Dr. Andreas
Köhler, Vorsitzender des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Sehr geehrter Herr Professor Hoppe! Sehr geehrter
Herr Möller! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann nur
hoffen, dass Herr Zöller und Frau Ferner einen anderen Kabinettsentwurf haben
als denjenigen, den die Ärzteschaft kennt. Wenn das nicht der Fall ist, würde
ich das Verfahren, das wir eben erlebt haben, als das Verfahren des Müdehütens
beschreiben wollen. Aber wir sind keine Schafe, sondern wir müssen uns als Ärzteschaft
heute - deswegen ist dieser Tag so wichtig - wehren. Dieser Tag dient einzig
und allein einem Zweck - wir sollten uns nicht immer als Lobbyisten beschreien
lassen -: unsere Patienten vor diesem desaströsen Gesetz zu schützen.
(Beifall)
Wenn wir uns jetzt nicht wehren, werden in wenigen Jahren
unsere Patienten fragen, warum wir dieses Gesetz nicht verhindert haben. Die
Schuld für die Rationierung - und dieses Gesetz bringt Rationierungen - wird
wieder einmal bei den Ärzten abgeladen werden.
Dieses Gesetz legt die Axt an die Wurzel einer guten
Versorgung. Es gleicht einem Frontalangriff auf unser Selbstverständnis als
Ärzte und es stellt unsere Würde infrage.
(Beifall)
Es ist ein gigantisches Arztvernichtungsprogramm. Es wird am
Ende von einer guten Versorgung nicht mehr viel übrig bleiben. Das dürfen wir
nicht zulassen. Jeder Arzt muss sich jetzt wehren, genauso wie es die Organisationen
tun, sonst wird es zu spät sein.
Mit diesem Gesetz erreicht die Politik genau das Gegenteil
dessen, was sie als Ziel vorgibt. Auch wir wollen mehr sinnvollen Wettbewerb
und nicht weniger. Aber was tut diese Regierung? Sie schafft einen Kasseneinheitsverband,
sie legt die Beitragssätze selbst fest und sie deckelt die geplanten
Zusatzbeiträge bei 1 Prozent des Bruttohaushaltseinkommens. Sie verbehördlicht
die gemeinsame Selbstverwaltung. Sie schaltet sehr wohl die private und die
gesetzliche Krankenversicherung gleich. Sie schließt die KVen als wichtigsten
Anbieter ambulanter ärztlicher Leistungen willkürlich aus dem Bereich der
selektiven Verträge aus.
Sie wird die gesamte ambulante Versorgung in zwei Sektoren
gliedern: in einen starren, weitgehend staatlichen Vorgaben unterliegenden, mit
dem Kollektivvertrag geregelten Bereich und in den Bereich der Sonderverträge.
Sie zerstört damit das heutige pluralistische ambulante Versorgungssystem. Das
ist doch der direkte Weg in die Staatsmedizin! Warum will man uns etwas anderes
weismachen?
Es ist absurd, das unter dem Namen Wettbewerbsstärkungsgesetz
zu tun. Es ist das genaue Gegenteil: Es ist ein Staatsmedizineinführungsgesetz.
(Beifall)
Es lässt nicht nur die Ärzte, sondern auch die Patienten im
Stich. Anstatt den sinnvollen Wettbewerb zu stärken und uns eine angemessene
Vergütung für die ärztlichen Leistungen zu garantieren, wird die
Unterfinanzierung zementiert, wird die Budgetierung weitergeführt und wir
werden eine nie gekannte Rationierung erleben.
Darunter werden am meisten die Patienten leiden.
(Beifall)
Diese Regierung wird hoch qualifizierte Ärzte erfolgreich aus
Deutschland vertreiben.
(Beifall)
Morgen einen Termin beim Hausarzt? Nächste Woche einen beim
Spezialisten? - Das wird in Deutschland bald der Vergangenheit angehören.
