TOP II: Ethische Aspekte der Organ- und Gewebetransplantation

Mittwoch, 16. Mai 2007, Vormittagssitzung

Riemer, geladener Gast: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Zunächst einige Worte zu meiner Person, da ich nicht zum Kreis der Ärzte gehöre. Ich bin seit zehn Jahren lebertransplantiert und beschäftige mich seit dieser Zeit noch intensiver mit der Thematik. Ich bin von der Ausbildung her Biologin und habe von daher vielleicht einen Zugang zur Thematik auch von medizinischer Seite, die mich im Moment aber gar nicht so sehr beschäftigt.

Vorhin wurde sinngemäß hier gesagt: Solange etwas in der Diskussion ist, kann es Fortschritte geben. Insofern bin ich dem Nationalen Ethikrat für seine Stellungnahme dankbar, die im April veröffentlicht wurde. Ich glaube, Herr Professor Nagel hat vorhin von aufgeregten Reaktionen von Personen gesprochen, die nur etwas von einer Widerspruchslösung hören und sofort dagegen angehen, ohne die Empfehlungen des Ethikrats und seine Begründungen vernünftig gelesen zu haben.

Wie auch immer diese Diskussion, die es hoffentlich weiterhin geben wird, ausgeht: Die Empfehlungen enthalten viele altbekannte Dinge, die bereits jetzt vorhanden sind. Das große Problem in den Krankenhäusern liegt in der Spenderdetektion. Für die Patienten ist es ganz wichtig, dieses Thema weiterhin zu diskutieren.

Es wird ein Stufenmodell vorgeschlagen, das mit einem großen Informationsteil beginnen soll. Diesen Informationsteil finde ich ungeheuer wichtig. Ich finde ihn im Zusammenhang mit der erweiterten Zustimmungslösung genauso wichtig wie im Zusammenhang mit der Widerspruchslösung. Die Bürger müssen über inhaltliche Dinge wie auch über gesetzliche Vorgaben gut informiert werden.

Dazu ist es notwendig, für den Informationsteil Geld und die entsprechenden Stellen bereitzustellen. In § 2 des Transplantationsgesetzes steht, dass die entsprechenden Behörden des Bundes und der Länder sowie die Kassen dafür zu sorgen haben, dass die Bevölkerung gut informiert ist. Hier ist noch nicht ausführlich darauf hingewiesen worden, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Gremien mit den Behörden, die laut Gesetz aufklären müssen, sehr wichtig ist.

Wir hatten vor Kurzem einen großen Patiententag. Dort haben wir vorgeschlagen, dass jeder der 300 Teilnehmer sich 250 Ausweise samt Aufsteller bestellt, die es laut Prospekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bei ihr zu beziehen gibt. Jeder sollte in seinem Heimatort fünf Plätze finden, an denen noch kein Organspendeausweis verfügbar ist: beim Hausarzt, beim Zahnarzt, bei der Kfz-Werkstatt. Mir hat eine Dame geschrieben, man habe ihr als Privatperson die Ausweise zunächst gar nicht zuschicken wollen. Erst als klar wurde, dass sie Mitglied eines Patientenverbands ist, erfolgte die Lieferung. Auf dem Lieferschein stand der Hinweis, dass der Prospektspender vergriffen ist und nicht neu aufgelegt wird. Hieran sieht man, dass gespart wird und Schwierigkeiten bestehen, die Öffentlichkeit zu informieren.

Ich bitte Sie, darauf hinzuwirken, dass diese Hindernisse möglichst beseitigt werden. Ich denke, das Transplantationsgesetz ist insofern gar nicht schlecht, als es alles vorsieht. Wenn es nach zehn Jahren Geltung des Transplantationsgesetzes noch immer Bundesländer gibt, die auf Freiwilligkeit bauen und sagen, man führe das Gesetz erst dann durch, wenn es freiwillig nicht funktioniert, kann ich nur sagen: Das hätte nach einem Jahr oder spätestens nach zwei Jahren erfolgen müssen. In einem Bundesland haben die Patientenverbände drei oder vier Jahre lang massiv gedrängt, damit der Aufklärungspflicht nachgekommen wird. Dort gibt es erst jetzt entsprechende Aufklärungsaktionen bzw. -bündnisse. Wenn dies alles etwas flotter angelaufen wäre, wären wir vielleicht etwas weiter.

Ich denke, gemeinschaftliches Handeln ist wichtig, ob nun die erweiterte Zustimmungslösung oder die Widerspruchslösung zum Zuge kommt.

Danke schön.

(Beifall)

Vizepräsident Dr. Crusius: Vielen Dank, Frau Riemer. - Das Wort hat jetzt Herr Dr. Albert Joas von der Bayerischen Landesärztekammer. Bitte schön.

© Bundesärztekammer 2007