Ulla Schmidt, MdB, Bundesministerin für Gesundheit:
Sehr geehrter Herr Professor Hoppe! Lieber Herr Dr. Windhorst! Meine lieben
Ehrengäste! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gerade gesagt: Herrn
Windhorst gebührt Dank dafür, dass er den Deutschen Ärztetag so in Schwung
bringt. Das erleben wir nicht bei jedem Deutschen Ärztetag, dass so viel
Temperament vorhanden ist.
(Beifall)
Lassen Sie mich zunächst einmal von dieser Stelle aus der
heutigen Trägerin und den heutigen Trägern der Paracelsus-Medaille meine
Glückwünsche aussprechen und ihnen für die Arbeit danken, die sie bisher
geleistet haben. Wir alle wissen, dass heute vieles ohne die viele auch
ehrenamtliche Arbeit, die manchmal auch von denen, die professionell in den Einrichtungen
der Selbstverwaltung tätig sind, geleistet wird, gar nicht möglich wäre.
Deswegen herzlichen Dank.
Herr Müller-Oerlinghausen, Sie waren nicht frech, sondern Sie
waren so, wie wir Sie alle kennen: ehrlich und nie von der Furcht beseelt,
irgendwo auch einmal ein falsches Wort zu sagen. Auch dafür herzlichen Dank.
Ich möchte heute auch noch einem anderen danken, nämlich Herrn
Professor Hoppe. Wir haben manchmal heftige Diskussionen, manchmal weniger
heftige. Aber für eines möchte ich Ihnen danken, Herr Professor Hoppe: dass wir
heute auf dem 110. Deutschen Ärztetag im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung den
Forschungspreis verleihen konnten, als Ergebnis der Tatsache, dass die deutsche
Ärzteschaft als Ganzes sagt: Wir wollen aufarbeiten, was gewesen ist, um
gemeinsam dafür zu sorgen, dass so etwas nicht wieder geschieht. Dafür gebührt
Ihnen auch persönlich Dank, denn es ist auch Ihr Engagement gewesen, dass es so
weit gekommen ist. Herzlichen Dank!
(Beifall)
Meine Damen und Herren, der Deutsche Ärztetag beschäftigt sich
in diesem Jahr mit Themen, die für unsere Gesellschaft von ganz hoher Bedeutung
sind, so beispielsweise mit der Kinder- und Jugendmedizin. Die Diskussionen
über übergewichtige und über magersüchtige Kinder, über Vernachlässigungen und psychische
Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen sind in den Medien zwar oft
überzeichnet, aber wir wissen alle, dass es sich hier auch um eine Realität in
unserer Gesellschaft handelt. Wir wissen, dass dringender Handlungsbedarf
besteht.
Wir wissen das nicht erst
seit dem Ersten Kinder- und Jugendsurvey des Robert-Koch-Instituts. Diese
Studie zeigt uns noch einmal genau, wo die Probleme besonders dringlich sind,
etwa bei chronischen Erkrankungen, bei psychischen Störungen. Die Studie zeigt
uns, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien und Kinder aus
Migrantenfamilien besonders häufig betroffen sind. Wir brauchen dringend
zusätzliche Maßnahmen im Bereich der gezielten Prävention, der Information der
Bevölkerung, der Vorsorgeuntersuchung für Kinder und Jugendliche, sodass
rechtzeitig gegengesteuert werden kann.
Meine Damen und Herren, ich
weiß sehr wohl, dass der Schutz der Kinder eine Aufgabe für alle ist. Trotzdem
liegt eine große Hoffnung gerade auf den Ärztinnen und Ärzten; denn die Kinder-
und Jugendärzte, die Hausärzte kennen häufig die Situation und das Lebensumfeld
in den Familien. Ihnen bietet sich manchmal mehr als allen anderen die Chance
des Zugangs zu den Familien.
Ich würde es unter diesen Gesichtspunkten sehr begrüßen, wenn
bei den neuen Hausarzttarifen oder auch bei den neuen Versorgungsformen, die
möglich sind, die Krankenkassen bei den Verträgen einen stärkeren Schwerpunkt
auf die Einbeziehung präventiver Maßnahmen legen würden.
(Beifall)
Aber ich möchte diese Aufgabe, Kinder zu schützen, nicht auf
die Ärztinnen und Ärzte abwälzen, sondern hier handelt es sich um eine Aufgabe
der gesamten Gesellschaft. Sie hat viel mit der Frage zu tun, wie wir in
unserer Gesellschaft mit Gewalt in Familien umgehen; denn Gewalt gegen Kinder
hat oft auch mit der generellen Gewalt in Familien zu tun. Es handelt sich auch
nicht allein um eine gesundheitspolitische Aufgabe, sondern wir müssen dafür
sorgen, dass erstens die Probleme der zukünftigen Eltern möglichst bereits vor
der Geburt erkannt werden und auf Hilfe bei der Lösung von Problemen
hingewiesen wird, dass zweitens die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und
Kommunen verbessert wird und dass drittens vor Ort eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit von Ärzten mit den öffentlichen Gesundheitsdiensten und der
primär verantwortlichen Kinder- und Jugendhilfe gewährleistet ist. Der Weg, der
in den letzten Jahren beschritten wurde, dass gerade im Bereich der
öffentlichen Gesundheitsdienste und auch der Kinder- und Jugendhilfe massiv
gekürzt wurde, darf nicht weitergegangen werden, wenn wir es ernst meinen mit
der Aufgabe, Kinder und Jugendliche zu schützen.
