Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 20. Mai 2008, Vormittagssitzung

Ivo Gönner, Oberbürgermeister der Stadt Ulm: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein erster Gruß gilt zunächst einmal den Delegierten des Ärztetages.

(Beifall)

Mein Gruß gilt selbstverständlich auch allen Repräsentanten der Ärzteschaft, Herrn Präsident Hoppe an der Spitze. Mein Gruß gilt den Ministerinnen Frau Schmidt und Frau Dr. Stolz, den Abgeordneten und allen, die nach Ulm gekommen sind und bereits so viel über Ulm gehört haben, dass ich eigentlich gleich wieder aufhören kann.

Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Im Namen des Gemeinderats, aber auch ganz persönlich möchte ich Sie ganz herzlich begrüßen. Ich weiß, einige sind schon seit ein paar Tagen hier und wollen gar nicht mehr heim; andere sind erst heute gekommen und werden sich hier sicherlich wohlfühlen.

Ich bin eben vom Rathaus bis hierher zu Fuß gegangen; eine Viertelstunde laufen schadet ja nicht. Einige Bürger haben mich am Donauufer gefragt: Was ist denn das für ein Auflauf? Damit meinten sie diese Versammlung hier. Ich habe geantwortet: Dort findet der Ärztetag statt. - Daraufhin bekam ich zur Antwort: Passen Sie auf!

(Heiterkeit)

Daran erkennen Sie die Liebe der Bürgerschaft zum Oberbürgermeister. Ich habe gesagt: Wenn ich da umfalle, bekomme ich wenigstens schnell Hilfe.

Ich möchte Sie herzlich in Ulm begrüßen, in der gesündesten Stadt Deutschlands, wie bereits gesagt wurde. Ulm ist auch die sonnigste Stadt, aber auch die nebligste Stadt, denn im Herbst haben wir ordentlich Nebel und gelegentlich auch schlechtes Wetter. Das hat aber auch einen großen Vorteil; deswegen sind die Menschen hier so gesund. Sie wissen, die Menschen schmieren sich für Hunderte von Euro täglich Feuchtigkeitscreme ins Gesicht. Ein Ulmer hingegen steht eine Viertelstunde im Nebel auf dem Balkon, erzielt denselben Effekt, muss aber nichts bezahlen.

(Heiterkeit)

Das soll keine Richtschnur für zukünftige Gesundheitsreformen sein, wobei wir die Balkone in Ulm selbstverständlich zur Verfügung stellen würden.

Sie befinden sich hier in Ulm im östlichsten Teil des Landes Baden-Württemberg, unmittelbar an Bayern angrenzend. Die Donau trennt uns. Daran ist Napoleon schuld. Wir sind aber ein schwäbischer Stamm, natürlich durch hohe Tugenden ausgezeichnet, die sich in unserem heutigen Leben dokumentieren: in unserer Wirtschaftsstadt, in unserer Universitätsstadt, in unserer Wissenschaftsstadt, vor allem auch in unserer großen Tradition, die Basis für unsere Zukunft ist. Wir waren ehemals eine freie Reichsstadt. Das prägt die Bürgerschaft bis zum heutigen Tag: Im Zweifelsfall machen wir es selber.

(Beifall)

Deswegen haben schon vor über 500 Jahren der Bürgermeister und der Gemeinderat beschlossen, ein eigenes Gesundheitswesen aufzubauen. Dafür wurden dann auch sogenannte Stadt-Medici angestellt. Ich habe nachgeschaut: Sie erhielten ein für damalige Verhältnisse horrendes Gehalt, 200 Gulden. Sie erhielten darüber hinaus eine angemessene Wohnung.

Allerdings ist jährlich über die Qualität der Stadt-Medici abgestimmt worden. War die Bürgerschaft zufrieden, wurde der Vertrag verlängert. War die Bürgerschaft nicht zufrieden, ist der Vertrag gekündigt worden. Ich weiß nicht, ob das nächstens bei unserer Selbstverwaltung auch ein Leitsatz sein soll. Das könnte man ja einmal einführen.

