Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Damit ist dieser Komplex zunächst einmal abgehandelt. Wir
müssen uns nunmehr Gedanken darüber machen, ob wir für den Antrag VIII-22
(neu) eine zweite Lesung durchführen. Dieser Antrag beschäftigt sich auch
mit der Privatisierung, wenn auch in einer leicht anderen Form. Für eine zweite
Lesung ist ein Drittel der Voten, die insgesamt abgegeben werden, erforderlich.
Das müssen wir also auszählen. Ich frage also: Wer ist für eine zweite Lesung?
Bitte zählen. – Das reicht. 76 sind dafür. Das ist sicher ein Drittel derer,
die im Saal sind. Ich glaube, wir brauchen die anderen Stimmen nicht zu zählen.
Die zweite Lesung ist beschlossen.
Der Text dieses Antrags lautet:
Der 108. Deutsche Ärztetag fordert die Gebietskörperschaften
als Träger des Versorgungsauftrages einer stationären Versorgung auf, ihren
Auftrag zur Daseinsvorsorge dadurch wahrzunehmen, dass sie je nach Rechts-, Betriebsform
als Gesellschafter oder Betreiber und Eigentümer ihrer Krankenhäuser in dieser
Eigenschaft verbleiben und private Anbieter allenfalls als Minderheitsbeteiligungen
zulassen.
Das ist schon ein bisschen etwas anderes als das, was wir eben
beschlossen haben.
Ich möchte zunächst einmal Herrn Emminger fragen, ob er sich
noch einmal zu diesem Antrag äußern möchte. Er hat ja eben gesagt, das sei
ungefähr dasselbe. – Wohl nicht. Dann hat sich Frau Haus gemeldet. Bitte.
Haus, Nordrhein: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich habe beim vorhergehenden Antrag nicht schnell
genug reagiert. Ich bin ein bisschen erschrocken: In welchem Land wollen Sie
eigentlich in Zukunft leben? Wir sehen natürlich manche Entwicklungen mit
Sorge, wir müssen sie auch begleiten. Aber was Sie hier machen, ist eine
sozialistische Festlegung von Entwicklungen, die mich wirklich wundert.
Empfinden Sie sich noch als Freiberufler? Ich habe den Eindruck, dass Ihnen die
Rechte, die wir sonst überall einfordern, in diesen Bereichen irgendwie
abhanden kommen. Das macht mir schon große Sorge.
Ich bitte Sie, das alles nicht nur durch Ihre Brille zu sehen,
sondern zu schauen, welchen Staat Sie schaffen, wenn Sie lauter solche
Beschlüsse fassen.
Danke.
(Widerspruch)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Von der
Formulierung her ist der Antrag nicht ganz korrekt. Die Länder sind dafür
verantwortlich und die Länder sind keine Gebietskörperschaften. Nur in zwei
Bundesländern sind die Landkreise mit dem Versorgungsauftrag versehen. Insofern
ist der Antrag von der Formulierung her ein bisschen bayerisch, um es so
auszudrücken.
(Heiterkeit)
– Ich sage das nur, weil das in Bayern so gilt. In Bayern sind
Gebietskörperschaften auf kommunaler Ebene vorhanden. Das ist kein Vorurteil;
wir lieben Bayern heiß und innig.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat jetzt Herr Schimanke aus
Mecklenburg-Vorpommern.
Dr. Schimanke, Mecklenburg-Vorpommern: Herr
Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mich stört an diesem Antrag
vor allem die Formulierung. Der Präsident hat schon selber darauf hingewiesen:
Hier werden Begriffe verwendet, die nicht kompatibel sind. Die Aussagen sind
auch nicht eindeutig. Der Antrag ist auf keinen Fall vergleichbar mit dem
Antrag, den wir bereits beschlossen haben. Ich erneuere also den Antrag auf
Vorstandsüberweisung.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. Herr Emminger hat das Recht, das Wort zu ergreifen. Dann ist die Wortergreifungsberechtigung
für alle erloschen.
(Heiterkeit)
Dr. Emminger, Bayern: Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Frau Haus, Herr Hoppe hat vorhin an anderer Stelle gesagt, dass
wir uns darum kümmern müssen, dass sich die öffentliche Hand nicht immer aus den
Grundlagen der Daseinsvorsorge verabschiedet. Sie tut das, um Kosten auf die
Patienten und auf uns abzuwälzen. Es gilt, dem auf verschiedenen Wegen
vorzubeugen.
Frau Haus, Sie haben von „sozialistischem Gedankengut“
gesprochen. Frau Haus, das ist ein bisschen trivial. Gott sei Dank gibt es
einige Körperschaften und Kommunen, auch in Bayern, die als Träger in anderer
Rechtsform ihre Krankenhäuser ganz gut betreiben. Das ist eine gute Sache. Ich
gebe zu: Das mag bei Ihnen in Nordrhein-Westfalen anders sein als in Bayern.
Vorhin in der Pause kam der Vorschlag auf Ergänzung:
Gebietskörperschaften, zum Beispiel Länder, Landkreise, Kommunen. Diese
Ergänzung kann man vornehmen, damit der Inhalt klar wird.
Die Tendenz besteht in dem, was Herr Hoppe vorhin gesagt hat:
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der Staat immer mehr aus der
Grundversorgung verabschiedet und immer mehr Kosten auf die Patienten und auf
uns abwälzt. In diesem Sinne bitte ich darum, diesem Antrag zuzustimmen.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke. Wenn,
dann müsste man sagen: fordert die Länder als Träger des Versorgungsauftrages
auf. Im Grundgesetz steht, dass die Länder für die Versorgung zuständig sind.
Wenn wir „Länder“ und nicht „Gebietskörperschaften“ schreiben, ist eine Teilmenge
der Probleme bereits gelöst. Dann hieße der Text:
Der 108. Deutsche Ärztetag fordert die Länder als Träger
des Versorgungsauftrages einer stationären Versorgung auf, ihren Auftrag zur
Daseinsvorsorge dadurch wahrzunehmen, dass sie je nach Rechts-, Betriebsform
als Gesellschafter oder Betreiber und Eigentümer ihrer Krankenhäuser in dieser
Eigenschaft verbleiben und private Anbieter allenfalls als
Minderheitsbeteiligungen zulassen.
Dann sind wir nicht angreifbar, was die Formulierung angeht.
Wer möchte bei dieser Situation den Antrag an den Vorstand überweisen? – Wer
ist dagegen? – Das Erste war die Mehrheit. Enthaltungen? – Dann ist der Antrag
beim Vorstand geblieben, was ja nicht heißt, dass wir nicht in
Kombination der beiden Anträge eine geeignete Politik betreiben können.
|