(Beifall)
Ich stehe auch dazu, dass das Kinderfrüherkennungsprogramm
stets an neue Problemlagen angepasst werden muss. Deshalb begrüße ich es sehr,
dass der Gemeinsame Bundesausschuss zurzeit die Inhalte und die Struktur der
Kinder- und Jugenduntersuchungen überprüft. Ich glaube, dass die Daten, die der
Kinder- und Jugendsurvey uns gegeben hat, erstmals eine umfassende Grundlage
bilden. Ich bin sicher, dass wir in absehbarer Zeit mit den neuen Erkenntnissen
die notwendigen Veränderungen bei den Angeboten der Kinder- und Jugenduntersuchungen
vornehmen können.
(Beifall)
Meine Damen und Herren, darüber hinaus brauchen wir den Ausbau
epidemiologischer Aussagen für die Gesamtbevölkerung. Hier wird uns die beim
Robert-Koch-Institut angesiedelte Gesundheitsberichterstattung die notwendigen
Daten liefern, etwa bei der Frage, in welchen Alters- und Gesellschaftsgruppen,
in welchen Regionen beispielsweise verstärkt Adipositas auftritt. Eine solche
epidemiologische Grundlage bietet bessere Möglichkeiten, zielgenaue Präventionsprogramme
einzuleiten. Sie sollten Grundlage für die neu zu gestaltenden Verträge sein,
von denen wir uns wünschen, dass wir nach und nach dazu kommen, dass im
Wohnumfeld der Menschen umfassende Verträge geschaffen werden, sodass wirklich
eine Versorgung aus einer Hand unter Einbeziehung aller Akteure gewährleistet
werden kann.
Meine Damen und Herren, eine gesunde Lebensweise wird auch
maßgeblich vom Bewegungs- und Essverhalten des Einzelnen beeinflusst. Das war
der Grund, warum wir als deutsche Ratspräsidentschaft das Thema Ernähren und
Bewegen zu einem Thema auch der EU-Präsidentschaft gemacht haben und uns mit
der Badenweiler Erklärung ehrgeizige Ziele gesetzt haben. Gemeinsam mit dem
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz arbeiten
wir derzeit an einem nationalen Aktionsplan. Er soll zusammen mit den Ländern
und Kommunen erarbeitet werden. Er soll Maßnahmen zur Prävention von
Fehlernährung und Bewegungsmangel auf den Weg bringen.
Dabei geht es nicht nur um Übergewicht. Wir reden immer so,
als seien Essstörungen nur eine Frage des Übergewichts. Die Tatsache, dass 30
Prozent der jungen Mädchen im Alter bis zu 17 Jahren heute an Essstörungen
leiden und ein Großteil von ihnen einem Schönheitswahn verfallen, dass man noch
dünner als dünn sein sollte, ist mindestens genauso gesundheitsschädlich wie
Übergewicht. Deswegen müssen wir den Blick auf beide Aspekte lenken.
(Beifall)
Wir müssen im Zusammenhang mit der Ernährung auch die Frage
des Bewegens mit einbringen. Wenn Sie den Kinder- und Jugendsurvey auswerten,
werden Sie feststellen, dass viele Kinder nicht mehr essen als früher, aber sie
bewegen sich nicht mehr, weil die Maus am Computer eine der Hauptbewegungen
ist, die sie am Tag vollführen.
Das Zweite ist, dass bei vielen Kindern mindestens einmal am
Tag ein Softgetränk und viel zu viel Zucker konsumiert wird. Das ist ein
stärkerer Faktor als beispielsweise Fastfood. Es geht nicht darum, ein
Schulfach "Ernährung" einzuführen; dahin würden die Kinder gar nicht gerne
gehen. Man muss sich vielmehr mit der Frage beschäftigen: Was ist gesunde
Ernährung? Wie kann man gesunde Ernährung zubereiten? Was kann ich selber tun,
um mich gesund zu erhalten? Der Sportunterricht muss wieder denselben
Stellenwert erhalten wie Deutsch und Mathematik. Dafür müssen wir sorgen; das
ist notwendig, um hier entgegenzuwirken.
(Beifall)
Wir wollen mit dem Präventionsgesetz die notwendigen
Voraussetzungen dafür schaffen, dass es uns gelingt, zusammen mit allen
Akteuren Prävention dort stattfinden zu lassen, wo sich die Menschen aufhalten.
Wir müssen es schaffen, an diejenigen Menschen heranzukommen, die wir ansonsten
nicht erreichen. Sie wissen selbst: Wenn Veranstaltungen über gesunde Ernährung
und über Bewegung durchgeführt werden, kommen diejenigen, die das sowieso tun
wollen. Es kommen aber nicht diejenigen, die wir im Grunde genommen erreichen
müssen.
Wir müssen also Strukturen haben, bei denen der Sportverein,
der Hausarzt, der Kinder- und Jugendarzt, der öffentliche Gesundheitsdienst,
der Kindergarten, die Schule, das Seniorenheim und andere eingebunden sind.
