TOP VII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

4. Tag: Freitag, 26. Mai 2006 Vormittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Wir kommen zum Antrag VII-30 mit dem Betreff:

Weiterentwicklung des Krankenversicherungssystems in Deutschland

Dieser Antrag hat eine, wie ich sagen darf, starke inhaltliche Ausprägung. Er bedeutet eine Art Präjudizierung der Überlegungen, wie wir mit diesem Thema zukünftig weiter umgehen sollen. Er ist mit richtiger Politik, wie man so schön sagt, gespickt, auch mit sozialpolitischen Aspekten. - Herr Gadomski hat sich dazu zu Wort gemeldet. Bitte schön.

San.-Rat Dr. Gadomski, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht in diesem Antrag besonders um die Ziffer 3. Deren Realisierung würde die Aufhebung der Friedensgrenze zwischen PKV und GKV bedeuten. Das Ziel ist, dass alle in der GKV versichert sind. Das wäre die Bürgerversicherung. Das sollten Sie wissen.

Ferner geht es besonders um die Ziffer 6. Die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben, würde weniger Versicherte für die PKV bedeuten. Die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze würde dasselbe bedeuten wie die Ziffer 3, nämlich die Bürgerversicherung. Bei einer Aufhebung der PKV als Vollversicherung stünde sie nur noch als Zusatzversicherung zur Verfügung.

Die beiden genannten Ziffern stehen im Widerspruch zum Antrag des Vorstands, der sich für den Erhalt der PKV ausgesprochen hat und für den Erhalt des gegliederten Versicherungssystems. Der Antrag würde also der politischen Linie der Bundesärztekammer widersprechen, die sich eindeutig für den Erhalt der PKV ausgesprochen hat.

Aus diesem Grunde bitte ich um Überweisung an den Vorstand.

(Zurufe: Nichtbefassung!)

- Umso besser.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. Bisher haben wir den Antrag auf Vorstandsüberweisung. Einige Rufe aus dem Plenum sind auch laut geworden, aber das müsste ein konkreter Antrag werden.

Jetzt gibt es einen Geschäftsordnungsantrag. Bitte schön.

(Zuruf: Antrag auf Nichtbefassung!)

- Aus dem Plenum ist der Antrag auf Nichtbefassung gestellt worden. Gibt es Wortmeldungen gegen die Nichtbefassung? - Bitte schön.

Dr. Pickerodt, Berlin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche gegen die Nichtbefassung, und zwar aus folgenden Gründen. Dieser Antrag ist inhaltlich dem entgegengesetzt, was Dr. Montgomery beantragt hat und was unter Tagesordnungspunkt I behandelt und diskutiert worden ist. Der Antrag ist aber vom Gegenstand her identisch damit. Dennoch wurde dieser Antrag unter dem Tagesordnungspunkt Tätigkeitsbericht einsortiert, wo er praktisch nicht mehr diskutiert werden kann. Damit müssen wir leben.

Ich mache Sie auf Folgendes aufmerksam: Dieser Ärztetag versteht sich als ein Parlament der deutschen Ärzteschaft, als ein demokratisches Gremium. Demokratie lebt davon, dass Mehrheiten entscheiden. Dies wird hier exakt und akkurat durchgeführt, unter anderem auch durch Auszählung. Demokratie hat aber noch einen zweiten Aspekt, einen Aspekt, den man nicht auszählen kann, der aber genauso dazugehört. Es geht darum, wie die Mehrheit mit einer Minderheit umgeht. Das ist etwas, was man als Fairness und als demokratischen Stil bezeichnen kann.

Die Tatsache, dass sich die Mehrheit gar nicht erst mit einer abweichenden Meinung von Minderheiten befassen will, halte ich für einen ausgesprochen schlechten demokratischen Stil.

(Widerspruch)

Deshalb bitte ich Sie, diesen Antrag zu behandeln. Da wir den Antrag von Herrn Montgomery an den Vorstand überwiesen haben, wäre ich damit einverstanden, auch diesen Antrag zur weiteren Beratung an den Vorstand zu überweisen, damit dieser in seiner Weisheit weitere Überlegungen anstellen kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Pickerodt. - Gibt es weitere Wortmeldungen? - Bitte.

Ruebsam-Simon, Baden-Württemberg: Ich möchte den Antrag auf Nichtbefassung kurz begründen. Manche werden sich vielleicht erinnern, dass ich auf dem Ärztetag in Cottbus den Vorstand gebeten habe, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die das Thema "Finanzierung des Gesundheitswesens in Deutschland" vorbereitet. Innerhalb dieses Tagesordnungspunkts sollten Gesundheitsökonomen, Vertreter von Public Health, Betriebswirte und Ethiker sprechen. Dieser Antrag ist damals an den Vorstand überwiesen worden. Ich halte die Behandlung dieses Themas für absolut notwendig.

Falls wir im Herbst einen politischen Ärztetag durchführen sollten, geht meine Bitte dahin, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, damit sich die Delegierten qualifiziert zu  Reformkonzepten äußern können. Über diesen Weg die Bürgerversicherung, die einen Weg darstellt, über den man diskutieren kann, über den Tätigkeitsbericht hier als offizielle Verabschiedung durchzubringen, halte ich für falsch. Deshalb bitte ich um Nichtbefassung. Das hat nichts mit Demokratie zu tun. Wir sollten eine geordnete Diskussion führen können. Das sollten wir später tun.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. - Wir können damit zur Abstimmung kommen. Wer möchte zunächst auf Nichtbefassung plädieren? - Wer ist gegen Nichtbefassung? - Das ist die Mehrheit. Nunmehr frage ich: Wer möchte den Antrag an den Vorstand überweisen? - Wer ist dagegen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Antrag an den Vorstand überwiesen. Er dient als Ergänzung zum Antrag I-5, den wir auch so behandelt haben. Er bereichert damit unsere Stoffsammlung für die weitere Diskussion zu diesem wichtigen Thema.

Nun kommen wir zum Antrag VII-15 von Herrn Kollegen Heinz aus Rheinland-Pfalz:

Der Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, unter Beibehaltung der bestehenden Zuzahlungsbefreiungsregelungen, die pauschale Beteiligung der Patienten an den Medikamentenkosten in eine prozentuale Lösung umzuändern.

Möchte sich jemand zu diesem Thema äußern? - Ich sehe niemanden. Dann stimmen wir darüber ab. Wer ist für den Antrag 15? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit? Enthaltungen? - Einige Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.

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