TOP II: Ethische Aspekte der Organ- und Gewebetransplantation

Mittwoch, 16. Mai 2007, Vormittagssitzung

Deutschmann, Niedersachsen: Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr zufrieden, und zwar zum einen, weil mit diesem Tagesordnungspunkt unserem Antrag aus dem vergangenen Jahr gefolgt wurde, und zum anderen, weil entsprechend unserem Antrag hinsichtlich der gerichteten Organspende nach dem Tod - da ist es ja zu relativ skandalösen Vorgängen gekommen - dieses Thema in dem Referat von Herrn Professor Lilie behandelt wurde. Ich glaube, hier ist man auf dem richtigen Weg.

Ich danke den hochkarätigen Referenten, die das Thema sensibel, umfassend und gründlich dargestellt haben.

Eine kleine Anmerkung kann ich mir allerdings nicht verkneifen: Herrn Professor Nagel habe ich voraus, dass ich schon 1977 an der Seite von Herrn Professor Pichlmayr - damals als Student - stehen durfte. Herr Professor Pichlmayr merkte damals an, er würde gern auf eine gesetzliche Regelung zur Organentnahme und zur Transplantation verzichten, weil dies größere Freiheiten mit sich brächte. Insofern sieht man, wie ein Meinungswandel vonstatten geht. Aber ich glaube, das Ganze ist auf einen guten Weg gebracht worden.

Die Bundesärztekammer hat ihre Hausaufgaben gemacht. Ich meine allerdings, in einem Teilbereich muss nachgeschult werden, muss ergänzt werden. Das ist speziell im Bereich der Hirntoddiagnostik der Fall. Ich bin Praktiker, ich bin Neurologe. Ich war jahrelang in einem Hirntoddiagnostik-Konsiliarteam in der Region Nord der Deutschen Stiftung Organtransplantation tätig. Ich weiß, wovon ich rede. Ich möchte kurz rekapitulieren: Die Hirntoddiagnostik ist zunächst durch die Festlegung der Hirntodkriterien durch die Bundesärztekammer 1982 untermauert worden. Das ist 1987, 1991 und 1997 fortgeschrieben worden. In gewisser Weise haben diese Kriterien, die eine Entscheidungshilfe darstellen, eine Metamorphose durchgemacht, indem sie gerade durch die Politik im Zusammenhang mit dem Transplantationsgesetz zu Richtlinien wurden. Ich glaube, das war 1998.

Ergänzend dazu haben die Fachgesellschaften Erläuterungen gegeben, wie die apparativen Zusatzuntersuchungen zu handhaben sind. Das alles ist zu einem guten Gesamtpaket zusammengeschnürt worden. Die Hirntoddiagnostik ist aus meiner Sicht eines der sichersten Verfahren überhaupt, wenn man die Richtlinien - insbesondere jene der Bundesärztekammer - beachtet, sorgfältig damit umgeht und seine Erfahrungen auf diesem Gebiet hat. Hier liegt ein Problem. Aus dem Transplantationsgesetz abgeleitet ist die Bundesärztekammer dafür verantwortlich, die erforderliche Qualifikation der Untersucher sicherzustellen. Das hat sie getan, indem sie in der alten Weiterbildungsordnung von 1992 festgelegt hat, dass bei den Neurologen und den Neurochirurgen die Hirntoddiagnostik mit zur Weiterbildung gehört. Erst auf der Grundlage des Transplantationsgesetzes hat man in die neue (Muster-)Weiterbildungsordnung 2002 neben den Neurologen und den Neurochirurgen auch die Neuropädiater mit einbezogen. Das fand ich sehr klug. Mit aufgenommen ist auch jeder, der eine intensivmedizinische Zusatzweiterbildung absolviert. Jetzt sind auch Anästhesisten, Chirurgen, Innere Mediziner, Kinder- und Jugendmediziner sowie die Neurologen und Neurochirurgen mit einer speziellen Ausweitung in diese Weiterbildung einbezogen. Das verbreitert sicherlich die Basis der Befähigten.

Nur: Reicht das? Ich kann nur feststellen, dass eine flächendeckende Qualifikation der Intensivmediziner nicht gegeben ist. Aus diesem Grunde sind die Konsiliarteams eingerichtet worden. Sie sind möglicherweise aber auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie erreichen nicht alle. Viele Intensivmediziner trauen sich nicht. Hier muss nachgeschult werden.

Ein weiteres Problem, das in den Konsiliarteams auftritt, ist die Tatsache, dass es oft nicht gelingt, den zweiten Untersucher vor Ort zu rekrutieren. Dort ist gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer kein Untersucher vorhanden, der eine solche Untersuchung begleiten könnte.

Ich meine, deshalb muss sich die Bundesärztekammer dafür einsetzen, dass an den Krankenhäusern eine praktische Schulung zur Hirntoddiagnostik ermöglicht wird - möglicherweise über die Ärztekammern - und dass die Krankenhäuser Unterstützung bei der Führung der Gespräche mit den Angehörigen erhalten müssen. Das klang hier bereits an. Ich glaube, dort ist ein erheblicher Bedarf vorhanden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Vizepräsident Dr. Crusius: Vielen Dank, Herr Deutschmann. - Da Herr Dr. Mayer seine Wortmeldung zurückgezogen hat, hat jetzt Herr Klaus Schäfer von der Ärztekammer Hamburg das Wort. Bitte.

© Bundesärztekammer 2007