Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Dann kommen wir
zum Antrag VII-77. Der Betreff lautet:
Prävention von Misshandlung, Vernachlässigung und
Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen
Ich hoffe, der Antrag liegt Ihnen vor. Gibt es Wortmeldungen?
- Bitte, Frau Dr. Schulenberg aus Baden-Württemberg.
Dr. Schulenberg, Baden-Württemberg: Ich bitte,
den letzten Absatz zu streichen. Ich habe den Antrag 85 gestellt, der noch
nicht umgedruckt ist. Mein Anliegen ist ein Erfassungssystem für Kinder mit
Unfällen, damit man Misshandlungen bundesweit nachvollziehen kann, um weiteren
Misshandlungen vorzubeugen und die Familien einer Therapie zuzuführen. Ich
denke, wenn es für alle Beteiligten selbstverständlich ist, dass jeder Unfall
gemeldet wird, ist es auch keine Desavouierung für die Familie und kann das
Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Familie nicht stören.
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Frau Schulenberg. Wir stimmen über den Antrag 85 anschließend ab. Ich
verlese den Text, falls der Antrag bis dahin noch nicht verteilt sein sollte.
Sie möchten also, dass im Antrag 77 der letzte Absatz gestrichen wird:
Der 109. Deutsche Ärztetag lehnt eine regelhafte Meldung
durchgeführter Kindervorsorgeuntersuchungen durch Ärzte ab, da diese einen
erheblichen Eingriff in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Familie
bedeutet.
Das möchten Sie gestrichen haben? Ist das Ihr Antrag? - Gut.
Dazu jetzt bitte Herr Bolay.
Dr. Bolay, Westfalen-Lippe: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu beiden Anträgen Stellung nehmen. Zum
einen möchte ich Sie bitten, dem Antrag 77 zu folgen und eine regelhafte
Meldung der Vorsorgeuntersuchungen durch Ärzte an irgendwelche Behörden glatt
abzulehnen. Das ist nicht unsere Aufgabe und kann auch nicht unsere Aufgabe
werden.
(Beifall)
Ich darf gleich zu Ihrem Antrag 85 Stellung nehmen, Frau
Schulenberg: Ein solcher Antrag hinsichtlich eines Meldesystems für Unfälle
würde dazu führen, dass wir eine Liste von Kindern mit Hyperaktivitätsproblemen
und von Kindern mit Koordinationsstörungen haben. Vielleicht sind auch noch
Kinder mit Unfällen dabei. Ich möchte mich sehr dagegen aussprechen, ein Meldesystem
zu etablieren, bei dem wir alle Unfälle von Kindern weitermelden müssen. Das
kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich bitte Sie, den Antrag zumindest
an den Vorstand zu überweisen. Besser wäre es, diesen Antrag abzulehnen.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 77. Da gibt es den
Änderungsantrag, den letzten Absatz zu streichen, der lautet:
Der 109. Deutsche Ärztetag lehnt eine regelhafte Meldung
durchgeführter Kindervorsorgeuntersuchungen durch Ärzte ab, da diese einen
erheblichen Eingriff in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Familie
bedeutet.
Wer möchte diesen Passus streichen? - Wer möchte das nicht? -
Das ist die Mehrheit. Dann bleibt der Antrag unverändert. Wir stimmen also über
den unveränderten Antrag 77 ab. Wer möchte dem Antrag zustimmen? - Wer ist dagegen?
- Wer enthält sich? - Der Antrag ist klar angenommen.
Damit kommen wir zum Antrag VII-85. Frau Schulenberg
hat das Recht, dazu zu sprechen. Eben hat sie ja zum Antrag 77 gesprochen.
Bitte schön.
Dr. Schulenberg, Baden-Württemberg: Ich habe auch
hier kein Problem mit einer Vorstandsüberweisung. Diese Meldepflicht gibt es in
anderen Ländern, beispielsweise in den USA und in Großbritannien. Für die
Familien dort ist es ganz selbstverständlich, dass ein Unfall erfasst wird. Es
wäre vielleicht eine Aufgabe des Vorstands, ein Erfassungssystem zu erarbeiten.
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön.
- Möchte jemand dagegensprechen? - Bitte, Herr Lindhorst.
Dr. Lindhorst, Hessen: Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sie müssen wissen, zu welchen Exzessen das in den USA geführt hat. Da
klagt die Nachbarfamilie vor Gericht, dass das Jugendamt in einer Art und Weise
eingreift, dass letzten Endes Familienschicksale äußerst negativ beeinflusst
werden. Wir müssen sehr vorsichtig sein, ein solches Melderegister einzuführen.
(Beifall)
Ich kann das sehr gut verstehen. Ich unterstütze
logischerweise, dass wir gegen Kindesmisshandlungen sind. Aber das über ein zentrales
Melderegister zu lösen, das kann ein Desaster werden. Ein bisschen Liberalität
muss es meines Erachtens trotz allem in unserem Lande noch geben.
Danke.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön.
- Wenn ich es richtig sehe, möchte nun Frau Gitter aus Bremen den Antrag auf
Vorstandsüberweisung stellen. Bitte schön.
Dr. Gitter, Bremen: Ich möchte diesen Antrag auf
Vorstandsüberweisung begründen. Das Anliegen des Antrags, systematisch zu
erfassen, wie hoch die Misshandlungs- und Missbrauchsziffer in unserem Lande
ist, ist grundsätzlich sinnvoll, weil wir nur so besser präventiv tätig werden
können. Das Ziel wird aber durch diesen Antrag leider nicht erreicht. Wir
können das Ziel nicht durch ein Sammeln von Daten über kindliche Unfälle erreichen.
Wir sollten uns dieser Idee annehmen, denn sie ist sehr wichtig. Deswegen bitte
ich Sie um Vorstandsüberweisung.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön.
- Ich frage: Wer möchte dem Antrag auf Vorstandsüberweisung zustimmen? - Wer
ist dagegen? - Das Erste war die Mehrheit. Dann ist der Antrag an den
Vorstand überwiesen.
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