Diese Aufgabe müssen wir gemeinsam angehen. Ich glaube, hier kommen wir am
besten gemeinsam voran. Das ist wichtig. Kein Gesundheitssystem auf dieser Welt
kann es sich erlauben, zukünftig schon 30-Jährige als chronisch Kranke zu haben,
statt dass chronische Erkrankungen, die behandelt werden müssen, erst im Alter
von 60 Jahren und darüber hinaus auftreten.
Der zweite Bereich, mit dem Sie sich beschäftigen werden, der
ein Schwerpunkt dieses Ärztetages ist - der Kollege Laumann hat es schon
angesprochen -, betrifft ein Thema, das in der Öffentlichkeit und in der
Gesellschaft intensiv diskutiert wird. Ich meine die ethischen Aspekte der
Organ- und Gewebetransplantation. Wir haben 1997 im Deutschen Bundestag mit
einer breiten Mehrheit die Zustimmungslösung beschlossen. Ich persönlich halte
diese Lösung für eine gute Lösung, weil sie respektiert, dass es Menschen gibt,
die sich nicht mit dem Tod auseinandersetzen wollen. Die Widerspruchslösung
würde jeden Menschen zwingen, sich damit auseinanderzusetzen, egal wie er am
Ende dazu steht.
Ich glaube, das Problem der Organspende und deren Häufigkeit
liegt nicht an der Frage "Zustimmungslösung oder Widerspruchslösung"; denn es
gibt auch bei uns Regionen, in denen wir eine hohe Spendenbereitschaft haben,
und andere Regionen, in denen sie weniger hoch ist. Manchmal gibt es dort, wo
die Zustimmungslösung gilt, mehr Organspenden als dort, wo die Widerspruchslösung
gilt.
Unser Ansatz muss lauten, die Zusammenarbeit zwischen den
Transplantationszentren und den übrigen Krankenhäusern zu verbessern. Die Zahl
der potenziellen Organspender ist wesentlich höher als die Zahl der
tatsächlichen Organspender. Wir wissen, dass 94 Prozent der Bevölkerung gern
ein Organ transplantiert bekämen, wenn es denn erforderlich wäre. Wir müssen
die Menschen für die Ansicht gewinnen: Wenn ich das für mich und für meine
Angehörigen gern hätte, dann muss ich meinen Teil dazu beitragen, dass das
möglich ist. Wir müssen eine Antwort auf die Frage finden, wie in den
Krankenhäusern mit den Betroffenen und mit den Angehörigen gesprochen wird.
Meiner Meinung nach müssen wir das Gesetz also nicht ändern.
Diejenigen, die durch ihre Spende Mitmenschen das Leben retten
wollen, die ihnen helfen wollen, müssen darauf vertrauen können, dass ihre
Spende auch nur diesem Zweck dient. Deshalb darf und wird es mit uns in
Deutschland keinen Organhandel und auch keinen Gewebehandel geben.
(Beifall)
Er ist verboten, er bleibt auch in Zukunft verboten, und es
wird keine Kommerzialisierung von Organen und Geweben geben. Wir haben in den
letzten Monaten darüber sehr intensiv mit dem Parlament und mit der deutschen
Ärzteschaft diskutiert. Ich glaube, das, was jetzt als Gesetz auf den Weg
gebracht wird, greift die wesentlichen Aspekte und zentralen Forderungen auf.
Es wird an dem ersten Gesetzentwurf umfangreiche Änderungen geben. Wir regeln
gesetzlich den klaren Vorrang der Organspende vor der Spende von Gewebe. Wir
regeln, dass es beispielsweise für Augenhornhäute, für Herzklappen oder andere
Gewebe keine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz gibt, sondern ein einfaches
Genehmigungsverfahren, sodass eine Kommerzialisierung dieser Gewebe gesetzlich
ausdrücklich ausgeschlossen und verboten ist.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir damit und mit
anderen Einzelheiten, bei denen wir die Bedenken mit aufgenommen haben, nach
letzten Diskussionen auch mit den Koalitionsfraktionen Wege gefunden haben, dem
zentralen Anliegen auch der deutschen Ärzteschaft entgegenzukommen und die
zentralen Forderungen zu erfüllen. Sie können sich darauf verlassen, dass das,
was ich hier sage, auch die Meinung der Koalitionsparteien und der Mehrheit des
Bundestags und des Bundesrats ist.
Meine Damen und Herren, die Medizin hat heute auch vielfältige
Möglichkeiten, das Leben schwerstkranker Menschen häufig durch einen hohen
Aufwand an Technik zu verlängern. Deshalb besteht bei vielen Menschen der
Wunsch, für den Fall vorzusorgen, dass sie sich selber nicht mehr äußern
können. Es geht um das Thema der Patientenverfügungen, über das wir
diskutieren. Ich bin der Meinung, dass für alle Beteiligten, soweit es in
diesem Feld überhaupt möglich ist, Rechtssicherheit erforderlich ist.
