TOP I: Patientenversorgung in Deutschland - Rahmenbedingungen ärztlicher Berufsausübung

1. Tag: Dienstag, 23. Mai 2006 Nachmittagssitzung

Haus, Nordrhein: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vorhin gewettet, wie lange die Rede von heute Morgen hier lobend erwähnt werden wird, ob es bis zu meiner Wortmeldung reicht. Das ist nun der Fall. Wir haben uns sehr, sehr gefreut, Herr Professor Hoppe, dass Sie so offen und, wie ich finde, sehr einleuchtend und mit sehr klaren Beispielen die wesentlichen Probleme erläutert und auch Vorschläge zur Lösung gemacht haben. Wir haben uns von Ihnen voll verstanden gefühlt. Wir hoffen, wir werden auch von anderen verstanden.

Noch einmal Ihnen und auch Herrn Dr. Friebel ganz herzlichen Dank.

Jetzt zur Sache. Eben war die Rede von der doppelten Facharztschiene. Die jungen Kolleginnen und Kollegen haben in der Person von Herrn Thiel zum Ausdruck gebracht, dass es unattraktiv geworden ist, in Krankenhäusern zu arbeiten, und dass auch die Niederlassung unattraktiver geworden ist.

Ich denke, wir ziehen absolut an demselben Strang, wenn wir sagen: Die Situation ist sowohl in der Klinik als auch in der niedergelassenen Praxis absolut unattraktiv geworden. Sie können heutzutage eine Familie weder als Assistenzarzt noch als Oberarzt, schon gar nicht aber als niedergelassener Facharzt bestimmter Fachgruppen ernähren. Das schaffen Sie nicht, wenn Sie keine Privatpatienten haben. In sozialen Brennpunkten geht das gar nicht.

Wir sitzen so am Rande des Untergangs, dass es gar keine andere Möglichkeit gibt, als gemeinsam zu protestieren, Gespräche zu führen. Der Protest ist im Moment das Einzige, was uns in die Medien bringt.

Sowohl die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen als auch die angestellten Ärztinnen und Ärzte - der Hartmannbund vertritt ja beide Gruppen - gehen auf die Straße. Das ist beispielsweise in Köln bereits im November und auch wieder vor ein paar Tagen mit, wie ich finde, großem Erfolg geschehen. Wir haben in Köln immerhin 6 000 Ärztinnen und Ärzte auf die Straße gebracht. Ich weiß nicht, warum uns die Medien so wenig beachten.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Antrag hinweisen, der noch nicht umgedruckt ist. Er spricht sich dafür aus, dass die wohnortnahe flächendeckende fachärztliche Versorgung erhalten bleiben muss. Es ist absoluter Unsinn, wenn behauptet wird, die doppelte Facharztschiene koste mehr Geld. Die Fachärzte, die die Patienten jetzt in ihren Praxen behandeln, müssten sie zukünftig in den Kliniken behandeln. Wieso sollte das billiger sein, im Angestelltenverhältnis die gleichen Leistungen wie ein niedergelassener Kollege zu erbringen, der zusammen mit anderen kostengünstig arbeitet und sich eine Selbstausbeutung gefallen lässt, die kaum noch Grenzen hat?

Neulich wurde auf einem Seminar deutlich, dass in den Niederlanden das System keineswegs billiger ist. Diese Mär müssen wir uns also nicht aufdrängen lassen.

Wir sollten dazu stehen, dass unsere Patienten sicherlich eine Qualität vorfinden, die in dieser Form in ganz Europa nicht zu finden ist.

Wenn Frau Schmidt von Versorgungsgerechtigkeit spricht und fragt, warum ein Privatversicherter für dieselbe Leistung mehr bezahlen soll als ein gesetzlich Versicherter bzw. warum gesetzlich Krankenversicherte anders behandelt werden sollen als Privatversicherte, dann kann ich nur sagen - das haben Sie in Ihrer Rede, Herr Professor Hoppe, auch erwähnt -, dass die Ministerin genau weiß, dass die Verknappung der fachärztlichen Leistungen zur privaten Inanspruchnahme durch diejenigen, die es sich leisten können, führt.

Das heißt auf Deutsch: Wenn sich Frau Schmidt mit ihren Vorstellungen durchsetzt, ist der Facharzt in Zukunft im Wesentlichen nur noch für die Besserverdienenden da. Das sollte Frau Schmidt einmal laut artikulieren.

Ich bitte Sie also, meinen Antrag zu unterstützen.

Wir meinen, dass die Klinikstrukturen bei uns flacher gehalten werden sollten. Von den Kolleginnen und Kollegen, die beabsichtigen, ins Ausland zu gehen, hören wir oft: Es geht nicht nur um die Bezahlung, sondern es geht auch um die anderen Strukturen, die uns reizen, im Ausland tätig zu sein.

Ich denke, wir sollten gemeinsam versuchen, hieran zu arbeiten. Wir haben einen entsprechenden Antrag formuliert.

Unser dritter Antrag deckt sich mit dem Antrag I-3. Es geht um das Vertragsarztrechts-Änderungsgesetz, wonach das Sozialrecht letztlich über unserer Berufsordnung angesiedelt werden soll. Das dürfen wir nicht zulassen. Ich wäre damit einverstanden, das mit in den entsprechenden Antrag aufzunehmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Frau Haus.

© 2006, Bundesärztekammer.