Dr. Brunngraber, Niedersachsen: Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie wegen der Redezeitbegrenzung
bitten, meinen Beitrag nicht durch unnötigen Beifall zu unterbrechen. Zu meinem
Vorredner möchte ich sagen: sein Optimismus zur Nichtmanipulierbarkeit der
Karte in Gottes Ohr! Die Datensätze werden in fünf Jahren sicher von den
Patienten selber manipulierbar sein. Ich verspreche Ihnen: Sollte das bis dahin
nicht so gekommen sein, werde ich an zwei Wochenenden in einem Altersheim
niedrige Arbeiten verrichten.
(Beifall)
Nach vielen Gesprächen am Rande des Plenums möchte ich allen
Klinikkollegen sagen: Ihr seid unsere Brüder und Schwestern, aber ihr versteht
bisher offenbar nicht unsere Probleme. Eine Krankenhausakte stellt
vergleichsweise einen Firmenwagen dar, der von fünf bis sechs Mitarbeitern
genutzt wird, von denen sich niemand um den überquellenden Aschenbecher und die
zu geringe Reifenluft kümmern muss. Wir Niedergelassenen pflegen unsere
Patientenakten als Logbuch einer lebenslangen Arzt-Patient-Beziehung. Dies ist
ein verwahrter Datenschatz.
Wenn ich lese, dass sich Herr Oesingmann und Herr Professor
Fuchs im "Deutschen Ärzteblatt" zu Recht gegen Versuche des Staates wehren,
unsere ärztlichen Telefonleitungen abzuhören: Warum in Gottes Namen verbinden
wir unsere Praxisdaten mit zentralen Servern und eröffnen weitere Abhörkanäle?
Das ist eine Paradoxie des Datenschutzes, die ich nicht nachvollziehen kann.
(Beifall)
Dieses gesamte Technologieprojekt verschlingt ungeheure
Summen, ob diese nun von den Kassen oder von den Ärzten aufgebracht werden. Das
ist völlig egal. Wenn überhaupt, dürfte die Finanzierung nur aus Steuermitteln
erfolgen. Jeder Zugriff auf die Finanzierung dieses Projekts aus
Beitragsmitteln sollte rechtsstaatlich illegitim sein.
(Beifall)
Wir alle kennen die Entwicklung seit der Einführung der DRGs.
Die Datenkörper unserer Patienten werden fortwährend kontaminiert. Jeder
Patient, der das Krankenhaus verlässt, ist mit einem Mehltau von
Pseudodiagnosen verseucht worden, die ihm später die Möglichkeit nehmen, eine
private Krankenversicherung abzuschließen.
(Beifall)
Dieses Projekt ist im Gastrulastadium: Wir können nicht
erkennen, ob es sich um einen Jungen oder um ein Mädchen handelt. Es ist für
uns eine Frage des Renommees, dass wir keine Einfallstore für Angriffe auf
unsere ärztliche Autonomie öffnen. Wir sind nicht stark genug, um zuzustimmen.
Wenn wir sagen, wir wollten nur unter bestimmten Bedingungen zustimmen, dann
frage ich mich, woher wir die Macht nehmen, das auch durchzusetzen. Wir sollten
bescheiden sein und nicht so überheblich, dass wir meinen, wir könnten dem
Staat Konditionen vorschreiben. Das Einzige, was wir tun können, ist, dass wir
erklären: So nicht, Moratorium, völlig neue Konzeption, keine Zustimmung. Ich
bitte die Kollegen aus der Klinik, die diese Problematik nicht so sehr
betrifft, verständnisvoll, solidarisch und kollegial abzuwägen, was es für uns
bedeutet, die Daten, die wir für die Patienten treuhänderisch verwalten,
herauszugeben.
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Schneider aus dem Saarland.
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