Patientinnen und Patienten müssen sicher sein, dass ihrem Willen auch dann
Geltung verschafft wird, wenn sie sich selber nicht mehr äußern können. Die
Angehörigen, die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegenden brauchen ebenfalls Rechtssicherheit.
Deshalb halte ich es für richtig und wichtig, dass sich der Deutsche Bundestag
in einer Generaldebatte des Problems der Patientenverfügungen angenommen hat.
Ziel ist es, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu gewährleisten und
dabei Rechtssicherheit für den Einzelnen, für die Angehörigen und auch für die
Ärztinnen und Ärzte zu schaffen.
Über die Frage, wie das am besten geschehen kann, muss breit
diskutiert werden. Jeder von uns weiß, dass jede Entscheidung mit einem Stück
Unsicherheit behaftet ist. Keiner von uns weiß, ob er das, was er in einer
gesundheitlich guten Verfassung entschieden hat, wirklich noch so will, wenn er
schwer erkrankt ist. Deshalb wird bei aller Rechtssicherheit zum Schluss bei
jedem Arzt, jeder Ärztin und auch bei den Pflegenden die Frage sein: Kann ich
davon ausgehen, dass das für diese Situation wirklich so gemeint war? Wir
müssen breit über die Frage diskutieren: Wie kann die Gesellschaft einen Weg
finden, der für jeden die bestmögliche Sicherheit bietet? Wie können wir einen
Weg finden, dass Tod und Sterben ins Leben zurückgeholt werden und nicht
Tabuthemen sind, damit wir uns Klarheit über die Frage verschaffen, wie wir
denn unseren Anspruch auf Humanität auch in der letzten Lebensphase
realisieren?
Ich finde, es steht einer Gesellschaft sehr gut zu Gesicht,
diese Probleme breit und auch ruhig kontrovers zu diskutieren, damit wir für
die Mehrheit der Gesellschaft zu Entscheidungen kommen können, die den meisten
ein Stück Angst nehmen und denen, die zum Schluss entscheiden müssen, ein Stück
Sicherheit geben, den Willen des Betroffenen umgesetzt zu haben.
Ich glaube, wir sollten weiter diskutieren und versuchen,
einen Weg zu finden, zu einer fraktionsübergreifenden Mehrheit zu gelangen. Bei
diesen Dingen kann es keine Fraktionszwänge geben.
Meine Damen und Herren, im Vorfeld des Ärztetages sind - wie
in jedem Jahr - Bedenken gegen die eine oder andere Neuerung durch das
Wettbewerbsstärkungsgesetz vorgetragen worden. Ich will mich heute gar nicht
zur Dauerkritik an der "Ökonomisierung des Gesundheitswesens" ausführlich
äußern. Die Koalitionsfraktionen, die Bundesregierung und die Mehrheit der
Bundesländer haben entschieden - das hat auch der Kollege Laumann noch einmal
deutlich gemacht -: Wir wollen im Rahmen des europäischen Sozialstaatsmodells -
anders, als es zum Beispiel im amerikanischen Sozialstaatsmodell gilt -, dass
bei uns gilt, was eine tragende Säule unseres Sozialstaats bildet, nämlich dass
das, was medizinisch geleistet wird, abhängig davon ist, was medizinisch notwendig
ist, und dass das, was der Einzelne bezahlt, davon abhängig ist, was er
bezahlen kann.
Das wollen wir umsetzen, und dazu sind Reformen notwendig.
Jeder, der das verantwortlich mit auf den Weg bringt, weiß, dass wir diesen
Anspruch nur dann erhalten werden, wenn wir dafür sorgen, dass das
Gesundheitswesen bezahlbar bleibt. Deshalb wird es um die Frage der Qualität in
der Versorgung, aber auch um die Frage der Wirtschaftlichkeit gehen müssen.
Gäben wir irgendwann diese Balance auf, wäre es eine Frage der Zeit, bis alles
gegen die Wand gefahren wird.
Da hat es immer einen Kampf gegeben. Da kann ich 50 Jahre
zurückgehen, da kann ich 75 Jahre zurückgehen, da kann ich auf den zweiten oder
den dritten Deutschen Ärztetag zurückgehen - immer hat diese Diskussion
stattgefunden, natürlich jeweils unter anderen Voraussetzungen, weil sich die
Gesellschaft jeweils verändert hat. Herr Dr. Windhorst, ich schmunzele immer,
wenn gesagt wird: Früher war das alles besser. Ich glaube, ich habe es schon
einmal auf einem Deutschen Ärztetag gesagt: Ich erinnere mich noch sehr gut,
dass es zu der Zeit, als ich zwar nicht mehr Kind, aber noch Jugendliche war,
beim Arzt ein Wartezimmer für die AOK-Patienten, für die Ersatzkassenpatienten
und ein Wartezimmer für die Privatpatienten gab.
(Unruhe)
Ich kann mich daran erinnern, dass ich damals in einem
Krankenhauszimmer mit 14 Patienten lag. Ich kann mich daran erinnern, dass wir
beim Zahnarzt als Kassenpatienten keine Schmerzspritze bekamen.
