Veelken, Berlin: Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Warum wurde diese Gesundheitsreform ohne ärztlichen
Sachverstand geschrieben? So lautete heute Morgen eine Frage. Ich glaube, eine
der Grundantworten lautet: Die Politiker wissen selbst, dass diese Reform so
nicht durchgehen wird, und zwar nicht nur wegen unseres Protestes; deswegen am
allerwenigsten. Die Einführung des Gesundheitsfonds ist auf 2009 - das ist das
Jahr der nächsten Bundestagswahl - festgeschrieben. Frau Ferner und Herr Zöller
haben heute Morgen gesagt: Wir konnten uns in der Koalition nicht einigen, wir
gehen jetzt auf Warteposition, um nach der nächsten Bundestagswahl unsere reine
Lehre in die eine oder andere Richtung durchzusetzen.
Durch dieses Gesetz wird die Selbstverwaltung beschädigt. Das
hat Herr Köhler heute Morgen sehr gut ausgeführt. Im Endeffekt ist ein solches
Vorgehen zynisch. Ein Grundproblem, das man identifiziert hat, wird vier Jahre
vertagt, weil man sich nicht einigen kann. Man nimmt die Beschädigung der
Selbstverwaltung, gegen die ich weiß Gott manchmal etwas zu sagen habe, in
Kauf, um vier Jahre später etwas in die eine oder andere Richtung
durchzudrücken.
Die Opposition ist nicht viel besser. Frau Künast hat eine
routinierte und unterhaltsame Rede gehalten. Viel mehr war es nicht. Ich hatte
das Gefühl, dass Herr Westerwelle froh ist, dass er das im Moment nicht
entscheiden muss.
Wie kommt es, dass man auf diese Art und Weise politisch durchkommt,
dass Frau Schmidt jedes Mal, sobald ein Arzt in halbwegs offizieller Position
Stellung nimmt, sagen kann, wir würden Lobbyisteninteressen vertreten? Es ist
den Politikern gelungen, dafür zu sorgen, dass man uns in der öffentlichen
Wahrnehmung unterstellt, dass wir, wenn wir von den Patienten reden, uns selber
meinen. Diese Entwicklung teile ich nicht, aber sie hat sich in der
öffentlichen Wahrnehmung in den letzten Jahren weit verbreitet. Ohne diese
Entwicklung hätten wir es deutlich leichter.
Für die Zukunft bedeutet dies, dass wir aufpassen müssen, dass
dieser Eindruck nicht entsteht. Man muss ausgesprochen vorsichtig sein, wenn
man sich öffentlich äußert, dass man wirklich im Sinne der Patienten spricht.
Was uns im Moment retten kann, sind nicht 10 000 Ärzte
vor dem Gesundheitsministerium in Berlin - dort haben sie gar keinen Platz,
weil die Straßen zu eng sind -, sondern die Patienten müssen vor dem
Gesundheitsministerium sitzen. Uns wird auf absehbare Zeit keiner mehr glauben.
Dieser Ausblick ist zwar ziemlich gloomy, aber so ist es im Moment.
Danke.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident
der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages: Vielen Dank. Ganz so
pessimistisch bin ich nicht. Der Versuch, den Ärzten diese Position
zuzuschieben, ist keine deutsche Eigenart. Wer viel im Ausland herumkommt, wird
wissen: Das ist in allen Ländern der Welt so. Der Neidkomplex spielt überall
eine gewisse Rolle. Man weiß: Wenn man auf diesem Klavier spielt, ist zunächst
einmal emotional eine gewisse Resonanz zu erzeugen. Wenn es ans Nachdenken
geht, verflüchtigt sich das wieder oder verliert zumindest an Bedeutung. Das
ist eine echte Kärrnerarbeit oder eine Sisyphusarbeit, wie man fast sagen kann.
Der nächste Redner ist Herr Rudolf Henke.
|