Wohnortnahe Versorgung? - Vergessen Sie es. Gleicher Zugang zu Leistungen des
GKV-Leistungskatalogs? - Das wird einmal gewesen sein. Alle anerkannten
medizinischen Leistungen auf Kassenkosten? - Das wird nicht mehr bezahlt werden.
Das ist ein Horrorszenario. Aber es wird Wirklichkeit werden,
wenn dieser Gesetzentwurf so beschlossen wird.
(Beifall)
Denn er zementiert die unerträgliche Unterfinanzierung im
ambulanten Bereich. Hier wurde eben von 10 Milliarden Euro gesprochen. Weiß
diese Regierung nicht, dass seit 1994 eine Preisentwicklung von 29,4 Prozent
stattgefunden hat und kein einziger deutscher Vertragsarzt diese 29,4 Prozent
jemals bedient bekommen hat? Das hat er aus seinen Erträgen finanziert. Und
dieses Geld müssen wir fordern - für die Vergangenheit.
(Beifall)
In den nächsten zwei Jahren wird nicht mehr Geld in die
ambulante Behandlung fließen. Danach wird ein Aufsatzwert für die
Weiterentwicklung festgeschrieben, von dem wir schon heute wissen, dass er um
ein Drittel zu niedrig liegt. So viel Morbidität kann es gar nicht geben, dass
irgendjemand in diesem Raum erlebt, dass wir angemessene Preise bekommen. Wir
werden um ein Drittel zu niedrig starten.
Ich bleibe dabei: Durch die Gleichschaltung der PKV werden uns
sogar noch 2,1 Milliarden Euro pro Jahr entzogen. Wir werden also nicht
mehr, sondern weniger Geld haben. Dieser Honorarverlust bedeutet übrigens für
jeden Vertragsarzt einen jährlichen Ertragsverlust von durchschnittlich
22 600 Euro. Die Kosten in den Praxen bleiben aber gleich hoch, denn die
Patienten werden weiterhin versorgt werden müssen. Das ist ein
Arztvernichtungsprogramm und nichts anderes!
(Beifall)
Ich weiß heute nicht, wie viele Arztpraxen pleitegehen werden,
aber es werden viele sein. Diejenigen, die überleben, müssen Kosten sparen. Was
bedeutet das für die Versorgung? Wir werden keine Investitionen mehr in
medizinische Geräte machen können. Wir werden massenweise Praxispersonal
entlassen müssen und es wird eine Altersarmut für Ärzte geben. Vor allem aber
wird es Leistungskürzungen bei den Patienten geben.
Und danach? Gibt es denn mit der versprochenen
Euro-Gebührenordnung eine echte Aussicht auf Besserung? Mit Sicherheit nicht,
denn diese Gebührenordnung steht unter einem Kreuzfeuerbeschuss aus vielfältigen
Budgetierungsmaßnahmen. Zunächst einmal wird die Berechnungsformel für die
erstmalige Festlegung des bundesweiten Orientierungswertes die heutige
Unterfinanzierung zementieren. Damit wird die Logik einer Euro-Gebührenordnung
vollständig zerstört. Die Kalkulationsgrundlage wird willkürlich und hat mit
Betriebswirtschaft überhaupt nichts mehr zu tun.
Zum Zweiten wird durch die Pauschalierung die Leistungsmenge
wirksam begrenzt. Flankiert von einer fixkostenbezogenen Abstaffelungsregelung,
wäre damit eine sinnvolle Mengensteuerung innerhalb der Gebührenordnung möglich
gewesen. Das haben wir auch unterstützt. Deswegen lehne ich die Kritik ab,
wonach wir immer denken, der Himmel sei nach oben offen. Wenn Sie eine fixkostenbezogene
Abstaffelung wollen, brauchen Sie erst einmal betriebswirtschaftlich sauber
kalkulierte Werte. Diese wird es mit den Orientierungswerten nicht geben.
