TOP II: Ethische Aspekte der Organ- und Gewebetransplantation

Mittwoch, 16. Mai 2007, Vormittagssitzung

Prof. Dr. Kirste, geladener Gast: Hohes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Ich möchte sie mit einem Dank an alle beginnen, die sich in der Vergangenheit für dieses Thema eingesetzt haben und dies auch heute tun. Das gilt sowohl für das Präsidium der Bundesärztekammer als auch für die verschiedenen Standesorganisationen auf Landesebene und auf örtlicher Ebene. Es gilt insbesondere für diejenigen Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern, die sich mit diesem Thema beschäftigen und sich für die Organspende einsetzen.

Die Organspende ist in Deutschland nicht ohne Grund - darauf hat Herr Lilie sehr dezidiert hingewiesen - als eine Gemeinschaftsaufgabe definiert, die von allen zu tragen ist. Deshalb steht im Transplantationsgesetz, dass sich die verschiedenen Institutionen bis hin zu den Ärzten auf den Intensivstationen an dieser Gemeinschaftsaufgabe beteiligen müssen.

Die im Gesetz vorgesehene Verpflichtung zur Meldung, die Herr Lilie sehr ausführlich zitiert hat, ist beim Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes möglicherweise von dem einen oder anderen falsch verstanden worden, indem man glaubte, das Thema Organspende sei nun an eine andere Organisation abgegeben, es sei erledigt, ohne dass man selbst dafür zuständig ist. Man ist aber dafür zuständig. Wir können die Zahl der Organspenden in Deutschland nur dann steigern, wenn wir uns alle darum bemühen. Ich kann nur betonen, dass die anfänglichen Holprigkeiten, die es am Anfang möglicherweise hinsichtlich der Zuständigkeit gegeben hat, inzwischen deutlich überwunden sind.

Ich glaube, es werden in dieser Beziehung immer wieder etwas falsche Zahlen genannt. Das war auch in den Statements, die ich gerade gehört habe, der Fall. In den letzten drei Jahren gab es in Deutschland eine Steigerung der Zahl von Organspenden von 25 Prozent. Das ist ein gewaltiger Erfolg, an dem sehr viele beteiligt sind, insbesondere die Ärzte auf den Intensivstationen, obwohl es, wie wir alle wissen, eine ganz erhebliche Arbeitsüberlastung auf den Intensivstationen gibt. Deshalb ist der Dank an diejenigen Kollegen umso wichtiger, die neben ihrer normalen Arbeit sich auch noch in dieser Beziehung engagieren.

Es ist wichtig, dass die Deutsche Stiftung Organtransplantation mit ihren Mitarbeitern, mit ihren Koordinatoren so früh wie möglich in diese Prozesse eingeschaltet wird. Dann können wir helfen, dann können wir auf den Intensivstationen unterstützen und Arbeit übernehmen, also entlasten. Das ist unsere Aufgabe.

Ich glaube, die gegenwärtige Debatte über eine Widerspruchslösung ist etwas künstlich. Das eigentliche Thema muss lauten, dass die vorhandenen Fälle gemeldet werden. Wir wissen aus Analysen - diese sind im "Deutschen Ärzteblatt" auch publiziert worden -, dass wir ein Potenzial von 40 Spendern pro 1 Million Einwohner haben. Das deckt sich mit den weltweiten Zahlen. In Mecklenburg-Vorpommern hat man mit derzeit schon 30 Spendern das Potenzial fast ausgeschöpft. Bundesweit sind es allerdings nur 15 Spender. Wenn jeder Fall in Deutschland gemeldet würde, könnte bei gleicher Zustimmungsrate wie heute die Zahl der Organspender verdoppelt werden. Hier liegt unsere Aufgabe für die nächste Zeit. Ich glaube, dieser Aufgabe müssen wir uns dezidiert zuwenden. Wenn wir dies gemeinsam tun, sind wir auf einem guten Weg.

Meine Aufforderung lautet, nicht gleich nach gesetzlichen Regelungen oder gesetzlichen Änderungen zu rufen, sondern das, was wir haben, umzusetzen und gemeinsam daran weiterzuarbeiten. Die DSO ist bereit, ihren Teil dazu beizutragen. Wir haben in jeder Region die Zahl der Koordinatoren um jeweils einen Mitarbeiter verstärkt. Wir wollen in diesem Bereich stärker wahrgenommen werden. Wir wollen den Krankenhäusern helfen.

Zum Aspekt der Kosten, der auch immer wieder angeführt wird: Es ist richtig, dass die Vergütung von vielen Krankenhäusern als zu niedrig angesehen wird. Beteiligen Sie sich bitte an der Diskussion, die noch in diesem Jahr zwischen der Krankenhausgesellschaft und den Kassen über die Evaluierung der Kosten stattfinden wird. Zumindest bei uns ist es derzeit so, dass ein größerer Teil der Gelder überhaupt nicht abgerufen wird, obwohl wir zur Rechnungsstellung auffordern. Insofern werden die Gelder, die zur Verfügung stehen, gar nicht verteilt.

Mein Votum geht dahin, sich, bevor man über weitere gesetzliche Änderungen nachdenkt, mit dem zu beschäftigen, was bereits vorhanden ist. Da liegt ein weites Feld vor uns. Ich glaube, dass wir mit den Steigerungen in den letzten Jahren auf einem sehr, sehr guten Weg sind. Ihn sollten wir weiter beschreiten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vizepräsident Dr. Crusius: Vielen Dank, Herr Professor Kirste. - Der nächste Redner ist Herr Professor Kahlke als Delegierter der Landesärztekammer Hamburg. Bitte, Herr Kahlke.

© Bundesärztekammer 2007