Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Damit kommen wir
zum Antrag VII-21 von Herrn Dr. Munte:
Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die Rechtsgrundlagen
für die Erstellung einer Positivliste wieder herzustellen und dafür Sorge zu
tragen, dass die Arbeiten zur Erstellung einer Positivliste wieder aufgenommen
und unter Einbeziehung der Bewertungen durch das Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu einem dauerhaften Abschluss
gebracht werden.
Die Erstellung einer Positivliste haben wir schon 1992 auf dem
Ärztetag im Kölner Gürzenich beschlossen. Nicht alle von Ihnen werden dabei
gewesen sein; aber ich kann mich noch sehr gut daran erinnern.
Dieser Antrag stellt eine neue Qualität dar, weil das IQWiG
mit einbezogen ist, das es 1992 noch nicht gab.
(Zuruf: Vorstandsüberweisung!)
Wie das IQWiG eingeschätzt wird, haben wir ja gestern
besprochen, zumindest zwischen zwei Gedankenstrichen, als Herr Professor Scriba
über die Versorgungsforschung gesprochen hat.
Herr Schirmer macht mich gerade darauf aufmerksam, dass an
sich der Antrag VII-33 ebenfalls zu dieser Thematik gehört. Dieser
Antrag lautet:
Angesichts der Tatsache, dass im deutschen Gesundheitswesen
mehr Geld für Medikamente als für ärztliche Leistungen ausgegeben wird, fordert
der 109. Deutsche Ärztetag die Einführung einer Positivliste für Arzneimittel
und lehnt eine Bonus-Malus-Regelung ab.
Bei dem Antrag von Herrn Munte ist das IQWiG mit einer
wichtigen Funktion zusätzlich zum Thema Positivliste dabei. Das IQWiG ist eine
Einrichtung, die speziell auf das GKV-System kapriziert ist, wie wir wissen,
und für Wirtschaftlichkeit genauso zu sorgen hat wie für gute Medizin, was ja
nicht immer leicht ist.
Möchte sich jemand von Ihnen zum Antrag 21 zu Wort melden? -
Bitte, Herr Kollege Schüller aus Nordrhein.
Dr. Schüller, Nordrhein: Verehrter Herr
Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte etwas
Grundsätzliches zur Positivliste sagen. Dieser Antrag kommt mir da hochgradig
gelegen. Wir reden die ganze Zeit vom freien Arztberuf. Mir fällt auf, dass wir
gleichzeitig von der Politik verlangen, unsere Freiheit einzuschränken.
(Beifall)
Eine Positivliste ist eigentlich eine extreme Einschränkung
unserer Therapiefreiheit. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kann gar nicht
verstehen, warum ein freier Beruf wie die Ärzteschaft, die eigentlich selber am
besten weiß, was für den Patienten positiv oder nicht positiv ist, sich von
anderen Leuten außerhalb ihres Faches vorschreiben lassen will, was sie
verordnen darf bzw. soll oder nicht. Das ist für mich völlig unverständlich. Es
ist eine merkwürdige Einstellung eines freien Berufs, sich mit der Bitte an die
Politik zu wenden, seine Freiheit einzuschränken.
Danke schön.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön,
Herr Schüller. - Jetzt bitte Herr Veelken aus Berlin.
Veelken, Berlin: Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Aus gutem Grund sind wir alle gegen eine Bonus-Malus-Regelung. Selbst
der klinisch tätige Arzt hat verstanden, warum es verheerend wäre, wenn der
verordnende Arzt verantwortlich sein soll und hinterher finanziell für sein
Verordnungsverhalten bestraft wird. Wir sind mit Recht alle dagegen.
Wir werden aber gefragt, welche Alternativen wir denn haben.