(Zurufe)
Früher war nicht immer alles gut. Wir wünschen uns diese
Zeiten nicht zurück, Sie auch nicht. Ich glaube, heute ist vieles besser. Wir
müssen die Reformen durchführen, egal wie stark hier das Gelächter ist. Wenn
nostalgisch zurückgeschaut wird, sage ich: Alle haben zu ihrer Zeit dafür
streiten müssen, dass die gesundheitliche Versorgung für alle Menschen
garantiert ist. Alle haben stets dafür gestritten, dass die Leistungen auch
bezahlbar bleiben. Anderenfalls gibt es kein funktionierendes
Gesundheitssystem. Ich glaube, das muss man einmal zur Kenntnis nehmen.
(Vereinzelt Beifall)
Gerade deswegen haben wir mit dem Wettbewerbsstärkungsgesetz
auch zentrale Forderungen der Ärzteschaft aufgegriffen, auf die ich mich hier
und heute beziehen will. Das gilt in erster Linie für die Neuordnung der
ärztlichen Honorierung in der ambulanten Versorgung. Sie wissen, dass ich auf
dem vorjährigen Ärztetag gesagt habe: Ich würde mich freuen, wenn die
Selbstverwaltung die neue Honorierung bis zum 1. Januar 2007 auf den Weg
bringen würde. Das ist nicht geschehen, also haben wir es im
Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen. Ich sage hier ganz deutlich, ohne auf
Einzelheiten einzugehen: Entgegen anderslautenden Befürchtungen werden die
Budgets mit den floatenden Punktwerten abgeschafft. Wir werden feste Preise
innerhalb eines in der Selbstverwaltung auszuhandelnden Mengengerüstes
schaffen.
(Zurufe)
- Es sagt im Übrigen fast jeder Arzt, dass man das braucht,
weil er weiß, wo das sonst landen würde.
Es wird Transparenz und Kalkulationssicherheit für die einzelne
Praxis geben, weil der Arzt und die Ärztin wissen, was sie für eine
medizinische Leistung erhalten. Auf der regionalen Ebene können Qualität,
Beteiligung an Prävention, Besonderheiten einer Region und andere Dinge
berücksichtigt werden.
Die Honorarverteilungsmaßstäbe, die in fast jeder Region für
Zündstoff sorgen, werden damit abgeschafft. Statt unterschiedlicher
Kopfpauschalen werden alle Kassen für gleiche Leistungen gleiche Preise zahlen
müssen. Für Sie entscheidend ist - deswegen kann man auch ein Mengengerüst
schaffen -: Das gesamte Morbiditätsrisiko geht auf die Krankenkassen über. Im
Gesetz ist verankert, dass es bei einer Ausweitung und einer Intensivierung des
Krankheitsrisikos gegebenenfalls unterjährig mehr Geld geben muss.
Meine Damen und Herren, bis zum 1. Januar 2009 soll dieses
Konzept entwickelt werden. Es liegt in den Händen der Partner der
Selbstverwaltung, dieses auf den Weg zu bringen. Ich sage Ihnen für uns und für
die Koalitionsfraktionen ganz deutlich: Wir wissen auch, dass ein solches
Honorarsystem mehr Geld kostet als das heutige. Das ist nicht die Frage. Wir
werden daran festhalten, dass man am besten mit Ihnen gemeinsam sucht: Wo gibt
es andere Bereiche im Gesundheitswesen, bei denen man durch vernünftiges
Handeln das Geld effizienter einsetzen kann, um mehr Geld für die Arbeit von
Menschen mit Menschen bezahlen zu können?
Ich glaube, dass dies ein Weg ist, bei dem diejenigen, die
nach vorn gehen wollen, mitgehen werden. Viele junge Menschen, mit denen ich
diskutiere, und auch viele niedergelassene Ärzte sagen: Wir fänden es gut, wenn
es so käme.
Wir werden alles dafür tun und die Selbstverwaltung drängen,
dass es tatsächlich so kommt, wie ich es eben gesagt habe; denn das ist der
Wille des Gesetzgebers. Das, was bisher von Herrn Dr. Köhler auf den Weg
gebracht wurde, zeigt, dass die Selbstverwaltung jetzt unter den neuen
gesetzlichen Bedingungen sehr viel intensiver an die Implementierung und
Entwicklung herangehen kann.
In diesem Zusammenhang Folgendes zu dem von vielen so geschmähten
Gesundheitsfonds. Ich verstehe sowieso nicht, warum ausgerechnet die Ärzte gegen
den Gesundheitsfonds sind. Sie alle klagen immer darüber - nehmen Sie einmal
das Beispiel Rheinland-Pfalz; vielleicht sind hier Vertreter aus Rheinland-Pfalz
-, dass bei 4,5 Prozent Beitragsunterschied durch den Wechsel der Beschäftigten
von den Kassen mit höheren Beiträgen zu den Kassen mit niedrigeren Beiträgen
dem System und auch dem Honorartopf ständig Geld entzogen wird. In allen
Systemen, in denen es bundeseinheitliche Beitragssätze gibt, kommt das Geld
auch tatsächlich an. Deshalb bedeutet ein fester Beitragssatz mit einem
Steuerzuschuss, der in einigen Jahren immerhin 10 Prozent der Ausgaben des
Gesundheitswesens ausmachen wird, eine Stabilisierung der Einnahmen der
gesetzlichen Krankenkassen. Dies wird verbunden mit einem morbiditätsorientierten
Ausgleich, sodass die Kassen, die mehr Kranke und mehr ältere Menschen
versichern, das entsprechende Geld zur Verfügung haben, damit sie sowohl die
Versorgungsangebote als auch die Morbiditätsentwicklung bei den Honoraren
finanzieren können.
