ENTSCHLIESSUNGSANTRAG VIII – 01
ÄNDERUNGSANTRAG ZUM ENTSCHLIESSUNGSANTRAG VIII – 01a
Auf Antrag des Vorstandes der Bundesärztekammer
(Drucksache VIII-01) unter Berücksichtigung des Antrages von Dr. Munte und Dr.
Thomas (Drucksache VIII-01a) fasst der 108. Deutsche Ärztetag folgende
Entschließung:
Anfang 2006 soll nach dem
Willen des Gesetzgebers eine elektronische Gesundheitskarte eingeführt werden.
Voraussetzung für die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte ist die
umfassende elektronische Vernetzung aller Sektoren des Gesundheitswesens
(Telematik-Infrastruktur). Mit der eGK sollen Anwendungen wie elektronische
Verordnung (e-Rezept), elektronischer Notfallausweis, elektronischer Arztbrief,
elektronische Werkzeuge zur Verbesserung der Sicherheit der
Arzneimitteltherapie und eine elektronische Patientenakte eingeführt werden.
Mit der eGK ist auch die Einführung von elektronischen Arztausweisen und
elektronischen Ausweisen für andere Heil- und Gesundheitsberufe verbunden.
Der 108. Deutsche
Ärztetag ist sich bewusst, dass mit der Einführung der eGK und der mit ihr
verbundenen sicheren Telematik-Infrastruktur für das Gesundheitswesen eine
Plattform für Integration und Kooperation geschaffen wird, die für alle
beteiligten Professionen und Institutionen sowie die Patienten große Chancen
eröffnet.
Chancen der Telematik
Verfügbarkeit relevanter
Behandlungsdaten
Telematik bietet Ärzten die
Möglichkeit, im Behandlungsfall die oft zeitraubende Beschaffung von
Vorbefunden zu vereinfachen und zu beschleunigen. In einer durch Mobilität
geprägten Gesellschaft eröffnet sich Ärzten die Möglichkeit, auf die im
Gesundheitswesen an verschiedenen Stellen bereits vorhandenen Daten eines Patienten
zuzugreifen. So können sie sich in kürzerer Zeit ein umfassendes Bild von
bereits durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen machen, den
Krankheitsverlauf besser beurteilen und gezielter weiterbehandeln.
Erhöhung der
Arzneimittelsicherheit
Bei der Arzneimitteltherapie
ergeben sich durch eine sinnvoll gestaltete und umfassende Dokumentation der
von verschiedenen Ärzten verordneten und der im Zuge der Selbstmedikation vom
Patienten selbst eingenommenen Arzneimittel neue Möglichkeiten, potentielle
Wechselwirkungen auszuschließen, notwendige Dosisanpassungen zu erkennen und
damit unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeiden.
Verbesserung der
Notfallversorgung
In medizinischen Notfällen
bietet die eGK die Möglichkeit, sich im Anschluss an die Erstversorgung bereits
sehr früh ein besseres Bild vom Gesundheitszustand des Patienten und
möglicherweise bestehender besonderer Risiken zu machen, und wer im weiteren
Behandlungsverlauf Ansprechpartner für das Einholen weiterer Informationen sein
kann.
Stärkung der
innerärztlichen Zusammenarbeit und Kooperation
Durch die Einführung des
elektronischen Arztausweises und eines sicheren Kommunikationsnetzes im
Gesundheitswesen bietet sich für Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, Befunde
und Arztbriefe elektronisch sicher verschlüsselt via E-Mail auszutauschen. Durch
Vereinheitlichung der technischen Infrastruktur ergeben sich neue Chancen für
die Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten und alle Formen der
sektorübergreifenden Kooperation, da neue Partner schneller in bestehende
Netzwerke einbezogen werden können.
Entlastung von
administrativen Aufgaben
Die Telematik schafft
schließlich auch die Grundlage, Ärzte von administrativen Aufgaben zu
entlasten, die durch Mehrfachdokumentationen entstehen. Zukünftig bietet sich
z. B. die Möglichkeit, Daten für die eigene Dokumentation, für ein
Krebsregister, zum Zweck der Qualitätssicherung und für eine klinische Studie
nur einmal zu erfassen und dann für verschiedene Zwecke zu nutzen.
Unabdingbare
Voraussetzungen für das Gelingen der Telematik
Bei allen Chancen ist sich
der 108. Deutsche Ärztetag jedoch der notwendigen Voraussetzungen für eine
erfolgreiche Einführung und Nutzung der Telematik bewusst. Kommunikation ist
Bestandteil jeder ärztlichen Tätigkeit. Die Einführung neuer Informations- und
Kommunikationstechnologien wird umfassende Auswirkungen auf alle Bereiche
ärztlichen Handelns und auf die Beziehungen zwischen Patienten und Ärzten
haben. Die Ärzteschaft in Deutschland wird kritischer Begleiter dieser Entwicklung
sein und wird sie aktiv mitgestalten. Für die Einführung der eGK und der
Telematik-Infrastruktur erhebt der 108. Deutsche Ärztetag die folgenden
Forderungen:
Gesicherte
Rahmenbedingungen für ärztliches Handeln schaffen
Für die Ärzte ist ein
rechtlich, organisatorisch und technologisch vertrauenswürdiger Rahmen zur
Nutzung von Telematik zu schaffen. Es sind ausreichend lange
Übergangsregelungen einzuräumen. Ärzte, die Telematik einsetzen, müssen sicher
gehen können, dass sie bei korrekter Anwendung nicht Gefahr laufen, gegen die
ärztliche Schweigepflicht und sonstige Vorschriften zur vertraulichen
Behandlung von Patientendaten zu verstoßen. Im Rahmen der Einführung der
Telematik ist auch der Datenschutz der Ärzte umfassend zu berücksichtigen und
wirksam abzusichern.