Frau Schmidt hat in ihrer Rede im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung gesagt,
wir sollten selber Vorschläge machen. Wir haben immer das Gefühl, dass unsere
Vorschläge nicht besonders ernst genommen werden. Aber hier geht es um eine
Steilvorlage. Wenn wir auf der einen Seite gegen eine Bonus-Malus-Regelung
sind, weil so das Risiko auf den verordnenden Arzt heruntergebrochen und
individualisiert wird, würde auf der anderen Seite die Einführung einer
Positivliste, die in der Tendenz etwas Ähnliches erreicht, das Risiko vom
individuell verordnenden Arzt wegverlagern. Er könnte dafür nicht mehr bluten
und auch nicht verantwortlich gemacht werden. Dann ist es doch letztlich eine
Steilvorlage, dass man sich auf dem Ärztetag wieder für die Einführung der
Positivliste als Alternative zur Bonus-Malus-Regelung ausspricht.
Schönen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank.
- Jetzt hat sich Herr Windhorst zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte schön.
Dr. Windhorst, Vorstand der Bundesärztekammer:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wieder die alte Mär. Ich bin selbst im
Kuratorium des IQWiG. Ich kann Ihnen sagen: Das ist lediglich ein Instrument,
das man gezielt einsetzen muss. Das IQWiG ist keine Allzweckwaffe. Ich habe
hier in dieser Diskussion nichts gegen die Positivliste, aber die Verquickung
von Positivliste und IQWiG bedeutet für mich die Verminderung des
Qualitätsstandards. Ich denke, das IQWiG führt zwar den Begriff "Qualität" in
seinem Namen, aber dort wird Wirtschaftlichkeit gepredigt. Wir brauchen bei der
Arzneimittelversorgung Hilfen, aber im Moment nicht das staatliche
Reglementierungsinstrument IQWiG. Deshalb bitte ich, diesen Antrag an den
Vorstand zu überweisen oder ihn abzulehnen.
Danke schön.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Das war ein
Geschäftsordnungsantrag auf Vorstandsüberweisung. - Wenn sich jetzt noch jemand
zu Wort meldet, müsste er gegen die Vorstandsüberweisung votieren. Das ist das
Einzige, was noch möglich ist. Alle anderen Möglichkeiten der Wortmeldung sind
ausgereizt. Möchte jemand gegen die Vorstandsüberweisung votieren und das begründen? -
Bitte, Frau Gitter.
Dr. Gitter, Bremen: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu den beiden Anträgen 21 und 33 einen
Antrag zum Abstimmungsverfahren einbringen. Ich möchte, dass wir die Halbsätze
so abstimmen können, dass wir die Aussage der beiden Anträge, nämlich dass wir
für eine Positivliste sind, abstimmen können, aber in dem einen Antrag den
IQWiG-Aspekt ablehnen oder überweisen können. Bei dem anderen Antrag sollte der
Hinweis, dass mehr Geld für Medikamente als für ärztliche Leistungen ausgegeben
wird, gestrichen werden. In der Begründung steht im ersten Teil, dass mehr Geld
für Medikamente als für ärztliche Leistungen ausgegeben wird. Wir haben zu
Beginn des Ärztetages über die Zahlenspielereien, die dahinterstecken,
diskutiert. Die wahre Begründung ist doch, dass wir aus der Beschuldigung
herauswollen, als würden wir wahllos aus dem Wust von Arzneimitteln verordnen.
Wir möchten eine Handreichung haben, was denn als wirtschaftlich und zweckmäßig
angesehen wird, damit wir aus dieser Diskussion herauskommen. Die finanzielle
Seite muss davon unabhängig gesehen werden.
Danke schön.
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön.
Das war der Antrag, diejenigen Teile, die sich nicht mit der Befürwortung der
Positivliste beschäftigen, aus beiden Anträgen zu streichen und bei beiden
Anträgen die Einführung einer Positivliste zu befürworten, alles andere
entfallen zu lassen, sich also nur in Richtung Positivliste zu äußern. Das
können wir machen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf
Vorstandsüberweisung für den Antrag 21. Wer stimmt der Überweisung des Antrags
21 an den Vorstand zu? - Wer ist dagegen? - Dann ist der Antrag 21 an den
Vorstand überwiesen.
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