Drittens werden die Preise nochmals abgestaffelt, nämlich
durch ein arztbezogenes Regelleistungsvolumen. Wenn Sie das überschreiten,
bekommen Sie noch weniger Geld für Ihre Leistungen. Das ist nicht kompatibel
mit einer fixkostenorientierten Abstaffelung. Es ist auch technisch nicht
nachvollziehbar, warum zum Beispiel die Erhöhung der Arztzahl dazu führt, dass
ein Arzt für dieselbe Leistung ohne sachliche Begründung nochmals weniger Geld
bekommt.
Viertens. Die Versichertenpauschalen bzw. die Grundpauschalen
werden zusätzlich gekürzt, wenn ein Versicherter innerhalb des Quartals den
Arzt wechselt. Damit wird der Arzt für das Verhalten seines Patienten bestraft,
das er selbst nicht steuern kann. Wenn der Gesetzgeber das verhindern will,
muss er bei dem ansetzen, der das auch kann: beim Versicherten.
Fünftens. Als weiteres Budget kommt die Bestimmung hinzu, dass
Zuschläge zur Förderung der Niederlassung von Ärzten in unterversorgten
Gebieten aus Abschlägen in überversorgten Gebieten bezahlt werden sollen. Was
jetzt? Entweder es gibt zu wenig Geld für Zuschläge oder die Vergütungen von
Praxen in überversorgten Gebieten sinken, gegebenenfalls sogar unter die
Kostendeckung. Das ist paradox!
Sechstens. Es gibt weiterhin eine Gesamtvergütung, ein Budget.
Jede Krankenkasse legt vor Ort prospektiv eine Punktzahlmenge fest, die mit dem
vereinbarten Preis zu bezahlen ist - natürlich unter den genannten
Abstaffelungsregelungen. Eine zusätzliche Vergütung durch die Krankenkassen
gibt es nur unter extrem restriktiven Kriterien. Steigt die Zahl der
Versicherten oder die Morbidität nach anderen als den festgelegten Kriterien
der Kasse unterjährig, muss die KV zahlen. Deswegen ist das Morbiditätsrisiko
definitiv nicht verlagert. Die KV hat das Geld aber gar nicht. Sollen die KVen
Schulden machen? Sollen sie weniger als den vereinbarten Preis zahlen, damit
sie Rücklagen bilden können? Oder zahlen sie zum Quartalsende weniger aus als
vereinbart? Meine Damen und Herren, das ist der Fortbestand des Budgets und
nichts anderes.
Es ist das Gegenteil einer nachvollziehbaren und transparenten
Gebührenordnung. Das können Sie niemandem mehr erklären. Wir wollten, dass grundsätzlich
überall in Deutschland die gleiche medizinische Leistung die gleiche Vergütung
auslöst. Dabei müssen natürlich regionale Besonderheiten berücksichtigt werden.
Aber was wir mit dieser Gebührenordnung bekämen, wäre ein völlig
undurchsichtiger Preis für Leistungen, die sogar im gleichen Fachgebiet und in
der gleichen KV stark voneinander abweichen würden, und zwar nicht aus
sachlichen Gründen, sondern aus Gründen der Budgetierung, der Kostendämpfung
und der Rationierung. Das ist völlig inakzeptabel!
Wir möchten die Politiker an ihre Zusage erinnern dürfen:
Abschaffung des Budgets, Kalkulationssicherheit, klare und transparente
Regelungen. Erinnern Sie sich noch an die Aussagen der Ministerin anlässlich
des Deutschen Ärztetages in Magdeburg? Sie hat uns aufgefordert, in diesem Jahr
ein eigenes Vergütungskonzept vorzulegen. Das haben wir getan. Wir haben ein
Konzept vorgelegt, das diese Bedingungen durchaus erfüllt hat. Die Politik hat
es nicht aufgegriffen. Zumindest ich fühle mich von dieser Ministerin getäuscht
und Sie sollten das endlich auch tun!
(Beifall)
Retten Sie eine gute Versorgung! Ich kann als Fazit nur
feststellen: Wenn der Gesetzentwurf so bleibt, können und werden wir ihn nicht
umsetzen, auch wenn dies das Aus für die ärztliche Selbstverwaltung bedeutet.