Vertrauen der Patienten in
die Telematik ermöglichen
Dem Anspruch von Patienten
und Versicherten, sich vertrauensvoll dem Arzt offenbaren zu können, muss auch
unter den zukünftigen Bedingungen der Telematik uneingeschränkt Rechnung
getragen werden. Der Patient muss jederzeit in der Lage sein, sich einen
Überblick zu verschaffen und zu entscheiden, welche Daten welchen dritten
Personen zugänglich sind oder zugänglich sein sollen. Der Patient muss seinen
gesetzlich zugesicherten Löschanspruch technisch wirksam durchsetzen können.
Bei der Speicherung von Patientendaten auf Servern außerhalb von Praxen und
Kliniken müssen die Daten immer mit den exklusiven (sog. öffentlichen)
Schlüsseln des einzelnen Patienten kryptographisch verschlüsselt abgelegt
werden. Der Einsatz und die Nutzung von Telematik im Gesundheitswesen ist am
individuellen Bedarf des Patienten nach Versorgung und nicht am Wunsch nach
uneingeschränkter Ökonomisierung der Versorgung auszurichten. Für Patienten,
die der eGK zunächst ablehnend gegenüberstehen, muss eine Regelung geschaffen
werden.
Technische Systeme sind
sicher und handhabbar zu gestalten
Die Telematik muss so
gestaltet werden, dass sie für Patienten und Ärzte durchschaubar und leicht
verständlich zu handhaben ist, den Schutz sensibler Daten aktiv unterstützt und
in keinem Fall die Patientensicherheit gefährdet. Alle technischen Komponenten
und organisatorischen Regelungen sind nach jeweils aktuell gültigen
internationalen Sicherheitsstandards so auszulegen, dass die unberechtigte Einsichtnahme,
die Verfälschung oder die Zerstörung von Daten (durch Sabotage, Viren etc.)
wirksam verhindert wird. Es muss sichergestellt sein, dass Patienten mit einem
Arzt ihres Vertrauens die Wiederherstellung ihrer Behandlungsdaten auch nach
Defekt oder Verlust der eGK zuverlässig erreichen können.
Die Aufwände der Ärzte und
Leistungsträger sind angemessen zu vergüten
Die erheblichen finanziellen
und organisatorischen Aufwendungen der Ärzte und Leistungsträger für die
Einführung von Telematik, die in erster Linie zu Qualitätssteigerungen für den
Patienten und Kosteneinsparungen für die Krankenversicherungen führen, sind
entsprechend der starken Asymmetrie von Nutzen und Kosten den Ärzten und
Versorgungsbereichen angemessen und umfassend zu vergüten. Es ist der Nachweis
zu erbringen, dass der Nutzen der Einführung der Telematik langfristig die
Kosten übersteigt und erzielte Einsparungen der Patientenversorgung zugute
kommen.
Die Einführung der
Telematik muss wissenschaftlich begleitet werden
Die Einführung der Telematik
muss – ausgehend von einer Erhebung des heutigen Status quo – langfristig und
umfassend mit den Methoden ärztlicher Versorgungsforschung wissenschaftlich
begleitet, im Hinblick auf den erwarteten Nutzen kontinuierlich evaluiert und
erforderlichenfalls auf Grundlage der Forschungsergebnisse angepasst werden.
Der unrealistische und
kontraproduktive Zeitplan muss angepasst werden
Die von Teilen der Politik
und Industrie propagierte unrealistische Zeitplanung muss angepasst werden. Die
Schaffung einer sicheren und vertrauenswürdigen Telematik erfordert angemessene
Test-, Lern- und Einführungsphasen. Die aus dem unangemessenen Zeitdruck
resultierenden Schuldzuweisungen erschweren eine konstruktive und
vertrauensvolle Zusammenarbeit der Projektbeteiligten und führen so zu einer
Verschwendung wertvoller Ressourcen auf allen Seiten.
Der 108. Deutsche
Ärztetag begrüßt die Möglichkeiten, die die Einführung einer sicheren und
einheitlichen elektronischen Kommunikationsinfrastruktur für das deutsche
Gesundheitswesen bietet. Er vertritt die Auffassung, dass sich langfristig aus
der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in Verbindung mit
sinnvoll konzipierten Anwendungen Wege zu einer verbesserten Versorgung der
Patienten ergeben werden, wenn die von der Ärzteschaft erhobenen Forderungen
erfüllt werden und spricht sich daher für den Beginn der schrittweisen
Einführung der Telematik im Gesundheitswesen aus.
Dabei ist insbesondere darauf
zu achten, dass die aus der Einführung resultierende technische, organisatorische
und finanzielle Belastung der Ärzte möglichst gering gehalten wird, ohne jedoch
die Qualität zu mindern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist insbesondere darauf
zu dringen, dass bereits bestehende und erfolgreich im Einsatz befindliche
Online-Kommunikationswege, wie z. B. das KV-Safenet, in die zukünftige
Telematik-Infrastruktur geeignet integriert werden.
Mit der Herausgabe des elektronischen
Arztausweises übernehmen die Ärztekammern dabei Verantwortung für
die Bereitstellung eines wichtigen Schlüsselelements der zukünftigen
Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen.
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