Zimmeck, Hessen: Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Während meiner Arbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie habe ich
einen Fall erlebt, der mich sehr bewegt hat. Eine Mutter kam mit ihrem
vierjährigen Kind zur Aufnahme und stellte sich in der Station mit den Worten
vor: Bitte nehmen Sie mir das Kind ab, sonst schlage ich es tot! Wir waren alle
sehr entsetzt. Als wir das Kind aufgenommen hatten, stellte sich heraus, was
passiert war. Die Mutter war alleinerziehend. Sie hatte drei Jobs: morgens von
3 bis 7 Uhr einen Putzjob. Als sie nach Hause kam, saß das Kind neben der
Toilette, in die es einen Hundertmarkschein geschmissen hatte. Als die Mutter
kam, hat es die Spülung betätigt.
Wir leben in einer Zeit, in der Mütter, die ihre Kinder allein
erziehen, in eine Ecke gedrängt werden, die völlig unerträglich ist. Die Politiker, die
Familienpolitik betrieben haben, haben letztendlich diese Situation zu
vertreten. Genau diese Politiker stellen sich heute als Retter in der Not hin,
die den Kindern helfen wollen.
Meine Damen und Herren, ich habe große Zweifel an der
Kompetenz dieser Politiker. Ich denke, es ist unsere Aufgabe als Ärzte, den
Menschen, die zu uns kommen, zu helfen. Ich halte es für gut, dass Präventions-
und Fürsorgeuntersuchungen durchgeführt werden. Ich halte es aber für sehr
problematisch, wenn wir zu Handwerkern des Staates gemacht werden und Kinder
zur Untersuchung vorgeführt bekommen. Ich denke, wir müssen sehen, dass wir als
Ärztinnen und Ärzte dafür verantwortlich sind, den Patientinnen und Patienten
zu helfen.
Ich möchte noch eine Bemerkung zum gestrigen Tag machen.
Gestern hat Ulla Schmidt uns Ärzte ganz nah an den Schoß des
Nationalsozialismus gezogen. Dieses Verhalten hat mich tief gekränkt. Ich halte
es für eine bodenlose Unverschämtheit!
(Beifall)
- Für diesen Applaus danke ich Ihnen. Betrübt hat mich, dass
nach einer solchen Rede der Ministerin auch Teilnehmer aus dem Auditorium
Beifall geklatscht haben. Das würde ich mir beim nächsten Mal anders wünschen.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank
für Ihren Beitrag. Sie haben sicherlich manchem aus der Seele gesprochen. -
Jetzt bitte Herr Kollege Sudeck aus Hamburg.
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