Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Nunmehr kommen wir zum Antrag VII-44 von Herrn Dr. Lipp
aus Sachsen.
Der Deutsche Ärztetag lehnt weitere Aufnahmen von Leistungen
in den GKV-Katalog ohne finanziellen Ausgleich ab.
Herr Windhorst möchte sich zur Geschäftsordnung melden. Bitte.
Dr. Windhorst, Vorstand der Bundesärztekammer:
Ich möchte nicht nerven. Alles, was in dem Antrag steht, ist richtig. Wir
müssen uns dagegen wehren, in Sippenhaft genommen zu werden, wenn es um die
Bezahlung von neuen Leistungen geht. Das wollen wir nicht; das ist völlig klar.
Es wäre meiner Meinung nach aber schlecht, wenn wir die Initiatoren einer Rationierungsmedizin
wären. Das fände ich schlecht.
(Beifall)
Da der Antrag aber grundsätzlich nicht schlecht ist, möchte
ich ihn an den Vorstand überwiesen wissen, damit er nicht abgeschmettert wird,
weil er ja doch viel Wahrheit enthält.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön.
- Dazu eine Gegenrede. Bitte schön, Herr Lipp.
Dr. Lipp, Sachsen: Meine Damen und Herren! Ich
bitte Sie, über den Antrag abzustimmen und ihn nicht an den Vorstand zu
überweisen oder ihn abzulehnen. Der Antrag tangiert im Universum der ganzen
Abrechnungsproblematik und Finanzierungsproblematik die Anträge, die wir zur
Genüge hier positiv beschieden haben, zum Beispiel gestern den Antrag 1 c. Eben
wurde ja auch gesagt, dass der Antrag im Kern richtig ist.
Nun sagen Herr Windhorst und viele andere, das sei der Aufruf
zur Rationierung. Das ist nicht der Fall. Wir haben ja die Rationierung
bereits. 30 Prozent der Leistungen werden nicht bezahlt.
(Beifall)
Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade aus dem stationären
Sektor, eine stille Rationierung, die uns Ärzten aufgedrückt wird. Wir geben
den Patienten bestimmte Dinge nicht, weil wir sie nicht geben können oder die
Patienten bekommen eben keine Termine. Dann warten sie ein halbes Jahr oder ein
Dreivierteljahr. Das ist eine indirekte Rationierung, die Sie spüren, weil Ihre
Ambulanzen voll laufen.
Mit dem jetzigen Verfahren haben wir die Last der
Rationierung. Wenn Sie meinem Antrag stattgeben, sagen wir: Das, was jetzt
vorhanden ist, tun wir, aber jede neue Leistung, die kein Geld bringt,
erbringen wir nicht. Damit haben wir die Rationierung auf diejenigen
zurücküberwälzt, die es angeht, nämlich den Gesetzgeber und die Krankenkassen.
Es ist für uns niedergelassenen Ärzte eine unerträgliche Last, diese Rationierung
selber aushalten zu müssen.
(Beifall)
Mit diesem Antrag können wir es umkehren. Es ändert sich
nichts. Wenn ich diesen Packen an Leistungen nehme und es kommt etwas Neues
hinzu, dann wird die Rationierungspotenz der jetzigen Leistungen nur noch verstärkt,
weil das Geld weniger wird. Für den Patienten ist es letztendlich kein großer
Unterschied.
Sie können die Position der KBV stärken, wenn Sie dem Antrag
zustimmen. Wir haben in der Republik bereits eine Rationierung. Sie ist doch
nicht wegzureden. Aber es kann doch nicht sein, dass wir die Rationierung auf
unserem Buckel aushalten müssen. Das soll der Antrag ändern. Ich bitte Sie, dem
Antrag zuzustimmen.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. - Wir stimmen jetzt ab. Wer möchte den Antrag an den Vorstand überweisen?
- Wer möchte das nicht? - Das ist die Mehrheit. Ich frage also: Wer möchte den
Antrag befürworten? - Das ist die Mehrheit. Wer möchte das nicht? - Einige. Wer
enthält sich? - Einige Enthaltungen. Der Antrag ist mit klarer Mehrheit angenommen.
Damit kommen wir zum Antrag VII-46, der ebenfalls von
Herrn Dr. Lipp stammt:
Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf,
unverzüglich die durch die Hartz-IV-Gesetze induzierten finanziellen Verluste
durch geeignete Regelungen auszugleichen.
Herr Schirmer sagt, dass es angesichts der Begründung, die ja
nicht veröffentlicht wird, nützlich wäre, wenn aus der Begründung hinter den
Worten "finanziellen Verluste" ergänzt würde: "in der ambulanten Versorgung der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)". Damit ist klar, wo diese Verluste aufgeschlagen
sind, denn finanzielle Verluste haben natürlich auch diejenigen, die
Hartz-IV-Empfänger sind. Wenn Herr Lipp damit einverstanden ist, weil er das ja
auch meint, wie aus der Begründung hervorgeht, schlage ich vor, dass der
geänderte Text lautet:
Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf,
unverzüglich die durch die Hartz-IV-Gesetze induzierten finanziellen Verluste
in der ambulanten Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch
geeignete Regelungen auszugleichen.
Die Frage ist, ob das die Bundesregierung allein tun kann.
Vielleicht sollte man statt "die Bundesregierung" schreiben: "den Gesetzgeber".
Das muss ja durch eine gesetzliche Maßnahme verändert werden. Ich nehme an,
Herr Lipp ist einverstanden.
(Dr. Lipp, Sachsen: Ja!)
Anderenfalls sagt die Bundesregierung: Wir haben unser Bestes
gegeben, aber das Parlament hat uns nicht unterstützt.
Wer möchte dem Antrag in dieser modifizierten Form zustimmen?
- Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand? - Dann ist der Antrag in der
geänderten Fassung angenommen.
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