(Beifall - Zurufe: Bravo!)
Wir werden doch sowieso langsam als Kassenärztliche
Vereinigungen entmachtet und können die Rechte der Ärzte nicht mehr wahrnehmen.
Nur: Wem wird denn dann die Schuld in die Schuhe geschoben,
wenn wir nicht mehr da sind? Den Krankenkassen? Der Politik? Traurig ist, dass
das Ganze am Patienten ausgelassen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht nur die
Rationierung ärztlicher Leistungen durch undurchsichtige Dumpingpreise, es ist
auch die Zerstörung einer funktionierenden, dem Patientenschutz dienenden
Versorgungsstruktur, gegen die wir uns zur Wehr setzen müssen.
(Beifall)
Die gemeinsame Selbstverwaltung wird doch entmündigt. Der
Gemeinsame Bundesausschuss wird hauptamtlich besetzt und unter Kuratel gestellt.
Es entzieht sich meinem Verständnis, wenn Frau Ferner hier ausgeführt hat, es
werde noch eine gemeinsame Selbstverwaltung geben. Der Bewertungsausschuss und
das Institut des Bewertungsausschusses müssen dem Bundesgesundheitsministerium
in allem und jedem Rechenschaft ablegen. Wenn dem Ministerium eine Entscheidung
nicht passt, gibt es eine Ersatzvornahme. Wenn die gemeinsame Selbstverwaltung
nicht kuscht, droht die Abschaffung. Dazu sage ich ganz klar: Wir werden
einfach nicht kuschen. Sollen sie uns doch abschaffen!
(Beifall)
Wenn die Regierung die gemeinsame Selbstverwaltung nicht mehr
will, dann muss sie das auch offen sagen und die Verantwortung für die oft
unangenehmen Entscheidungen selbst übernehmen.
(Beifall)
Denn als bloße Sündenböcke stehen wir auf gar keinen Fall zur
Verfügung! Ich hoffe, dass von diesem Ärztetag ein entsprechendes Signal
ausgeht.
Nichts anderes als Sündenböcke wären wir - mit einem großen
Unterschied: Sündenböcke zahlen normalerweise nicht für ihre Funktion! Wir
dagegen müssen das tun.
Zentralisierung und staatliche Einflussnahme werden zukünftig
aber nicht nur in der gemeinsamen Selbstverwaltung stattfinden. Sie treffen
zuallererst die Spitzenverbände der Krankenkassen; denn mit dem neuen
Krankenkasseneinheitsverband, der ja in diesem Staatssektor wirken wird, ist
jedem Wettbewerb ein Ende gesetzt. Die Einheitskollektivverträge unterliegen
den ganzen Budgetierungsregelungen. In diesem verstaatlichtem Sektor gibt es
keine Gestaltungsspielräume mehr. Alles wird festgelegt, festgezurrt,
festgenagelt.
In dem anderen Sektor, dem Sektor der Sonderverträge, ist das
nicht der Fall. Hier haben Krankenkassen Gestaltungsspielräume. Sie können von
den stringenten Begrenzungen abweichen. Sie können die Regelungen zur
Qualitätssicherung disponibel gestalten. Aber sie werden eines nicht können -
das müssen wir den Ärzten sagen -: in diesem Sektor insgesamt mehr Geld zur
Verfügung stellen, denn das unterliegt ja einem staatlichen Globalbudget.
Vertragspartner in diesen selektiven Bereichen können
Berufsverbände, Managementgesellschaften, Krankenhausträger und Netzwerke sein
- nur einer nicht: Die KVen dürfen in diesem Wettbewerbssektor nicht
Vertragspartner sein. Einzige Ausnahme sind Verträge für die besondere
ambulante Versorgung.
Aber das ist nicht ausreichend.
Nicht einmal von den KVen gegründete
Dienstleistungsgesellschaften dürfen Vertragspartner sein. Man schließt uns aus
diesem Wettbewerb aus, obwohl wir ein wesentlicher Anbieter sind. Das wird
schädlich für die Versorgung sein. Es fördert den Wettbewerb nicht, es wird ihn
behindern.
