TOP I: Patientenversorgung in Deutschland - Rahmenbedingungen ärztlicher Berufsausübung

1. Tag: Dienstag, 23. Mai 2006 Nachmittagssitzung

Dr. Lipp, Sachsen: Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für das intellektuelle Vergnügen, Ihre Rede heute Vormittag gehört zu haben. Sie stellte hohe Anforderungen an Intellekt und Humor. Wenn Sie damit Frau Ministerin Schmidt angesprochen haben wollten, müsste man sagen: Perlen vor die Säue geworfen.

Als niedergelassener Hausarzt und Mitglied des Hartmannbundes möchte ich mich mit der 30-Prozent-Forderung des Marburger Bundes solidarisch erklären. Wir haben dafür großes Verständnis, auch aus eigener Erfahrung. Auch bei uns werden je nach Fachgruppe und Land bis zu 30 Prozent der erbrachten ambulanten Leistungen nicht finanziert. Wir Niedergelassenen fordern für uns eine Anhebung des Punktwerts um ebenfalls etwa 30 Prozent.

Wir müssten hier auf dem Ärztetag beschließen, dass im ambulanten und im stationären Bereich keine zusätzlichen ärztlichen Leistungen mehr im EBM-Katalog angeboten werden, wenn Krankenkassen oder Politik nicht dafür sorgen, dass die entsprechenden Gelder zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall)

Jetzt ein paar Worte zur Impertinenz der Frau Ministerin am heutigen Vormittag. Frau Ministerin Schmidt hat davon gesprochen, dass die KBV den Punktwert gefordert habe. Gleichzeitig hat sie aber unterschlagen, dass damals im Bewertungsausschuss festgelegt wurde, dass der Punkt 5,11 Cent wert sein soll. Er sollte eben nicht floaten.

Des Weiteren hat sie erzählt, dass sie es unerträglich findet, dass im ambulanten Bereich 2 Milliarden Euro mehr für Medikamente als für das ärztliche Honorar ausgegeben werden. Gleichzeitig unterschlägt sie aber, dass wir im ambulanten Sektor eine 30-prozentige Honorarunterdeckung haben. Würden diese Beträge ausgezahlt, wären die Ausgaben für Medikamente nicht höher als diejenigen für das ärztliche Honorar.

Wer solch wichtige Dinge entweder unterschlägt oder nicht weiß, zeigt damit, dass er es entweder nicht kapiert hat oder lügt. In beiden Fällen ist eine solche Person aus meiner Sicht für ein derartiges Amt nicht tragbar.

(Beifall)

Diese Situation schreit quasi nach einer intellektuellen Qualitätssicherung.

Aber inzwischen habe ich Verständnis für Frau Schmidt. Herr Präsident, ich darf Folgendes zitieren:

Die Forscher von der Emory University in Atlanta konfrontierten Politiker mit Aussagen ihrer Präsidentschaftskandidaten, die dem jeweiligen Parteiprogramm völlig entgegenstanden. Während die Parteisoldaten darüber nachdenken, wie man sich am besten aus der Affäre ziehen könnte, wurde die Aktivität ihrer Gehirne untersucht. Im dorsolateralen präfrontalen Kortex, der bei Vernunfturteilen involviert ist, tat sich bei den Politikern nichts. Dafür gab es pralle Aktivitäten in mit Emotionen assoziierten Gehirnarealen wie dem orbitalfrontalen Kortex.

Das Resümee lautet: Die Überzeugungen solcher Parteistrategen sind verkalkt, sie können kaum etwas von solchen Fakten lernen.

Was sagt uns das? Die gute Frau will nicht, die gute Frau kann nicht. Das entschuldigt manches und macht den Spruch wahr, den ich schon zitierte: Die Winzigkeit eines Bürokratenhirns steht seiner Schädlichkeit nicht im Wege.

(Beifall - Widerspruch)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Dazu kann man ganz vieles sagen. Ich meine, wir sollten die Aussage hinsichtlich der Perlen und der Säue als Sprichwort benutzen und meinen, dass es sich hierbei um vergebene Liebesmüh handelt. Sie haben wohl zum Ausdruck bringen wollen, dass es sich hier um vergebene Liebesmüh handelt. Ich sage das nur, damit keine Verwechslungen passieren und es heißt, dass wir Vergleiche aus der Zoologie gewählt haben. Ich glaube ganz sicher, dass das nicht gemeint war.

(Beifall)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Bodendieck. Bitte schön.

© 2006, Bundesärztekammer.