Dr. Dehnst, Westfalen-Lippe: Verehrter Herr
Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in einer
paradoxen Situation: Auf der einen Seite stehen die Leistungsträger in einer
Wachstumsbranche mit ständigem Leistungszuwachs und ständig steigenden
Anforderungen; auf der anderen Seite sehen wir uns der Situation gegenüber,
dass immer geringere Erlöse zu erzielen sind, die uns an das Ende der Existenz
führen und die letztendlich eine korrekte Patientenversorgung gefährden. Von
ganzheitlicher Medizin hört man heute eigentlich niemanden mehr reden, auch in
der Politik nicht. Wir hören nur noch Vokabeln wie Wettbewerb, Ökonomie und
Effizienz.
Die Politik hat in der Ärzteschaft bislang zum Glück nicht die
Rationierer gesucht, die sie benötigt, um das Missverhältnis zwischen Bedarf
und Ressourcen letztendlich aufzuteilen. Aber es stehen andere bereit, die dort
einspringen möchten. Wir sehen uns konfrontiert mit einer zunehmenden
Zentralisierung, mit einer Privatisierung und Kettenbildung, und zwar nicht nur
im stationären Sektor, sondern dies zeichnet sich auch in der ambulanten
Versorgung ab. Wir sehen bereits, dass die eine Kette die andere schluckt.
Diese Entwicklung wird vom Großkapital beobachtet. Ich sehe
eine Entwicklung, dass dieses Gesundheitswesen, dass dieser Wachstumsmarkt für
die
Übernahme durch das Großkapital vorbereitet wird. Hier bestehen Gewinnerwartungen
von - das wissen wir - 20 Prozent. Ich sage Ihnen voraus: Wenn diese
Entwicklung so weitergeht, werden wir auch künftig bei uns diese Heuschreckendiskussion
führen müssen.
Wer glaubt denn noch, dass wir bei diesem Gewinnstreben noch
regelrecht Sachwalter der Patienteninteressen sein können? Wer glaubt denn
noch, dass dies keinen Einfluss auf die Patientenversorgung hat? Wir müssen
unbedingt darauf achten, dass wir unseren freien Beruf und die freie
Berufsausübung durchsetzen. Ich sehe uns bei der derzeit bestehenden
Solidarisierungswelle auf einem guten Weg. Wir müssen da unbedingt
zusammenhalten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Dehnst. Das ist wirklich ein ganz zentrales Thema. Diese
Privatisierungen mit Shareholdern, die schnell ein- und aussteigen und Geld
mitnehmen, sind eine Entwicklung, die nur dadurch zu erklären ist, dass sich -
ich darf es wiederholen - der Staat aus der Daseinsvorsorge zurückzieht und das
Ganze dem freien Wettbewerb überantwortet. Das ist eine gefährliche
Entwicklung. Vielen Dank noch einmal, dass Sie das so bekräftigt haben.
Der nächste Redner ist Herr Pickerodt aus Berlin. Bitte schön.
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