Haus, Nordrhein: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es war eigentlich genau das, was wir auf dem Ärztetag
brauchen, um uns aufzumuntern und mobil zu machen, was Frau Schmidt in ihrer
ersten Rede sagte, indem sie den Verrat am ärztlichen Ethos und den Verrat an
den ureigensten ärztlichen Aufgaben in der Vergangenheit anprangerte. Wir sind
auf dem besten Weg, wieder dorthin zu kommen, wenn auch nicht unter gleichen
Voraussetzungen. Ich möchte meine Ausführungen nicht so verstanden wissen, dass
ich das als eins zu eins vergleichbar ansehe.
Von uns wird so viel an Aufgabe des ärztlichen Ethos und
unserer eigentlichen ärztlichen Aufgaben verlangt, dass ich denke, dass wir dem
ganz scharf entgegentreten und wirklich zum Freiheitskämpfer werden müssen.
Ich möchte ganz kurz ein Beispiel nennen, um zu belegen, dass
wir bereits mitten in dieser Situation sind. Da ruft mich ein Klinikarzt aus
einer psychiatrischen Klinik an und erklärt mir, dass er einem meiner
Patienten, der wegen bestimmter Umstände leider psychotisch geworden ist, den
er zunächst mit mehreren Medikamenten behandelt habe, diese aber nicht
angeschlagen hätten, nun ein Medikament geben müsse, das seiner Meinung nach
das einzige sei, das vielleicht noch helfen könnte. Er fragte mich, ob ich das
verschreiben würde.
Sie wissen vielleicht, dass es in Nordrhein-Westfalen eine
Me-too-Liste moderner atypischer Neuroleptika gibt, die man möglichst nicht verwenden
soll.
Der Klinikarzt erklärte mir, er habe es schon erlebt, dass aus
der niedergelassenen Ärzteschaft angerufen wurde, wie man denn den Patienten
auf ein solches Medikament einstellen könne, da komme man doch in den Regress,
man bekomme automatisch etwas von seinem Honorar abgezogen.
Ich glaube, man kann nicht drastischer schildern, in welche
Ecke wir schon getrieben worden sind, als darauf hinzuweisen, dass wir
überlegen müssen, ob wir einem Patienten das notwendige Medikament geben
können, obwohl es auf der Me-too-Liste steht und wir belangt werden können, was
ja begreiflicherweise für die Kollegen sehr bedrohlich ist. Diese Enge, in der
wir uns befinden, gilt sowohl für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen
als auch für die Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken.
(Beifall)
Ich möchte auf den Antrag hinweisen, den ich im Namen des
Hartmannbunds stelle, der im Grunde genommen den Antrag 1 des Vorstands ergänzt
und einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen fordert, eine nachhaltige Finanzierung
des Gesundheitswesens, mehr ärztliche Entscheidungsfreiheit, frei von
ökonomischen Zwängen, ein pluralistisches, freiheitliches und transparentes
Gesundheitssystem.
Frau Schmidt hat heute Vormittag gesagt, es sei eine deutsche
Eigenheit, in der schattenlosen Mittagssonne schon die nächtliche Kälte zu
spüren. Ich sehe es anders: Es fällt schwer, sich in der nächtlichen Kälte die
schattenlose Mittagssonne vorzustellen, noch dazu, wenn man sich - im
übertragenen Sinne - im Winter am nördlichen Polarkreis befindet.
So ähnlich empfinde ich unsere Situation. Insofern ist es kein
Wunder, dass wir hier ganz energisch eingreifen müssen.
Ich danke.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Frau Haus. - Nach ihr spricht Dr. Pickerodt aus Berlin.
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