TOP II: Behandlung von Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen: Gegen Stigmatisierung - Für Stärkung der ärztlichen Psychotherapie

2. Tag: Mittwoch, 24. Mai 2006 Vormittagssitzung

Dr. Lorenzen, Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, dass auch in diesem Tagesordnungspunkt eine Spaltung erfolgte, nämlich in Psychiatrie und Psychotherapie. Das ist vielleicht auch ein Ausdruck der bestehenden Situation. Hier geschehen ständig Abgrenzungen. Ich bin Allgemeinarzt und Psychotherapeut. Als Hausarzt versuche ich, eine ganzheitliche Sicht von Krankheit und Gesundheit zu praktizieren. Das ist schwierig. Alle Störungen beginnen nämlich unspezifisch. Die Patienten sind einfach schwierig oder sie sind nervig, sie fallen einem auf den Wecker.

Die somatischen und die psychotherapeutischen Fächer brauchen Instrumente. Die Instrumente werden in den einzelnen Fächern eingeübt. Was wir brauchen, ist Durchlässigkeit. Vorhin wurde gesagt: Wir brauchen eine gute Zusammenarbeit.

Wir haben aber auch Patienten, die gar nicht zu den Spezialisten gehen. Jemand, der der Psychotherapie bedarf, geht nicht zum Psychotherapeuten. Jemand, der einer psychiatrischen Behandlung bedarf, geht nicht zum Psychiater. Da gibt es Vorbehalte.

Das heißt, alle Ärzte müssen in der Lage sein, psychische Störungen zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Das gilt insbesondere auch für die Suchterkrankungen. Das ist in unserer Medizin ein Stiefkind. Hier gibt es keine wirklich guten Konzepte bei den Allgemeinärzten, natürlich außer in den theoretischen Fächern.

Ich plädiere dafür, dass die Grundausbildung und die Grundweiterbildung für alle in psychosomatischen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Angelegenheiten verbessert wird und dass die Ideen von Balint breit berücksichtigt werden. Die Ärzte können die Balint-Gruppen gebrauchen.

Die somatische Medizin hat eine bestimmte Denkweise, die psychotherapeutische Medizin hat eine andere Denkweise. Beides lässt sich nur sehr schwer übereinander bringen. Da ist die Balint-Arbeit etwas Wichtiges.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke, Herr Lorenzen. - Jetzt bitte Herr Professor Bach aus Sachsen.

© 2006, Bundesärztekammer.