Dr. Pickerodt, Berlin: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und liebe Kollegen! Wegen der begrenzten Redezeit muss ich mein Lob
für das Referat von Herrn Professor Hoppe etwas verkürzen. Ich habe es mir
angewöhnt, Ihre Eröffnungsrede, Herr Präsident, aufzuheben, weil sie immer
Absätze enthält, die man zitieren kann. Ihre heutigen Ausführungen zu dem
permanenten Geschrei der Arbeitgeber und zur Lohnnebenkostenlüge lassen sich in
Diskussionen, in denen nicht immer Ihr Standpunkt der führende ist, trefflich
verwenden. In "Figaros Hochzeit" heißt es: Er ist der Vater, er sagt es ja
selbst. Also: Wenn schon Hoppe es sagt, dann muss es ja stimmen.
Ich möchte etwas zur Situation der Klinikärzte sagen und die
Forderungen der Streikenden unterstützen. Selbstverständlich unterstützen wir
die berechtigten Forderungen nach einer Vergütung von Überstunden. Mir
persönlich wäre es lieber, wir würden die Überstunden nicht vergüten, sondern durch
Freizeit ausgleichen, damit diese ewig langen Wochenarbeitszeiten endlich ein
Ende finden.
Herr Hoppe hat in seinem Referat etwas differenziert gesagt -
das steht nicht im gedruckten Text -: Es geht eigentlich mehr um die
Überstunden als um 30 Prozent mehr Geld. Er ist nicht direkt
zurückgerudert, aber er hat es doch etwas relativiert.
Bei den Forderungen vermisse ich ganz häufig, dass man sich
nicht primär auf das Arbeitszeitgesetz beruft. Die 24-Stunden-Dienste werden
nicht von allen abgelehnt, sondern es gibt sehr wohl auch bei den Streikenden
Kolleginnen und Kollegen, die bereit wären, auch in Zukunft 24-Stunden-Dienste
zu absolvieren, obwohl mittlerweile wissenschaftlich klar belegt ist - so
nachzulesen im "New England Journal of Medicine" -, dass die Fehlerrate nach
einem 24-Stunden-Dienst um ein Drittel höher ist als nach einem
8-Stunden-Dienst.
Wichtig sind meiner Meinung
nach auch - aber darüber wird nicht gesprochen - die Personalstrukturen im
Krankenhaus. Frau Haus hat eben schon darauf hingewiesen: Die spitze
Hierarchieform von Chefarzt, Oberarzt, Assistenzarzt, Facharzt usw. hat
auch ihre Bedeutung für das Thema, um das es hier geht. Die neuen Verträge von
Chefärzten mit Budgethoheit müssen dazu führen, dass die Chefärzte ein
Interesse daran haben, dass Überstunden nicht dokumentiert und nicht vergütet
werden, weil anderenfalls das Budget ihrer Abteilung belastet würde. Ich
glaube, erstmals wurde auf dem Deutschen Ärztetag 1974 die Abschaffung des
Chefarztsystems gefordert. Das steht nach wie vor auf der Tagesordnung. Auch
dieser Ärztetag sollte dieses Thema ernst nehmen, nicht nur die
30-Prozent-Forderung.
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank,
Herr Pickerodt. Um es ganz exakt zu machen: Das war 1972 in Westerland. Dort
war es erstmals ein Ärztetagsbeschluss. - Als nächster Redner bitte Herr
Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe.
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