TOP III: Kindergesundheit in Deutschland

Mittwoch, 16. Mai 2007, Nachmittagssitzung

Dr. Bolay, Westfalen-Lippe: Hohes Präsidium! Den Referenten wurde schon gedankt. Ich möchte dem Vorstand der Bundesärztekammer ganz herzlich dafür danken, dass er die Kindergesundheit zum Thema dieses 110. Deutschen Ärztetages gemacht hat.

Ich spreche zum Thema verpflichtende Vorsorgen und flankierende Maßnahmen, dabei insbesondere zum Antrag 12. Bürokratie, Überwachungsstaat - liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bedenken wurden im Vorfeld bei der Abfassung dieses Antrags geäußert. Wir wollen keine Bürokratie, keinen Überwachungsstaat, und wir wollen niemanden denunzieren. Aber wir wollen Kindern zu ihrem Recht auf eine gedeihliche Entwicklung verhelfen. Vielen Kindern wird dieses Recht in mehr oder weniger großem Ausmaß vorenthalten. Eltern haben die Pflicht, für ihre Kinder zu sorgen, ihnen emotionale Wärme und Liebe zu geben, ihnen den Zugang zu den Ressourcen dieser Gesellschaft, zu Bildung und auch Gesundheitsfürsorge zu ermöglichen. Der Staat hat die Pflicht, die Eltern bei diesem Erziehungsauftrag zu unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Anschnallpflicht säßen noch heute Kinder unangeschnallt im Auto ohne Schulpflicht bliebe so manches Kind zu Hause. Ich halte es nicht für überzogen, Eltern zu verpflichten, bei ihren Kindern Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen, um Entwicklungsprobleme zu erkennen und um eine gedeihliche Entwicklung sicherzustellen. Den Nachweis über diese Vorsorgeuntersuchungen haben die Eltern zu erbringen und nicht der Arzt. Von der ärztlichen Seite her müssen wir uns aber im Klaren sein, dass damit die Vorsorgeuntersuchung auch eine Fürsorgeuntersuchung wird.

Ein Zweites: Familien mit Risiken zu erkennen und sie zu unterstützen, die Kinder bei Bedarf zu fördern und ihnen Therapien zu ermöglichen - das alles wird viel Geld kosten. Die Politik darf es nicht bei ihrem Ruf nach mehr Prävention, Förderung und Vernetzung der Versorgungsstrukturen belassen, sie muss sich auch um den deutlich erhöhten Finanzierungsbedarf kümmern.

Aber dies ist eine Investition, die sich lohnen wird, denn dieser Staat und diese Gesellschaft - das wurde heute bereits deutlich - können es sich nicht leisten, auch nur ein einziges Kind in die soziale Abhängigkeit zu verlieren.

Ich möchte Sie daher bitten, dem Antrag zuzustimmen. Dieser präzisiert auch noch einmal den Leitantrag der Bundesärztekammer, in dem auch schon vieles enthalten ist.

Erlauben Sie mir einen Hinweis auf den Antrag III-7 von Dr. Munte und Kollegen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor der Gemeinsame Bundesausschuss ein wirklich neues Kindervorsorgekonzept vorlegen kann, muss erst § 26 SGB V geändert werden. Das hat die Ministerin gestern in Aussicht gestellt. Wir sollten sie beim Wort nehmen.

Noch ein Letztes: Struktur und Inhalte der bisherigen Früherkennung sind längst überholt. Die Realität ist eine andere. In den kinder- und jugendärztlichen Praxen werden Vorsorgeuntersuchungen schon längst in dem Maße und mit den Inhalten erbracht, wie sie heute gefordert werden. Wir sind auch schon vielfach vernetzt.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Bolay. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Voigt aus Niedersachsen.

© Bundesärztekammer 2007