Neben den Verbänden werden sich als Vertragspartner vor allem
gewinnorientierte Unternehmen anbieten. Denken Sie an Gesundheitsunternehmen
und große Klinikketten. MVZ-Ketten werden so entstehen, die den freiberuflich
tätigen niedergelassenen Ärzten ganze Patientengruppen abwerben werden. Das
wird die Freiberuflichkeit auf Dauer aushöhlen und der flächendeckenden Versorgung
schaden.
In einer solchen neuen Welt werden Versicherte nicht mehr
jeden Arzt ihrer Wahl aufsuchen können. Sie müssen sich vorher erkundigen -
Herr Hoppe hat das bereits ausgeführt; er hat es noch erlebt, ich nicht -, ob
der gewählte Arzt am jeweiligen selektiven Vertrag mit ihrer Krankenkasse
teilnimmt. Einen gleichen Zugang zu Leistungen gibt es nicht mehr. Die viel
gescholtene Zweiklassenmedizin wird mit diesem Gesetz nicht behoben, sondern
verschlimmert.
(Beifall)
An unattraktiven Standorten wird es zu Versorgungsengpässen
kommen, die der Staatssektor auffangen muss. Deshalb und nur deshalb steht der
Sicherstellungsauftrag noch im Gesetz. Das kann aber dauerhaft nicht
funktionieren, denn mit dieser neuen Versorgungsstruktur ist die
Sicherstellung, wie wir sie kennen, tot.
Die Ideologie des Arbeitsentwurfs sieht doch vor, dass ein
immer größer werdender Teil der ambulanten Versorgung in Einzelverträgen
geregelt wird. Gleichzeitig fließen die Geldmittel für diesen neuen
Versorgungsbereich aus dem Staatssektor in den Sektor der Sonderverträge. Mit
dem hat die KV nichts mehr zu tun. Sie hat auch nicht mehr die finanziellen
Reserven, um den Sicherstellungsauftrag und andere Aufgaben zu erfüllen.
Meine Damen und Herren, wir sind als KVen aus dem Geschäft,
wir sind Lumpensammler, wenn der andere Bereich nicht mehr funktioniert. Dann
sollen doch die Gesundheitspolitiker, die jetzt leider alle abwesend sind, so
ehrlich sein, dies auch zu sagen! Wir haben die Pflicht, der Bevölkerung zu
sagen, dass wir unter diesen Bedingungen nicht mehr sicherstellen können. Das
ist das erwähnte Liquidationsprogramm der Kassenärztlichen Vereinigungen und
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung! Wir werden keine Ärzte haben und wir
werden kein Geld haben zur Sicherstellung, denn wenn von der Gesamtvergütung
maßgebliche Geldmittel weggehen, können wir keine entsprechenden
Verwaltungskosten erheben.
Das Ergebnis eines solchen sogenannten Wettbewerbs ist, dass
die kollektivvertragliche Versorgung nur noch eine Rückfallversicherung für
unattraktive Regionen und Versorgungsbereiche ist. Das hält sie auf Dauer nicht
aus, sie wird kollabieren. Der Staat hat die Zwischenzeit genutzt und seine
Regulierungsbehörden geschaffen. Diese werden immer mehr die Steuerung der Versorgung
durch immer restriktivere Vorgaben übernehmen. Am Ende steht eine
Zuteilungsmedizin, in der Ärzte in der Behandlung ihrer Patienten keinen Spielraum
mehr haben. Wartelisten und Zugangshürden sowie Unterversorgung werden die
Folge sein. Das ist Ideologie und nichts anderes. Ich frage mich, ob die
CDU/CSU pennt, wenn sie das nicht erkennt.
(Beifall)
Das unabhängige freiberufliche Element wird abgeschafft.
Angestellte Ärzte sind die Zielvorstellung. Das ist die Entmündigung des freien
Arztberufes!
