Henke, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe
mich gemeldet, um auf dem Deutschen Ärztetag zu der Frage Stellung zu nehmen:
Was ist das eigentlich für ein Vorgang, dass eine Tarifvereinbarung zwischen
einer großen - zugegebenermaßen sehr, sehr großen - Gewerkschaft und der
Tarifgemeinschaft deutscher Länder geschlossen und dann gesagt wird, das müsse
nun übernommen werden, dazu gebe es gar keine Alternative? Ich bin neugierig,
ob das in dem Brief, der uns versprochen wurde, mit dem man uns diesen Tarifabschluss
übermitteln will, auch so formuliert wird. In der Presse wird bis jetzt behauptet,
der Streik habe dadurch sein Ende gefunden, indem wir diesen Tarifabschluss
übernehmen müssten.
Ich halte das neben der ganzen Tarifpolitik
gesellschaftspolitisch für einen hoch bedeutsamen Angriff auf
Gewerkschaftspluralität und Selbstbestimmungsrechte.
(Beifall)
Das Selbstbestimmungsrecht in eigenen Angelegenheiten gehört
für mich in einer Demokratie zu einem ehernen Recht. Es gehört im Grundgesetz
zu den Garantien, die unmittelbar aus der Menschenwürde resultieren. Ob man
sich einer Partei, einer Kirche, einer Gewerkschaft, einem Verein oder einer
Bürgerinitiative anschließt, das entscheiden für einen, solange man unmündig
ist, die Eltern, wenn man dement wird, die Betreuer, aber zwischendurch, in der
Zeit, in der man erwachsen ist, entscheidet man das selbst.
(Beifall)
Das ist eine Frage von Verfassungsrang und Verfassungswert.
Natürlich gewährleistet das Grundgesetz die positive und die negative
Koalitionsfreiheit auch im Zusammenhang mit Gewerkschaften.
Deswegen geht es nicht, dass man nach neun Verhandlungsrunden
und drei Spitzengesprächen verkündet: Es gibt kein Ergebnis, dann machen wir
Arbeitgeber das, was wir wollen, dann eben mit anderen. Euch sagen wir, ihr
müsst parieren, damit basta! Das geht nicht.
(Beifall)
Ich finde, die Botschaft, die darin steckt, ist schlimmer als
jeder Dissens in der Frage angemessener Vergütungshöhe oder zulässiger Dauer
von Arbeitszeiten. Sie lautet: Wer sich nicht an die zentral ausgegebenen
Kommandos von TdL und ver.di hält, der kommt an den Katzentisch, der kann
sehen, wo er bleibt. Ich finde, das ist eine einzige Provokation. Es kann nicht
sein, dass zwangsweise das, was für 600 Leute mag vereinbart werden können, auf
22 000 Ärztinnen und Ärzte der Unikliniken oder 105 000 Mitglieder
des Marburger Bundes oder 146 000 angestellte Ärzte übertragen wird. Das
geht nicht. Das ist wirklich essentiell. Wir streiken ja nicht, um als Ärzte
Millionär zu werden, sondern nur, um zu erreichen, dass niemand dafür bestraft
wird, als Arzt in Deutschland zu bleiben, statt ins Ausland abzuwandern. Wir
sichern so die Zuverlässigkeit der Patientenversorgung, die mit Billigheimerei
immer mehr in Gefahr gerät. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" rät uns
deshalb, uns vom ver.di-Länder-Abschluss nicht einlullen zu lassen. Das ist
richtig. Genau das werden wir nicht tun.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Rudolf Henke. Herr Henke hat die Fähigkeit, Sätze zu bauen, bei denen man
immer wieder Kommas und Gedankenstriche entdeckt, aber keinen Punkt. Deswegen
kann er manchmal trotz Redezeitende ein bisschen länger sprechen.
Als nächster Redner Herr Rettkowski aus Niedersachsen. Bitte
schön.
|