PD Dr. Scholz, Hessen: Sehr geehrtes Präsidium!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wissen wir doch alle, woran
es im Gesundheitswesen mangelt und woran es krankt. Da brauchen wir uns nichts
vorzumachen. Das Problem besteht darin, das nach draußen zu tragen. Die Streiks
zeigen es der Öffentlichkeit inzwischen. Auch die niedergelassenen Kolleginnen
und Kollegen haben schon einmal demonstriert und gezeigt, dass hier Mängel
bestehen.
Ich meine, es wird noch viel zu wenig auch von den
Ärztekammern her getan, auf die Presse und auf die Öffentlichkeit einzuwirken.
Draußen wird bereits mit den Füßen abgestimmt. In Hessen hat sich die Zahl
derjenigen, die das "certificate of good standing" verlangen, innerhalb von
zwei Jahren verdreifacht. Wir müssen der Politik klipp und klar sagen: Hier
werden für 100 000 Euro Leute ausgebildet, die Norweger, Engländer und
andere bedienen sich kostenlos und machen ein gutes Geschäft.
Manchmal bin ich auch ganz froh, dass ich kein
Niedergelassener bin, wenn ich mir anschaue, in welchem Hamsterrad man dort um
Punkte kämpft und genau austüftelt, wo etwas zu gewinnen ist. So wird nichts zu
gewinnen sein. Wir müssen draußen klar machen, dass es in der
Gesundheitspolitik nicht um ein Wirtschaftsgut wie einen Kühlschrank geht. Den
Kühlschrank kann ich in München und sonst wo ordern, aber es nützt dem
Herzinfarktpatienten aus Magdeburg nichts, wenn die Behandlung in
Hintertupfingen billiger ist. Das funktioniert doch nicht. Das müssen wir der
Bevölkerung klar machen.
(Beifall)
Der Ärztemangel zeichnet sich schon lange ab. Schauen Sie sich
die Situation in den Krankenhäusern und beim Praxisverkauf an. Die Polen wollen
gar nicht mehr in Deutschland arbeiten. In Irland arbeitet man im
Bereitschaftssystem, weil man dort das Zwei- bis Dreifache dessen verdient, was
man hier in Deutschland bekommen kann. In Frankfurt an der Oder wollen sie
vielleicht noch arbeiten, weil sie dann nach Hause fahren können, aber wenn sie
richtig Geld verdienen wollen, dann gehen sie beispielsweise nach Irland.
Das können wir nicht weiterhin tatenlos hinnehmen. Wir können
doch nicht einfach nur zuschauen. Hier sind die Presseabteilungen und auch Sie
vor Ort gefordert, die Politiker zu kneten und zu knechten. Ich habe es in
einer Tarifverhandlung persönlich erlebt: Als der Kollege aus Frankfurt darauf
hinwies, dass doch Millionen Überstunden gemacht worden seien, dass das doch
etwas wert sein müsse, schaute der Minister ihn an und erklärte: Nein, nichts.
Wir müssen mit den Ministern sprechen. Genau da müssen wir
ansetzen, dass man den Politikern bei der Behandlung klar macht, dass sie
entsprechend lange warten müssen. Sie sehen ja bei den Streiks: Da werden die
Privatpatienten bevorzugt behandelt. Und wer ist Privatpatient? Das sind die
Politiker. Viel Vergnügen!
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank,
Herr Scholz. - Als nächster Redner bitte Herr Henke vom Vorstand der Bundesärztekammer.
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