation.
Was können wir in Deutschland tun? Wir haben in den
Vorbesprechungen zur Gründung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit vor
allen Dingen darüber diskutiert, ob ein solches Aktionsbündnis überhaupt
notwendig ist. Die Entscheidung zum Ja ist gefallen, weil die Aktualität des
Themas wirklich nicht von der Hand zu weisen ist, vor allem aber deshalb, weil
es eine Koordinierungsnotwendigkeit gibt und bisher keine Einrichtung
existiert, in die alle mit ihren partiellen Sichtweisen Eingang finden können.
Wir müssen ehrlicherweise anerkennen, dass hier genauso Patientenverbände
gefragt und zur Mitarbeit gebeten werden müssen wie beispielsweise die
Kostenträger oder die Versicherungen.
Die Partner des Aktionsbündnisses sind in erster Linie
Einzelpersonen, die wegen langjähriger Beschäftigung mit der Thematik gesagt
haben: Es muss etwas geschehen. Partner sind weiterhin Vertreter der
Selbstverwaltung, Vertreter von Fachgesellschaften und Vertreter der
Patientenverbände.
Ich freue mich sehr, heute nach Herrn Dr. Jonitz, dem Berliner
Kammerpräsidenten, gesprochen zu haben, der mein Stellvertreter im Vorsitz bei
diesem Aktionsbündnis ist. Herr Privatdozent Dr. Grandt aus Saarbrücken, der
vor zwei Wochen den großen Arzneimittelsicherheitskongress in Saarbrücken
durchgeführt hat, ist Geschäftsführer. Herr Professor Conen, der Präsident der
Schweizer Stiftung für Patientensicherheit, arbeitet ebenfalls im Vorstand mit,
wovon wir sehr profitieren. Im Vorstand sind auch Herr Dr. Lauterberg von der
AOK und Frau Loskill von den Patientenverbänden sowie Herr Professor Rothmund
von den Chirurgen.
Das Mission Statement, das Sie auf der Website ansehen können,
umfasst folgende drei Punkte: erstens die kontinuierliche Verbesserung der
Patientensicherheit, zweitens das Fehlerverständnis – Stichworte: individuelle
Verantwortung, Fehlerkette, Kommunikation – Organisation – System –, drittens
Masterplan mit Agenda Patientensicherheit 2005. Es soll in diesem Jahr eine
zusammenfassende Darstellung der Istsituation in Deutschland erarbeitet werden.
Es sollen in diesem Sommer Projekte zu drei klinischen Problemen gestartet werden:
Seitenverwechslung, Medikationsfehler und Patientenverwechslung.
Es ist ja schön, dass manche von uns ihre Mitarbeiter zur
Lufthansa schicken, um sie im Risikomanagement zu trainieren. Es ist allerdings
darauf hinzuweisen, dass wir von ärztlicher Seite her eigene
Trainingseinrichtungen haben, um beispielsweise das Mensch-Maschine-Interface
zu trainieren.
Wir wollen ein Konzept für CIRS entwickeln und natürlich zum
Thema Curriculum weiterarbeiten.
Letztlich geht es darum, eine Netzstruktur aufzubauen, die im
Sinne einer kleinen Geschäftsstelle eine Art zentralen Knoten aufweist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank,
Herr Schrappe. Wir treten jetzt in die Diskussion ein. Wundern Sie sich bitte
nicht, wenn im Zuge der Diskussion über diesen Bereich viele englische Begriffe
auftauchen. Das sind Dinge, die aus den englischsprachigen Ländern nach
Deutschland hinübergespült worden sind. Für manche englische Wendung gibt es
nichts Entsprechendes im Deutschen. Auch ich musste mich daran gewöhnen. Ich
nehme an, jede und jeder von uns hat verstanden, um was es geht.
Bereits jetzt ist die Rednerliste zu diesem Thema länger als
jene bei der Gebührenordnung. Es liegen auch einige Anträge vor. Der erste
Redner ist Herr Dr. Crusius.
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