Statements

Dienstag, 24. Oktober 2006, Vormittagssitzung

Ulrich Boltz, 1. stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Organtransplantierten
e. V.:
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Sie gehört haben: Ich heiße Ulrich Boltz und bin vom Bundesverband der Organtransplantierten. Ich bin also das, was man gemeinhin als Chroniker bezeichnet, und so ist das Gesundheitswesen für mich kein abstrakter Begriff, sondern Realität. Ich vertraue deshalb auf die Solidarität der Versichertengemeinschaft und ich vertraue auch ganz maßgeblich auf die Qualität ärztlicher Behandlung.

Wir Patienten brauchen dieses Vertrauen, um den Kampf gegen unsere Krankheit und unsere Schmerzen aufnehmen zu können.

(Beifall)

Für uns ist es unverzichtbar, gemeinsam mit dem Arzt den richtigen Weg für die Behandlung zu finden. Dem einen oder anderen mag das selbstverständlich erscheinen; als Patienten aber haben wir die große Sorge, dass mit dieser Reform die Individualität des Arzt-Patient-Verhältnisses auf Dauer ausgehebelt wird.

(Beifall)

Wir fürchten, künftig nach Schema F behandelt zu werden, wenn immer weniger Geld für unsere Versorgung bereitgestellt wird.

Meine Damen und Herren, wir wollen nicht zu Bittstellern degradiert werden, wir wollen keine Billigmedizin und wir wollen auch keine Wartelistenmedizin in den Krankenhäusern. Die Bundeskanzlerin hat uns zunächst auch Mut gemacht, dass diese Reform eine Reform für die Versicherten sein soll. Ich zitiere:

Diese Reform ist für die Versicherten. Der Bürger wird sicher sein können, dass er in Zukunft die medizinischen Leistungen bekommt - egal wo er in Deutschland wohnt, egal wie viel er verdient - und am medizinischen Fortschritt teilhaben kann.

Wenn wir aber nun eine Einheitsversicherung bekommen und der Staat den Beitragssatz festlegt, dann ist schon jetzt klar, zu wessen Lasten diese Reform gehen wird, nämlich zulasten der sozial Schwachen und der chronisch Kranken.

(Beifall)

Wir fürchten diesen schleichenden Leistungsabbau und wir sind sehr besorgt, dass der medizinische Fortschritt de facto eingefroren wird. Darüber kann auch die wochenlange Diskussion über die Höhe der Zusatzprämie nicht hinwegtäuschen.

Fakt ist doch, dass der Gemeinsame Bundesausschuss immer häufiger Leistungen streichen wird und dass wir so in die Zweiklassenmedizin abgleiten, dass wir als Patienten also nur noch abgespeist werden mit Therapien zweiter Wahl.

Wir fühlen uns mehr und mehr als Kostenfaktor, der die Stabilität des Beitragssatzes in Gefahr bringt.

Wissen Sie, meine Damen und Herren, das mag sich polemisch anhören, aber ich sage ganz offen und ehrlich: Es ist kein schönes Gefühl, so an den Rand gedrängt zu werden.

Sie kennen ja das Bild vom Patienten, der im Mittelpunkt, aber damit allen im Weg steht.

(Beifall)

Das "GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz" scheint dieses Prinzip aufgenommen zu haben, denn einen Wettbewerb zumindest um Patienten vermag ich darin nicht zu erkennen. Ich sehe weniger Finanzmittel und mehr Bürokratie durch den Gesundheitsfonds, ich sehe weniger Therapiefreiheit, aber mehr Leistungsausgrenzungen.

Diese Gesundheitsreform ist sicher keine patientengerechte Reform. Und deshalb stehen wir an der Seite der Ärzte, wenn es darum geht, unser Gesundheitswesen vor diesem Kahlschlag zu bewahren.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages: Vielen Dank, Herr Boltz. - Wie vorhin schon gesagt: Last but not least spricht nun Herr Professor Dr. Klusen als Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Bitte schön, Herr Professor Klusen.

© Bundesärztekammer 2006