Wagenknecht, Niedersachsen: Sehr geehrter Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst Danke sagen für
die guten Referate. Der von Frau Dr. Goesmann erstattete Sachstandsbericht zur
hausärztlichen Versorgung in der Behandlung von Kindern ist im Prinzip nichts
anderes gewesen als die Darstellung der Versorgungsrealität. Wie sich diese
Realität verändern soll, haben alle drei Referenten klargemacht. Ich finde, den
Vorschlägen zur Kooperation innerhalb der Berufsgruppen kann man gar nichts
mehr hinzufügen.
Ich habe zwei Anträge gestellt und möchte jetzt kurz
begründen, warum ich dies getan habe. Viele Antragsinhalte beziehen sich auf
Störungen, Erkrankungen, Schädigungen, die im Laufe des Lebens des Kindes
eintreten. Die Kinder können für diese Entwicklungen, die über sie kommen, oft
nichts; sie sind unschuldig daran. Auch das wurde bereits ausgeführt. Ihnen
fehlen die Vorbilder, sie erleben im Verhalten der Eltern Dinge, die sie
nachmachen. So kommt es zu derartigen Störungen.
Wir müssen früher einsetzen. Schadensbegrenzende Maßnahmen,
wie sie in den meisten Anträgen gefordert werden, kommen meiner Meinung nach zu
spät. Das ist der Grund für meinen Antrag III-20. Dort habe ich den Gesetzgeber
aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die bereits bei den werdenden Müttern
ansetzen. Wir Hausärzte könnten wie alle anderen in der Primärversorgung
tätigen Kolleginnen und Kollegen zusammen mit den Kindergärtnern, den Lehrern
und anderen mit Kindern Beschäftigten eine Hitliste aufstellen. Ich kann in
meiner Gemeinde 30, 40, 50, sogar 100 Familien benennen, von denen ich genau
weiß: Die Kinder, die ich heute in der Praxis sehe, erlebe ich in 10 oder 15
Jahren auf der Polizeiwache wegen gewalttätiger Auseinandersetzungen usw. Ich
glaube, Ihnen geht es genauso.
Wirklich wichtig sind Projekte zur Früherkennung von
gefährdeten Familien. Es ist sicherlich nicht ganz hilfreich, immer nur
hinterher zu reparieren. Ich bitte Sie, den Antrag III-20 zu unterstützen.
Ich habe einen weiteren Antrag gestellt, der ein Problem
beleuchtet, das hier noch gar nicht so richtig zum Ausdruck gekommen ist. Ich
glaube, wir müssen innerhalb unserer Berufsgruppe kritisch mit dem umgehen, was
wir zum Teil Kindern antun. Kindergesundheit und Kinderkrankheit hängen oft mit
der Arzneimitteltherapie zusammen. Ich glaube, wir tun uns keinen großen
Gefallen, bei Kindern mit der Arzneimitteltherapie so großzügig umzugehen, wie
wir dies tun. Wir sind in der Indikationsstellung nicht streng; das möchte ich
einfach einmal so behaupten. Wir verordnen Arzneimittel, die bei
Lappalienerkrankungen nicht erforderlich sind. Wir gewöhnen Kindern, die
natürliche Scheu gegenüber der Einnahme von Substanzen systematisch ab. Ich
denke, wir müssen innerärztlich Wege finden, die Kollegen zu einem strengen und
rigiden Umgang mit Arzneimitteln zu animieren, damit die Jugendlichen später in
der Diskothek, wenn ihnen eine rosa oder eine weiße Pille angeboten wird, diese
nicht einwerfen, weil ja ihre Vertrauensperson ihnen so etwas auch anbietet.
Vielen Dank.
(Vereinzelt Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. - Als nächste Rednerin bitte Frau Kollegin Dr. Bunte aus Westfalen-Lippe.
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