Dazu ist der Fonds der richtige Weg. Deshalb wollen wir diesen
Weg gehen, weil wir wollen, dass wir insgesamt zu einer Stabilisierung kommen.
Meine Damen und Herren, zu einer der wichtigen Forderungen der
letzten Jahre hat immer wieder der Bürokratieabbau gehört. Auch hier hat der
Bundesgesetzgeber getan, was er als Gesetzgeber tun kann. Wir haben das mit den
Fachleuten aus Ihren Kreisen - den Krankenhäusern, den Krankenkassen, dem Medizinischen
Dienst, der niedergelassenen Ärzteschaft und allen, die dazugehören - während
der Verhandlungen diskutiert.
Ich will hier einiges anführen, was geändert wurde und
vielleicht noch nicht bis in die letzte Praxis gedrungen ist. Das gilt
exemplarisch für das Thema Wirtschaftlichkeitsprüfung, das von Ihren
Kolleginnen und Kollegen immer an mich herangetragen wurde. Wir reduzieren die
Quote der Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf 5 Prozent. Wir sagen, dass die
Prüfungszeit auf die letzten zwei Jahre beschränkt sein muss und nicht darüber
hinausgeht. Wir sagen, dass Praxisbesonderheiten vorab geltend gemacht werden
müssen und nicht mehr in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einbezogen werden
können. Ich glaube, dass das schon eine ganz große Erleichterung ist hinsichtlich
der Frage: Was kommt eigentlich auf mich zu? Das wird auch verhindern, dass
sehr viele mit einem ganzen Anhänger voll Aktenordnern fahren müssen, weil sie
sich fragen, was muss ich eigentlich alles an Daten vorhalten.
Wir haben aber auch die Einschreibungen in Chronikerprogramme,
wir haben die MDK-Prüfungen auch im Krankenhaus neu geordnet. Wir haben auch Vorschriften
für das Formularwesen gemacht, das Eingang findet in die Praxen und Stationen.
Wenn umgesetzt wird, was der Gesetzgeber beabsichtigt - das
Gesetz ist ja erst vor gut einem Monat in Kraft getreten -, dann kann man die
überbordende Bürokratie ein ganzes Stück zurückstutzen.
Wenn dann vor Ort noch das erledigt wird, was eigentlich durch
Verträge der Selbstverwaltungspartner zusätzlich hereinkommt, sind wir auch
hier ein ganzes Stück weiter.
Der dritte Teil ist die Qualitätssicherung. Ich glaube, dass
diese Qualitätssicherung zum Aufbau einer professionellen Identität genutzt
werden kann, wie es ja auch die KBV immer auf den Weg bringen will. Die KBV hat
einen Kranz von Qualitätsindikatoren erarbeitet, den sie 2008 vorlegen will.
Wir haben vereinbart, dass im Krankenhaus die Daten der BQS
nutzbar gemacht werden können. Wir wollen, dass Ärzte und Patienten mehr
Informationen haben, welches das adäquate Krankenhaus ist.
Ich glaube, dass die Basis für die Qualität in allen Bereichen
die Bereitschaft zur Kommunikation, zur Koordination und zur Kooperation ist.
Wir müssen, wie es Dr. Jonitz, der im Vorstand der Bundesärztekammer
Verantwortung für diese Aufgabe übernommen hat, formuliert, Betroffene zu
Beteiligten machen, denn nur so kommt man voran.
Wer unvoreingenommen die Philosophie der Qualitätssicherung
ein Stück weiterverfolgt, findet sich mitten in der Diskussion über
die Frage: Wie definiert sich denn heute das Bild eines guten Arztes?
Das belebt manches, was vielleicht vergessen wurde. Ich habe mir
letztens auf Veranstaltungen Ihrer Kollegen die Darstellungen von
Christoph Wilhelm Hufeland angehört. Er hat zu Beginn des 19. Jahrhunderts
die erste Poliklinik gegründet. Ich erwähne das nur, damit wir wissen,
dass der Gründer der Poliklinik des Sozialismus ganz unverdächtig
war. Deswegen ist das auch heute noch unverdächtig, dass die MVZs
dort hingehören.
Hufeland hat - darum ging es in den Veranstaltungen - die
ganzheitliche Betrachtungsweise in der Medizin und bei der Organisation des
Gesundheitswesens praktiziert. Er war ein guter Arzt - das ist unbestritten -,
er war ein guter Verwaltungsmann, er war, wie man heute sagen würde, ein guter
Manager. Er hatte Managementkompetenz, die mit Sozialkompetenz verbunden war.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: In einer Zeit des
rasanten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels kommt keiner, der
Ihren Beruf ergriffen hat, ohne diese Dinge aus. Sie wissen: Wenn heute in
Ihrer Praxis oder im Krankenhaus kasachische oder afghanische Familien
behandelt werden oder auch mehr Zeit benötigende Fälle auftreten, braucht der
Arzt nicht nur medizinische, sondern oft auch hohe soziale Kompetenz.
