TOP I: Patientenversorgung in Deutschland - Rahmenbedingungen ärztlicher Berufsausübung

1. Tag: Dienstag, 23. Mai 2006 Nachmittagssitzung

PD Dr. Scholz, Hessen: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wissen wir doch alle, woran es im Gesundheitswesen mangelt und woran es krankt. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Das Problem besteht darin, das nach draußen zu tragen. Die Streiks zeigen es der Öffentlichkeit inzwischen. Auch die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen haben schon einmal demonstriert und gezeigt, dass hier Mängel bestehen.

Ich meine, es wird noch viel zu wenig auch von den Ärztekammern her getan, auf die Presse und auf die Öffentlichkeit einzuwirken. Draußen wird bereits mit den Füßen abgestimmt. In Hessen hat sich die Zahl derjenigen, die das "certificate of good standing" verlangen, innerhalb von zwei Jahren verdreifacht. Wir müssen der Politik klipp und klar sagen: Hier werden für 100 000 Euro Leute ausgebildet, die Norweger, Engländer und andere bedienen sich kostenlos und machen ein gutes Geschäft.

Manchmal bin ich auch ganz froh, dass ich kein Niedergelassener bin, wenn ich mir anschaue, in welchem Hamsterrad man dort um Punkte kämpft und genau austüftelt, wo etwas zu gewinnen ist. So wird nichts zu gewinnen sein. Wir müssen draußen klar machen, dass es in der Gesundheitspolitik nicht um ein Wirtschaftsgut wie einen Kühlschrank geht. Den Kühlschrank kann ich in München und sonst wo ordern, aber es nützt dem Herzinfarktpatienten aus Magdeburg nichts, wenn die Behandlung in Hintertupfingen billiger ist. Das funktioniert doch nicht. Das müssen wir der Bevölkerung klar machen.

(Beifall)

Der Ärztemangel zeichnet sich schon lange ab. Schauen Sie sich die Situation in den Krankenhäusern und beim Praxisverkauf an. Die Polen wollen gar nicht mehr in Deutschland arbeiten. In Irland arbeitet man im Bereitschaftssystem, weil man dort das Zwei- bis Dreifache dessen verdient, was man hier in Deutschland bekommen kann. In Frankfurt an der Oder wollen sie vielleicht noch arbeiten, weil sie dann nach Hause fahren können, aber wenn sie richtig Geld verdienen wollen, dann gehen sie beispielsweise nach Irland.

Das können wir nicht weiterhin tatenlos hinnehmen. Wir können doch nicht einfach nur zuschauen. Hier sind die Presseabteilungen und auch Sie vor Ort gefordert, die Politiker zu kneten und zu knechten. Ich habe es in einer Tarifverhandlung persönlich erlebt: Als der Kollege aus Frankfurt darauf hinwies, dass doch Millionen Überstunden gemacht worden seien, dass das doch etwas wert sein müsse, schaute der Minister ihn an und erklärte: Nein, nichts.

Wir müssen mit den Ministern sprechen. Genau da müssen wir ansetzen, dass man den Politikern bei der Behandlung klar macht, dass sie entsprechend lange warten müssen. Sie sehen ja bei den Streiks: Da werden die Privatpatienten bevorzugt behandelt. Und wer ist Privatpatient? Das sind die Politiker. Viel Vergnügen!

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Scholz. - Als nächster Redner bitte Herr Henke vom Vorstand der Bundesärztekammer.

© 2006, Bundesärztekammer.