(Beifall)
Wir müssen als KV-System Alternativen aufzeigen. Wir müssen
nicht nur das Schlimmste verhindern, sondern wir müssen alles daran setzen,
dass dieses "Staatsmedizin-Einführungsgesetz" nicht kommt. Unsere Konzepte dazu
haben wir entwickelt. Wir möchten ein Wettbewerbskonzept. Wir wollen faire
Wettbewerbsbedingungen, welche die positiven Effekte des Wettbewerbs nutzen und
gleichzeitig den Patientenschutz gewährleisten. Wir haben die Vorstellung eines
flexiblen und modernen Kollektivvertrags entwickelt. Dazu ist es aber notwendig,
dass wir als KVen in diesen Einzelverträgen Vertragspartner sein können. Das
müssen nicht nur die KVen sein; auch andere Partner können solche Verträge
abschließen. Wir würden uns diesem Wettbewerb stellen. Dazu brauchen wir aber
eine Vertragsgebührenordnung mit festen, betriebswirtschaftlich kalkulierten
Preisen ohne Budget, denn nur dann wird man tatsächlich einen Wettbewerb um
Versorgungsqualität entwickeln können. Nur dann wird jeder Versicherte in
Deutschland weiterhin Zugang zu einer solchen Versorgung haben.
Diese Forderungen sind platziert. Niemand soll sagen, dass
diese Forderungen nicht platziert sind. Sie entsprechen mehr den Eckpunkten,
als es der Kabinettsentwurf tut. Das sagt schon alles über diesen
Kabinettsentwurf aus.
Ich will wiederholen, was ich in unserer Vertreterversammlung
gesagt habe: Wenn sich das Gesetz an den zentralen Punkten Vertragssystematik
und Honorarordnung nicht verändert, werden die KBV und die KVen es nicht
umsetzen! Wir würden nämlich, wenn wir es umsetzten, unseren Mitgliedern
schaden.
(Beifall)
Wir würden eine immer noch gute Versorgung vollständig zerstören.
Deshalb ziehe ich es ganz entschieden vor, die Schmutzarbeit von den
Verursachern direkt erledigen zu lassen.
(Beifall)
Unsere Konzepte liegen vor. Es liegt an der Politik, dieses
Angebot anzunehmen. Wenn nicht, werden wir uns gegen dieses Gesetz wehren. Wir
haben ein ganzes Arsenal wirksamer Mittel. Das Entscheidende für mich ist - das
sollten wir uns alle merken -: Am Ende wird der Patient immer vom Arzt
behandelt und nicht von den Politikern.
Vielen Dank.
(Anhaltender lebhafter Beifall - Die Delegierten
erheben sich)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident
der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages: Vielen Dank, Herr Dr.
Köhler, für diese klaren Worte, die, glaube ich, sehr wichtig waren. Wir müssen
sie unbedingt in die Fraktionen transportieren. Sie dürfen nicht ungehört
bleiben; denn die politischen Entscheidungen, die jetzt noch getroffen werden,
müssen immer unter dem Eindruck dieser Ankündigungen gefällt werden. Jeder muss
wissen, was er da verantworten kann.
Herzlichen Dank.
(Beifall)
Meine Damen und Herren, ebenso wie 2003 wollen wir nicht nur
Politiker und die beiden körperschaftlichen Organisationen zu Wort kommen
lassen, sondern auch die Vertreter anderer ärztlicher Verbände, anderer
Gesundheitsberufe, der Patienten sowie der gesetzlichen Krankenversicherung.
Deswegen wollen wir jetzt noch sechs Redebeiträge von je fünf Minuten Dauer
hören und dann in die Mittagspause eintreten. Bevor wir die Diskussion
beginnen, werden wir die Papiere austeilen, die Ihnen zur Entscheidung
vorgelegt werden sollen.
Das Wort hat jetzt Herr Dr. Maximilian Zollner als Sprecher
der Allianz Deutscher Ärzteverbände. Bitte sehr, Herr Kollege Zollner.
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