Dr. Bolay, Westfalen-Lippe: Hohes Präsidium! Den
Referenten wurde schon gedankt. Ich möchte dem Vorstand der Bundesärztekammer
ganz herzlich dafür danken, dass er die Kindergesundheit zum Thema dieses 110.
Deutschen Ärztetages gemacht hat.
Ich spreche zum Thema verpflichtende Vorsorgen und
flankierende Maßnahmen, dabei insbesondere zum Antrag 12. Bürokratie,
Überwachungsstaat - liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bedenken wurden im
Vorfeld bei der Abfassung dieses Antrags geäußert. Wir wollen keine Bürokratie,
keinen Überwachungsstaat, und wir wollen niemanden denunzieren. Aber wir wollen
Kindern zu ihrem Recht auf eine gedeihliche Entwicklung verhelfen. Vielen
Kindern wird dieses Recht in mehr oder weniger großem Ausmaß vorenthalten.
Eltern haben die Pflicht, für ihre Kinder zu sorgen, ihnen emotionale Wärme und
Liebe zu geben, ihnen den Zugang zu den Ressourcen dieser Gesellschaft, zu
Bildung und auch Gesundheitsfürsorge zu ermöglichen. Der Staat hat die Pflicht,
die Eltern bei diesem Erziehungsauftrag zu unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Anschnallpflicht säßen
noch heute Kinder unangeschnallt im Auto ohne Schulpflicht bliebe so manches
Kind zu Hause. Ich halte es nicht für überzogen, Eltern zu verpflichten, bei
ihren Kindern Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen, um
Entwicklungsprobleme zu erkennen und um eine gedeihliche Entwicklung
sicherzustellen. Den Nachweis über diese Vorsorgeuntersuchungen haben die
Eltern zu erbringen und nicht der Arzt. Von der ärztlichen Seite her müssen wir
uns aber im Klaren sein, dass damit die Vorsorgeuntersuchung auch eine
Fürsorgeuntersuchung wird.
Ein Zweites: Familien mit Risiken zu erkennen und sie zu
unterstützen, die Kinder bei Bedarf zu fördern und ihnen Therapien zu
ermöglichen - das alles wird viel Geld kosten. Die Politik darf es nicht bei
ihrem Ruf nach mehr Prävention, Förderung und Vernetzung der
Versorgungsstrukturen belassen, sie muss sich auch um den deutlich erhöhten
Finanzierungsbedarf kümmern.
Aber dies ist eine Investition, die sich lohnen wird, denn
dieser Staat und diese Gesellschaft - das wurde heute bereits deutlich - können
es sich nicht leisten, auch nur ein einziges Kind in die soziale Abhängigkeit
zu verlieren.
Ich möchte Sie daher bitten, dem Antrag zuzustimmen. Dieser
präzisiert auch noch einmal den Leitantrag der Bundesärztekammer, in dem auch
schon vieles enthalten ist.
Erlauben Sie mir einen Hinweis auf den Antrag III-7 von Dr.
Munte und Kollegen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor der Gemeinsame
Bundesausschuss ein wirklich neues Kindervorsorgekonzept vorlegen kann, muss
erst § 26 SGB V geändert werden. Das hat die Ministerin gestern in
Aussicht gestellt. Wir sollten sie beim Wort nehmen.
Noch ein Letztes: Struktur und Inhalte der bisherigen
Früherkennung sind längst überholt. Die Realität ist eine andere. In den
kinder- und jugendärztlichen Praxen werden Vorsorgeuntersuchungen schon längst
in dem Maße und mit den Inhalten erbracht, wie sie heute gefordert werden. Wir
sind auch schon vielfach vernetzt.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank,
Herr Bolay. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Voigt aus Niedersachsen.
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