BESCHLUSSANTRAG VIII – 61
Der Antrag von Dr. Schwarzkopf-Steinhauser, Frau
Dr. Schulenberg und Herr Veelken (Drucksache VIII-61) wird zur weiteren
Beratung an den Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen:
Mit der Veröffentlichung im
Deutschen Ärzteblatt am 13.03.1998 wurden so genannte Individuelle
Gesundheitsleistungen (IGeL), ärztliche Tätigkeiten, die privat liquidiert und
außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden sollen,
der Ärzteschaft und der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Liste enthält drei
unterschiedliche Leistungsbereiche:
1.
Leistungen, die eigentlich in
den GKV-Katalog gehören wie Glaukom-Früherkennung mittels Perimetrie,
Ophtalmoskopie oder Tonometrie, umweltmedizinische Beratung,
2.
Leistungen, die seit jeher
außerhalb des GKV-Katalogs waren wie Beschneidung ohne medizinische Indikation,
Kunst- oder Körpertherapien, kosmetische Eingriffe,
3.
Leistungen, deren Anwendung
problematisch weil potentiell gefährlich ist, wie Injektion eines nicht
verordnungsfähigen Arzneimittels auf Wunsch des Patienten, wie z. B.
Vitamin- und Aufbaupräparate, knorpelschützende Substanzen,
alle Maßnahmen aus dem Bereich der Paramedizin.
Mittlerweile haben sich sog.
Verkaufskongresse etabliert, gibt es spezielle Zeitschriften für IGeL
Interessenten, wird die Laienwerbung ausgebaut, werden für die Wartezimmer
Videoprogramme zu Anpreisung der IGeL Leistungen von interessierten Firmen
angeboten. Arzthelferínnen sprechen gezielt Patientinnen und Patienten an. Nur
in Ausnahmefällen geht die Anforderung von IGeL Leistungen auf den Wunsch der
PatientInnen zurück. Besonders erfolgreich sind dabei Gynäkologen, HNO Ärzte
und Orthopäden. Auswüchse in der Onkologie mit pseudowissenschaftlichen Methoden
unter Ausnutzung der Verzweiflung der Kranken oder in der kosmetischen
Chirurgie etwa bei Jugendlichen sind nur die Spitze des Eisberges.
Dabei ist das
Charakteristische der IGeL Leistungen die Intransparenz ihrer Qualität und die
Kosten. Sie bewegen sich hinsichtlich der Qualitätssicherheit in einer
Grauzone. Weder die Ärzteschaft noch die Politik, noch die Kostenträger haben
ein Interesse an Transparenz und Qualitätssicherung. Die Ärztinnnen und Ärzte
hoffen auf ungestörte "unbürokratische" Zusatzeinkommen. Die Politik
lässt sie gewähren und schafft sich so Ruhe an einer besonders heiklen Front,
und die GKV hofft, indirekt entlastet zu werden. Es ist ein gefährlicher
blinder Fleck in der Versorgungslandschaft entstanden. Niemand kann sagen, wie
hoch die Komplikationsrate bei IGeL Leistungen ist.
Der 108. Deutsche Ärztetag
fordert deshalb:
1.
Die Aufnahme der unter Punkt
1 charakterisierten Leistungen in den GKV-Katalog.
2.
Die Ärzteschaft, konkret die
Landesärztekammern und die Kassenärztlichen Vereinigungen als
Zwangskörperschaften öffentlichen Rechts haben einen Katalog zu erstellen, der
alle Leistungen außerhalb des GKV Katalogs auflistet, die sinnvoll sind und
gängigen Qualitätsstandards entsprechen und die deshalb als IGeL Leistungen
erbracht werden dürfen, so fern regelmäßige Qualitätskontrollen wie bei GKV
Leistungen nachgewiesen werden.
3.
Es ist eine Liste der
Leistungen zu erstellen, die nicht erbracht werden dürfen, weil sie entweder
ohne erkennbaren Nutzen sind, keine medizinischen Leistungen darstellen oder
/und mit einem nicht zu vertretenden Risiko verbunden sind.
4.
Die beiden Listen
sind sowohl der Ärzteschaft als auch der Öffentlichkeit zur Verfügung
zu stellen.
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