TOP VII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

3. Tag: Donnerstag, 25. Mai 2006 Nachmittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Dann kommen wir zum Antrag VII-77. Der Betreff lautet:

Prävention von Misshandlung, Vernachlässigung und Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen

Ich hoffe, der Antrag liegt Ihnen vor. Gibt es Wortmeldungen? - Bitte, Frau Dr. Schulenberg aus Baden-Württemberg.

Dr. Schulenberg, Baden-Württemberg: Ich bitte, den letzten Absatz zu streichen. Ich habe den Antrag 85 gestellt, der noch nicht umgedruckt ist. Mein Anliegen ist ein Erfassungssystem für Kinder mit Unfällen, damit man Misshandlungen bundesweit nachvollziehen kann, um weiteren Misshandlungen vorzubeugen und die Familien einer Therapie zuzuführen. Ich denke, wenn es für alle Beteiligten selbstverständlich ist, dass jeder Unfall gemeldet wird, ist es auch keine Desavouierung für die Familie und kann das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Familie nicht stören.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Frau Schulenberg. Wir stimmen über den Antrag 85 anschließend ab. Ich verlese den Text, falls der Antrag bis dahin noch nicht verteilt sein sollte. Sie möchten also, dass im Antrag 77 der letzte Absatz gestrichen wird:

Der 109. Deutsche Ärztetag lehnt eine regelhafte Meldung durchgeführter Kindervorsorgeuntersuchungen durch Ärzte ab, da diese einen erheblichen Eingriff in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Familie bedeutet.

Das möchten Sie gestrichen haben? Ist das Ihr Antrag? - Gut.

Dazu jetzt bitte Herr Bolay.

Dr. Bolay, Westfalen-Lippe: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu beiden Anträgen Stellung nehmen. Zum einen möchte ich Sie bitten, dem Antrag 77 zu folgen und eine regelhafte Meldung der Vorsorgeuntersuchungen durch Ärzte an irgendwelche Behörden glatt abzulehnen. Das ist nicht unsere Aufgabe und kann auch nicht unsere Aufgabe werden.

(Beifall)

Ich darf gleich zu Ihrem Antrag 85 Stellung nehmen, Frau Schulenberg: Ein solcher Antrag hinsichtlich eines Meldesystems für Unfälle würde dazu führen, dass wir eine Liste von Kindern mit Hyperaktivitätsproblemen und von Kindern mit Koordinationsstörungen haben. Vielleicht sind auch noch Kinder mit Unfällen dabei. Ich möchte mich sehr dagegen aussprechen, ein Meldesystem zu etablieren, bei dem wir alle Unfälle von Kindern weitermelden müssen. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich bitte Sie, den Antrag zumindest an den Vorstand zu überweisen. Besser wäre es, diesen Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 77. Da gibt es den Änderungsantrag, den letzten Absatz zu streichen, der lautet:

Der 109. Deutsche Ärztetag lehnt eine regelhafte Meldung durchgeführter Kindervorsorgeuntersuchungen durch Ärzte ab, da diese einen erheblichen Eingriff in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Familie bedeutet.

Wer möchte diesen Passus streichen? - Wer möchte das nicht? - Das ist die Mehrheit. Dann bleibt der Antrag unverändert. Wir stimmen also über den unveränderten Antrag 77 ab. Wer möchte dem Antrag zustimmen? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist klar angenommen.

Damit kommen wir zum Antrag VII-85. Frau Schulenberg hat das Recht, dazu zu sprechen. Eben hat sie ja zum Antrag 77 gesprochen. Bitte schön.

Dr. Schulenberg, Baden-Württemberg: Ich habe auch hier kein Problem mit einer Vorstandsüberweisung. Diese Meldepflicht gibt es in anderen Ländern, beispielsweise in den USA und in Großbritannien. Für die Familien dort ist es ganz selbstverständlich, dass ein Unfall erfasst wird. Es wäre vielleicht eine Aufgabe des Vorstands, ein Erfassungssystem zu erarbeiten.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. - Möchte jemand dagegensprechen? - Bitte, Herr Lindhorst.

Dr. Lindhorst, Hessen: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie müssen wissen, zu welchen Exzessen das in den USA geführt hat. Da klagt die Nachbarfamilie vor Gericht, dass das Jugendamt in einer Art und Weise eingreift, dass letzten Endes Familienschicksale äußerst negativ beeinflusst werden. Wir müssen sehr vorsichtig sein, ein solches Melderegister einzuführen.

(Beifall)

Ich kann das sehr gut verstehen. Ich unterstütze logischerweise, dass wir gegen Kindesmisshandlungen sind. Aber das über ein zentrales Melderegister zu lösen, das kann ein Desaster werden. Ein bisschen Liberalität muss es meines Erachtens trotz allem in unserem Lande noch geben.

Danke.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. - Wenn ich es richtig sehe, möchte nun Frau Gitter aus Bremen den Antrag auf Vorstandsüberweisung stellen. Bitte schön.

Dr. Gitter, Bremen: Ich möchte diesen Antrag auf Vorstandsüberweisung begründen. Das Anliegen des Antrags, systematisch zu erfassen, wie hoch die Misshandlungs- und Missbrauchsziffer in unserem Lande ist, ist grundsätzlich sinnvoll, weil wir nur so besser präventiv tätig werden können. Das Ziel wird aber durch diesen Antrag leider nicht erreicht. Wir können das Ziel nicht durch ein Sammeln von Daten über kindliche Unfälle erreichen. Wir sollten uns dieser Idee annehmen, denn sie ist sehr wichtig. Deswegen bitte ich Sie um Vorstandsüberweisung.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. - Ich frage: Wer möchte dem Antrag auf Vorstandsüberweisung zustimmen? - Wer ist dagegen? - Das Erste war die Mehrheit. Dann ist der Antrag an den Vorstand überwiesen.

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