TOP I: Patientenversorgung in Deutschland - Rahmenbedingungen ärztlicher Berufsausübung

1. Tag: Dienstag, 23. Mai 2006 Nachmittagssitzung

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, um auf dem Deutschen Ärztetag zu der Frage Stellung zu nehmen: Was ist das eigentlich für ein Vorgang, dass eine Tarifvereinbarung zwischen einer großen - zugegebenermaßen sehr, sehr großen - Gewerkschaft und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder geschlossen und dann gesagt wird, das müsse nun übernommen werden, dazu gebe es gar keine Alternative? Ich bin neugierig, ob das in dem Brief, der uns versprochen wurde, mit dem man uns diesen Tarifabschluss übermitteln will, auch so formuliert wird. In der Presse wird bis jetzt behauptet, der Streik habe dadurch sein Ende gefunden, indem wir diesen Tarifabschluss übernehmen müssten.

Ich halte das neben der ganzen Tarifpolitik gesellschaftspolitisch für einen hoch bedeutsamen Angriff auf Gewerkschaftspluralität und Selbstbestimmungsrechte.

(Beifall)

Das Selbstbestimmungsrecht in eigenen Angelegenheiten gehört für mich in einer Demokratie zu einem ehernen Recht. Es gehört im Grundgesetz zu den Garantien, die unmittelbar aus der Menschenwürde resultieren. Ob man sich einer Partei, einer Kirche, einer Gewerkschaft, einem Verein oder einer Bürgerinitiative anschließt, das entscheiden für einen, solange man unmündig ist, die Eltern, wenn man dement wird, die Betreuer, aber zwischendurch, in der Zeit, in der man erwachsen ist, entscheidet man das selbst.

(Beifall)

Das ist eine Frage von Verfassungsrang und Verfassungswert. Natürlich gewährleistet das Grundgesetz die positive und die negative Koalitionsfreiheit auch im Zusammenhang mit Gewerkschaften.

Deswegen geht es nicht, dass man nach neun Verhandlungsrunden und drei Spitzengesprächen verkündet: Es gibt kein Ergebnis, dann machen wir Arbeitgeber das, was wir wollen, dann eben mit anderen. Euch sagen wir, ihr müsst parieren, damit basta! Das geht nicht.

(Beifall)

Ich finde, die Botschaft, die darin steckt, ist schlimmer als jeder Dissens in der Frage angemessener Vergütungshöhe oder zulässiger Dauer von Arbeitszeiten. Sie lautet: Wer sich nicht an die zentral ausgegebenen Kommandos von TdL und ver.di hält, der kommt an den Katzentisch, der kann sehen, wo er bleibt. Ich finde, das ist eine einzige Provokation. Es kann nicht sein, dass zwangsweise das, was für 600 Leute mag vereinbart werden können, auf 22 000 Ärztinnen und Ärzte der Unikliniken oder 105 000 Mitglieder des Marburger Bundes oder 146 000 angestellte Ärzte übertragen wird. Das geht nicht. Das ist wirklich essentiell. Wir streiken ja nicht, um als Ärzte Millionär zu werden, sondern nur, um zu erreichen, dass niemand dafür bestraft wird, als Arzt in Deutschland zu bleiben, statt ins Ausland abzuwandern. Wir sichern so die Zuverlässigkeit der Patientenversorgung, die mit Billigheimerei immer mehr in Gefahr gerät. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" rät uns deshalb, uns vom ver.di-Länder-Abschluss nicht einlullen zu lassen. Das ist richtig. Genau das werden wir nicht tun.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Rudolf Henke. Herr Henke hat die Fähigkeit, Sätze zu bauen, bei denen man immer wieder Kommas und Gedankenstriche entdeckt, aber keinen Punkt. Deswegen kann er manchmal trotz Redezeitende ein bisschen länger sprechen.

Als nächster Redner Herr Rettkowski aus Niedersachsen. Bitte schön.

© 2006, Bundesärztekammer.