Dr. Maximilian Zollner, Sprecher der Allianz
Deutscher Ärzteverbände: Herr Präsident Jörg Hoppe! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es ist jetzt gut ein Jahr her, dass die Große Koalition eine
Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel gebildet hat. Es ist gut ein Jahr her,
dass die alte und neue Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ihr Amt antrat.
Und ebenso lange ist es her, dass sich die ärztlichen Verbände mit teils
unterschiedlichen Ansätzen, Zielen und Interessen zusammenschlossen, um die
größten Proteste der niedergelassenen Ärzteschaft zu organisieren, die diese
Republik je gesehen hat.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Da gibt es einen
Zusammenhang! Seit Herbst letzten Jahres gingen über 100 000 Ärztinnen und
Ärzte auf die Straße, zuletzt in Nürnberg über 5 000 Hausärzte aus der
Region. Die Praxisärzte protestieren gegen den Weg in die Staatsmedizin, gegen
die Ausweitung einer Zuteilungsmedizin, gegen Rationierung und drohende
Wartelisten, also gegen die Gesundheitspolitik der Großen Koalition.
Das renommierte Kölner Institut der deutschen Wirtschaft sagt:
Unterm Strich wird die Reform den Wettbewerb im Gesundheitswesen weiter
bremsen, statt ihn anzutreiben. Die führenden deutschen
Wirtschaftsforschungsinstitute haben in ihrem Herbstgutachten letzte Woche ein
vernichtendes Urteil über die Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik der
Regierung gefällt. Herr Westerwelle hat die entsprechenden Sätze bereits
zitiert. Sie plädieren für einen Systemwechsel in der Gesundheitsvorsorge, der
es den Bürgern mehr als bisher überlasse, die Entscheidungen über Art und
Umfang der Versicherung selbst zu fällen.
Krankenkassen, Patientenverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeber
und die Ärzteschaft - jede gesellschaftliche Gruppierung hält diese
Gesundheitsreform für falsch, ihre Folgen für fatal.
Meine Damen und Herren, es gehört schon viel Mut dazu, einen
falschen Weg einzuschlagen, während alle links und rechts des Weges unisono
davor warnen. Aber nicht umzukehren, von vorne zu beginnen, ehe alles zu spät
ist, das ist töricht!
Wenn nun all diejenigen, die eine Umkehr fordern, nassforsch
als Lobbyisten bezeichnet werden, die egozentrisch Interessen vertreten, dann
muss einmal Folgendes klargestellt werden: Wir sind keine Lobbyisten, die sich
in dunklen Hinterzimmern herumtreiben. Wir sind Ärzte, die diesen Murks
gemeinsam mit den Patienten ausbaden müssen. Wir müssen uns vor Ort mit den
Kranken auseinandersetzen, was der Staat noch zu zahlen bereit ist und was
nicht.
Wir als Ärzte sind Teil dieses Gesundheitswesens, wir sind die
Akteure. Es ist unser Recht und es ist vor allem unsere Pflicht, uns einzumischen.
Nicht die Lobbyisten sind das Problem, sondern die Arroganz der Macht, die
Arroganz dieser Großen Koalition.
(Beifall)
Unser Präsident Jörg-Dietrich Hoppe hat die Politik
aufgefordert: Drücken Sie die Resettaste, fangen Sie von vorne an. Das ist die
einhellige Meinung aller Ärzte in Deutschland.
Im Irland des 19. Jahrhunderts gab es einen Gutsverwalter in
der irischen Grafschaft Mayo, der als übler Menschenschinder bekannt war. Seine
Bauern, die das Land in Pacht bewirtschafteten, weigerten sich daraufhin, den
Pachtzins zu zahlen. Sie schlossen sich in der Irischen Landliga zusammen,
niemand arbeitete mehr für ihn, niemand kaufte seine Waren und niemand
verkaufte die Ernte an ihn. Der Name des verhassten Gutsverwalters: Charles
Cunningham Boycott. Er musste schließlich kapitulieren und auswandern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir sind zu einem Boykott
dieser Gesundheitsreform bereit! Das Beispiel der irischen Landarbeiter zeigt,
dass wir die Dinge verändern können, wenn wir geschlossen auftreten.
(Beifall)
Die Proteste der letzten Monate haben deutlich gemacht: Wir
sind uns einig, wenn das Gesundheitssystem in Gefahr ist. Wir hatten
Demonstrationen und Praxisschließungen, wir werden neue und effektivere
Methoden des Protestes finden. Beispielsweise können wir die Praxisschließungen
flächendeckend ausweiten oder punktuell durchführen. Da sind der Fantasie keine
Grenzen gesetzt.
Die jüngste Zeit hat auch gezeigt: Die deutsche Ärzteschaft
hat Fantasie! Nutzen wir diese und zwingen wir die Politik, diesen
Gesundheitsmurks endgültig einzustampfen!
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident
der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages: Vielen Dank, Herr Dr.
Zollner. - Als nächster Redner bitte Herr Kollege Kötzle als Bundesvorsitzender
des Deutschen Hausärzteverbandes.
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