War der Stadt-Medicus erfolgreich, waren die Leute mit ihm zufrieden, durfte er als Bonbon 14 Tage im Jahr außerhalb der Stadtmauern praktizieren und sich so ein Zubrot verdienen. Allerdings wurde ihm auferlegt, sein Honorar nur nach der Schwere der Krankheit zu bemessen und nicht nach den Vermögensverhältnissen des Patienten. Ich weiß nicht, ob das heutzutage Anklang fände.

(Heiterkeit)

Diese alte reichsstädtische Tradition hat sich bewährt.

Ich freue mich, dass Sie viele Themen aufgreifen, die übrigens in der Geschichte traditionsreicher Städte so aktuell waren wie heute. Selbstverständlich ist die heutige Generation der Meinung, dass das, was sie bewegt, das Allerwichtigste der Welt sei. Dies alles ist jetzt hier in Ulm zu Ihrem Ärztetag zusammengeführt. Dazu wünsche ich Ihnen alles Gute.

Dass Albert Einstein hier geboren wurde, wurde ja schon mehrfach erwähnt. Dazu möchte ich Ihnen folgende nette Geschichte erzählen. Nachdem Albert Einstein den Nobelpreis erhalten hatte, haben sich die Ulmer gefragt: Wie ehrt man einen solchen berühmten Menschen? Hier sehen Sie einen klassischen Zug unserer schwäbischen Seele: Der Gemeinderat hat lange beraten und festgestellt, die größte Ehre sei es, eine Straße nach ihm zu benennen; das erfordert nur die Ausgabe der Herstellungskosten von Straßenschildern. Als die Nazis begannen, auch in Ulm ihr Unwesen zu treiben, war eine ihrer ersten Maßnahmen, diese Straßenschilder abzuschrauben und eine Umbenennung in "Fichtestraße" vorzunehmen. Die Ulmer haben die alten Straßenschilder aber nicht weggeworfen, sondern im Keller des Rathauses gelagert und nach dem Krieg wieder angeschraubt. Hier sehen Sie das zweite schwäbische Prinzip: Nichts wegschmeißen!

(Heiterkeit)

Die Ulmer wurden aber von Reue erfasst und haben Albert Einstein einen Brief geschrieben: Man habe ihm aus Anlass einer großen Ehrung eine Straße gewidmet, die durch unwirtliche Umstände kurzfristig umbenannt worden sei, aber nun werde man die alten Schilder wieder montieren, was er denn dazu meine.

Albert Einstein antwortete, er fühle sich sehr geehrt, denn im Leben eines Menschen komme es nicht oft vor, dass eine Straße zweimal nach ihm benannt werde.

(Heiterkeit)

Er gebe den Ulmern - ich füge hinzu: weit darüber hinaus - einen guten Rat: Sie sollten in Zukunft diese Straße "Fähnchen-nach-dem-Wind-Straße" nennen, dann seien sie gegen alle politischen Eventualitäten gefeit.

(Heiterkeit - Beifall)

Ich will Ihnen diesen kostenlosen Ratschlag an Ihren Ärztetag weitergeben. Dieser Rat von Albert Einstein richtet sich ja nicht nur an die Ulmer, sondern an alle. Wie oft halten wir aus Karrieregründen, weil wir Ruhe und Frieden haben wollen, weil wir auch einen notwendigen und sinnvollen Konflikt nicht aushalten wollen, unser Fähnchen nach dem Wind?

Nehmen Sie Albert Einstein und seine Botschaft als Leitsatz für Ihren Ärztetag. Herzlich willkommen!

(Anhaltender Beifall)

(Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 12 A-Dur in der Klavierquintettfassung des Komponisten, 2. Satz: Andante)

© Bundesärztekammer 2008