TOP VII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

4. Tag: Freitag, 26. Mai 2006 Vormittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Nunmehr kommen wir zum Antrag VII-44 von Herrn Dr. Lipp aus Sachsen.

Der Deutsche Ärztetag lehnt weitere Aufnahmen von Leistungen in den GKV-Katalog ohne finanziellen Ausgleich ab.

Herr Windhorst möchte sich zur Geschäftsordnung melden. Bitte.

Dr. Windhorst, Vorstand der Bundesärztekammer: Ich möchte nicht nerven. Alles, was in dem Antrag steht, ist richtig. Wir müssen uns dagegen wehren, in Sippenhaft genommen zu werden, wenn es um die Bezahlung von neuen Leistungen geht. Das wollen wir nicht; das ist völlig klar. Es wäre meiner Meinung nach aber schlecht, wenn wir die Initiatoren einer Rationierungsmedizin wären. Das fände ich schlecht.

(Beifall)

Da der Antrag aber grundsätzlich nicht schlecht ist, möchte ich ihn an den Vorstand überwiesen wissen, damit er nicht abgeschmettert wird, weil er ja doch viel Wahrheit enthält.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. - Dazu eine Gegenrede. Bitte schön, Herr Lipp.

Dr. Lipp, Sachsen: Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, über den Antrag abzustimmen und ihn nicht an den Vorstand zu überweisen oder ihn abzulehnen. Der Antrag tangiert im Universum der ganzen Abrechnungsproblematik und Finanzierungsproblematik die Anträge, die wir zur Genüge hier positiv beschieden haben, zum Beispiel gestern den Antrag 1 c. Eben wurde ja auch gesagt, dass der Antrag im Kern richtig ist.

Nun sagen Herr Windhorst und viele andere, das sei der Aufruf zur Rationierung. Das ist nicht der Fall. Wir haben ja die Rationierung bereits. 30 Prozent der Leistungen werden nicht bezahlt.

(Beifall)

Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade aus dem stationären Sektor, eine stille Rationierung, die uns Ärzten aufgedrückt wird. Wir geben den Patienten bestimmte Dinge nicht, weil wir sie nicht geben können oder die Patienten bekommen eben keine Termine. Dann warten sie ein halbes Jahr oder ein Dreivierteljahr. Das ist eine indirekte Rationierung, die Sie spüren, weil Ihre Ambulanzen voll laufen.

Mit dem jetzigen Verfahren haben wir die Last der Rationierung. Wenn Sie meinem Antrag stattgeben, sagen wir: Das, was jetzt vorhanden ist, tun wir, aber jede neue Leistung, die kein Geld bringt, erbringen wir nicht. Damit haben wir die Rationierung auf diejenigen zurücküberwälzt, die es angeht, nämlich den Gesetzgeber und die Krankenkassen. Es ist für uns niedergelassenen Ärzte eine unerträgliche Last, diese Rationierung selber aushalten zu müssen.

(Beifall)

Mit diesem Antrag können wir es umkehren. Es ändert sich nichts. Wenn ich diesen Packen an Leistungen nehme und es kommt etwas Neues hinzu, dann wird die Rationierungspotenz der jetzigen Leistungen nur noch verstärkt, weil das Geld weniger wird. Für den Patienten ist es letztendlich kein großer Unterschied.

Sie können die Position der KBV stärken, wenn Sie dem Antrag zustimmen. Wir haben in der Republik bereits eine Rationierung. Sie ist doch nicht wegzureden. Aber es kann doch nicht sein, dass wir die Rationierung auf unserem Buckel aushalten müssen. Das soll der Antrag ändern. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. - Wir stimmen jetzt ab. Wer möchte den Antrag an den Vorstand überweisen? - Wer möchte das nicht? - Das ist die Mehrheit. Ich frage also: Wer möchte den Antrag befürworten? - Das ist die Mehrheit. Wer möchte das nicht? - Einige. Wer enthält sich? - Einige Enthaltungen. Der Antrag ist mit klarer Mehrheit angenommen.

Damit kommen wir zum Antrag VII-46, der ebenfalls von Herrn Dr. Lipp stammt:

Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich die durch die Hartz-IV-Gesetze induzierten finanziellen Verluste durch geeignete Regelungen auszugleichen.

Herr Schirmer sagt, dass es angesichts der Begründung, die ja nicht veröffentlicht wird, nützlich wäre, wenn aus der Begründung hinter den Worten "finanziellen Verluste" ergänzt würde: "in der ambulanten Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)". Damit ist klar, wo diese Verluste aufgeschlagen sind, denn finanzielle Verluste haben natürlich auch diejenigen, die Hartz-IV-Empfänger sind. Wenn Herr Lipp damit einverstanden ist, weil er das ja auch meint, wie aus der Begründung hervorgeht, schlage ich vor, dass der geänderte Text lautet:

Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich die durch die Hartz-IV-Gesetze induzierten finanziellen Verluste in der ambulanten Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch geeignete Regelungen auszugleichen.

Die Frage ist, ob das die Bundesregierung allein tun kann. Vielleicht sollte man statt "die Bundesregierung" schreiben: "den Gesetzgeber". Das muss ja durch eine gesetzliche Maßnahme verändert werden. Ich nehme an, Herr Lipp ist einverstanden.

(Dr. Lipp, Sachsen: Ja!)

Anderenfalls sagt die Bundesregierung: Wir haben unser Bestes gegeben, aber das Parlament hat uns nicht unterstützt.

Wer möchte dem Antrag in dieser modifizierten Form zustimmen? - Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand? - Dann ist der Antrag in der geänderten Fassung angenommen.

© 2006, Bundesärztekammer.