TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 18. Mai 2007, Vormittagssitzung

Dr. Brunngraber, Niedersachsen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie wegen der Redezeitbegrenzung bitten, meinen Beitrag nicht durch unnötigen Beifall zu unterbrechen. Zu meinem Vorredner möchte ich sagen: sein Optimismus zur Nichtmanipulierbarkeit der Karte in Gottes Ohr! Die Datensätze werden in fünf Jahren sicher von den Patienten selber manipulierbar sein. Ich verspreche Ihnen: Sollte das bis dahin nicht so gekommen sein, werde ich an zwei Wochenenden in einem Altersheim niedrige Arbeiten verrichten.

(Beifall)

Nach vielen Gesprächen am Rande des Plenums möchte ich allen Klinikkollegen sagen: Ihr seid unsere Brüder und Schwestern, aber ihr versteht bisher offenbar nicht unsere Probleme. Eine Krankenhausakte stellt vergleichsweise einen Firmenwagen dar, der von fünf bis sechs Mitarbeitern genutzt wird, von denen sich niemand um den überquellenden Aschenbecher und die zu geringe Reifenluft kümmern muss. Wir Niedergelassenen pflegen unsere Patientenakten als Logbuch einer lebenslangen Arzt-Patient-Beziehung. Dies ist ein verwahrter Datenschatz.

Wenn ich lese, dass sich Herr Oesingmann und Herr Professor Fuchs im "Deutschen Ärzteblatt" zu Recht gegen Versuche des Staates wehren, unsere ärztlichen Telefonleitungen abzuhören: Warum in Gottes Namen verbinden wir unsere Praxisdaten mit zentralen Servern und eröffnen weitere Abhörkanäle? Das ist eine Paradoxie des Datenschutzes, die ich nicht nachvollziehen kann.

(Beifall)

Dieses gesamte Technologieprojekt verschlingt ungeheure Summen, ob diese nun von den Kassen oder von den Ärzten aufgebracht werden. Das ist völlig egal. Wenn überhaupt, dürfte die Finanzierung nur aus Steuermitteln erfolgen. Jeder Zugriff auf die Finanzierung dieses Projekts aus Beitragsmitteln sollte rechtsstaatlich illegitim sein.

(Beifall)

Wir alle kennen die Entwicklung seit der Einführung der DRGs. Die Datenkörper unserer Patienten werden fortwährend kontaminiert. Jeder Patient, der das Krankenhaus verlässt, ist mit einem Mehltau von Pseudodiagnosen verseucht worden, die ihm später die Möglichkeit nehmen, eine private Krankenversicherung abzuschließen.

(Beifall)

Dieses Projekt ist im Gastrulastadium: Wir können nicht erkennen, ob es sich um einen Jungen oder um ein Mädchen handelt. Es ist für uns eine Frage des Renommees, dass wir keine Einfallstore für Angriffe auf unsere ärztliche Autonomie öffnen. Wir sind nicht stark genug, um zuzustimmen. Wenn wir sagen, wir wollten nur unter bestimmten Bedingungen zustimmen, dann frage ich mich, woher wir die Macht nehmen, das auch durchzusetzen. Wir sollten bescheiden sein und nicht so überheblich, dass wir meinen, wir könnten dem Staat Konditionen vorschreiben. Das Einzige, was wir tun können, ist, dass wir erklären: So nicht, Moratorium, völlig neue Konzeption, keine Zustimmung. Ich bitte die Kollegen aus der Klinik, die diese Problematik nicht so sehr betrifft, verständnisvoll, solidarisch und kollegial abzuwägen, was es für uns bedeutet, die Daten, die wir für die Patienten treuhänderisch verwalten, herauszugeben.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Schneider aus dem Saarland.

© Bundesärztekammer 2007