Wir müssen dankbar dafür sein, dass es heute eine große Anzahl
von Menschen gibt, die schwer und auch geistig behindert sind, die länger leben
können. Auch da braucht der Arzt neben der medizinischen Kompetenz auch viel
soziale Kompetenz.
Ich erkenne schon an, dass die Bundesärztekammer und die KBV
genau auch diesen Weg gehen und sagen: Wir müssen hier entsprechend die
Qualifizierung aufbauen und dies mit einer Diskussion über neue Strategien
verbinden. Es ist einfach so, dass, wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie
es ist, alles verändert werden muss. Diesen Spruch kennen Sie von Tancredi in
Lampedusas Roman "Der Leopard".
Das bedeutet nicht: Sicherheit vor Wandel, sondern Sicherheit
durch Wandel, durch neue Kooperationsformen unter den Ärzten verschiedener Fachrichtungen
und in verschiedenen Einrichtungen, aber auch zwischen den Ärzten und anderen
Gesundheitsberufen. Ich glaube, das ist die Basis für ein sich ständig
erneuerndes Gesundheitswesen.
Jetzt sage ich etwas, was ich auch bei jungen Menschen immer
sage.
(Heiterkeit)
- Ich meinte diejenigen, die in der Hochschulausbildung sind.
Ich halte Sie natürlich auch für Junge. Viele wie wir sind ja junge Alte.
Die neue Zeit bietet gute Chancen für junge Medizinerinnen und
Mediziner in Deutschland. Ich bitte bei allem, was man kritisieren muss, mit
beiden Füßen auf der Erde zu bleiben. In welchem anderen Beruf kann man denn
sicher sein, dass man sogar mehrere angebotene Arbeitsplätze hat und man
nirgendwo warten muss?
(Zurufe)
- Die wollen das. Die jungen Menschen sind gar nicht so. Ich
gehe nämlich in die Hochschulen und diskutiere mit den Studentinnen und
Studenten. Da sind sehr viele, die den neuen Weg gehen wollen, auch in der
Frage von Kooperationen. Was sie alle nicht mehr wollen, ist, dass sie sich
sofort nach ihrer Ausbildung entscheiden müssen, ob sie sich mit einer sehr
hohen Summe selbstständig machen. Manche wollen die neuen Kooperationsformen,
sie wollen gute Arbeitszeiten, sie wollen gute Bedingungen. Dafür wollen wir
sorgen, so schwierig das Ganze auch ist. Der Beruf des Arztes und der Ärztin -
auch das müssen wir vermitteln - ist ein Beruf mit Zukunft in Deutschland.
(Beifall)
Deshalb müssen wir dafür werben, um wieder junge Menschen zu
finden, die in die Praxis gehen, aus der Ältere herausgehen wollen.
Wir haben die Änderung der Approbationsordnung vorgenommen,
wir haben den Arzt und die Ärztin im Praktikum abgeschafft. Die Kassen haben
800 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit in den Krankenhäusern neue
Arbeitszeitformen umgesetzt werden können. Wir haben für junge Ärztinnen und
Ärzte die Möglichkeit geschaffen, Angestellte ohne finanzielles Risiko zu sein.
Wir haben zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf mehr Möglichkeiten der zeitlichen
Flexibilität in Medizinischen Versorgungszentren geschaffen. Wir haben die
Möglichkeit geschaffen, in Praxisgemeinschaften zu arbeiten.
Die Möglichkeit, dass junge Ärzte im Krankenhaus und in der
Niederlassung arbeiten können, ist eine Perspektive, die wir nach außen tragen
müssen. Es entspricht doch unserem gemeinsamen Interesse, dass sich in einer
älter werdenden Gesellschaft ausreichend viele junge Menschen finden, die
sowohl den Beruf des Arztes als auch den Beruf des Pflegers ergreifen. Deshalb
müssen wir an der Schaffung von Bedingungen arbeiten, dass sich die jungen Menschen
dafür entscheiden.
(Vereinzelt Beifall - Zuruf: Dann tu's doch!)
Meine Damen und Herren, dazu gehört, dass wir die Sektoren
weiter aufbrechen. Wir werden dies auch bei der Reform der Pflegeversicherung
mit auf den Weg bringen, weil eine vernünftige Pflege vor Ort nur mit
integrierten Konzepten unter Einbeziehung der ärztlichen und der pflegerischen
Versorgung möglich ist. Wir wollen auf Dauer keine Insellösungen, sondern wir
wollen dahin kommen, dass die Menschen dort, wo sie sind, eine gute
medizinische und pflegerische Versorgung erfahren.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einige Worte zur
hausärztlichen Versorgung sagen, nicht weil ich etwas gegen die
niedergelassenen Fachärzte und Fachärztinnen hätte, wie mir oft unterstellt
wird.
(Widerspruch)
Ich schließe mich völlig dem Kollegen Laumann an: Der Facharzt
ist für die fachärztliche Tätigkeit da, der Hausarzt für die hausärztliche. Nur
in der Kooperation von beidem können wir eine vernünftige medizinische
Versorgung organisieren. Ich setze mich speziell mit dafür ein, dass wir im
hausärztlichen Sektor genügend Nachwuchs haben. Deshalb arbeiten wir an der
Lösung des Problems: Wie können wir die hausärztliche Versorgung verbessern?
Wie können wir die hausärztliche Versorgung als Basis der Gesundheitsversorgung
erhalten?
Der Gesetzgeber hat eine ganze Menge an Maßnahmen
verabschiedet, weil wir bei der Frage, wie die Zukunft aussieht, im
hausärztlichen Sektor ein größeres Problem haben als im fachärztlichen Sektor.
Deshalb muss man sein Augenmerk darauf richten, nicht, weil man das andere
nicht will.
Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, müssen umgesetzt
werden. Erste Hinweise aus Brandenburg und anderen neuen Bundesländern geben
Anlass zu der Feststellung, dass das Bündel an Instrumentarien, die wir auf den
Weg gebracht haben, wirklich nutzen, vor allen Dingen die neuen Möglichkeiten,
dass Sicherstellungszuschläge auch schon bei zu erwartender oder absehbarer
Unterversorgung gezahlt werden können und dass die Bedarfsplanung verändert
werden kann.
Ich möchte mich noch einem Thema zuwenden, das auch hier auf
dem Ärztetag ein Thema ist. Ich höre, dass es Bestrebungen gibt, den
Allgemeininternisten als Facharztbezeichnung wieder einzuführen, und dass dies
auch mit europarechtlichen Vorgaben begründet wird. Ich sage hier ganz
deutlich: Das ist ein Scheinargument; denn europarechtlich brauchen wir eine
einheitliche Weiterbildungspraxis. Ich kann Sie nur bitten, bei den Beratungen
über dieses Thema nicht zu einem Status quo ante zurückzukehren, sondern das,
was in den letzten Jahren auch mit der Bundesärztekammer auf den Weg gebracht
wurde, so umzusetzen, dass wir eine bundeseinheitliche Lösung haben. Ich
appelliere an den Deutschen Ärztetag, darüber sorgfältig zu diskutieren und zu
sagen: Wir brauchen nicht die Trennung, sondern wir brauchen die gemeinsame
hausärztliche internistische Weiterbildung, und wir wollen auch die
Fachbezeichnung haben.
(Beifall)
Ich will und kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass wir
gerade in einer älter werdenden Gesellschaft weniger an solcher Versorgung
brauchen, sondern wir brauchen alle, die in diesen Bereich gehen, denn die
älteren Menschen wollen versorgt werden. Selbst wenn wir sehr intensiv
Prävention betreiben, haben wir in einigen Jahren doppelt so viele Menschen wie
heute, die versorgt werden müssen. Aber darüber sind wir ja auch alle froh.
Meine Damen und Herren, es ist ja Mode geworden, manchmal über
die Zukunft der ärztlichen Berufe negativ zu sprechen. Dem will ich mich nicht
anschließen. Ich sage Ihnen von meiner Seite aus - das sage ich auch im Namen
der Bundesregierung -: Wir wissen Ihre Arbeit nicht nur zu schätzen, sondern
wir wissen, dass wir Ihre Arbeit brauchen. Wir wissen, dass viele von Ihnen
weit über den Rahmen hinaus, was die Arbeitszeit betrifft, arbeiten. Dafür
möchte ich Ihnen danken. Es ist ja eine merkwürdige Mode geworden, dass man
über die Zukunft der ärztlichen Berufe so negativ spricht. Manchmal denke ich,
es ist so etwas wie eine deutsche Krankheit, dass man immer alles in Zweifel zieht
oder alles negativ sieht und - wie manche es formulieren - selbst in der schattenlosen
Mittagssonne bereits die nächtliche Kälte ahnt.
Davon halte ich nichts. Ich sage Ihnen: Ich sehe für Ärztinnen
und Ärzte in Deutschland Chancen, ich sehe da eine Zukunft. Ich bitte Sie,
weiter gemeinsam mit uns zu arbeiten. Das kann niemand allein tun. Politik,
Ärzteschaft, Krankenkassen, Selbstverwaltung und alle, die dazugehören, haben
ein gemeinsames Anliegen: Wir wollen, dass Menschen in Deutschland, die krank
sind, gut versorgt werden. Wir wollen, dass Gesundheit bezahlbar bleibt. Wir
wollen, dass wir gemeinsam alles tun, um Krankheiten gar nicht erst entstehen
zu lassen bzw. alles zu tun, dass Menschen, wenn sie erkrankt sind, solange wie
möglich selbstständig in ihrer Umgebung leben können.
Wenn wir das weiterhin gemeinsam tun, bei allem notwendigen
Streit, weil wir ja nicht immer einer Meinung sein können, da wir
unterschiedliche Dinge vertreten müssen, werden wir weiterhin sehr gute und
fruchtbare Jahre haben. Ich bitte Sie, das, was wir gesetzgeberisch auf den Weg
gebracht haben, jetzt auch auf diesem Weg umzusetzen.
Ich wünsche dem Ärztetag gute Diskussionen im Interesse aller.
Ich freue mich darauf, dass wir weiterhin diese Arbeit fortsetzen.
Danke schön.
(Beifall)
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