Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 20. Mai 2008, Vormittagssitzung

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages und Präsident der Ärztekammer Nordrhein: Wir kommen zur Verleihung der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft. Auf Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer, der auf dem Deutschen Ärztetag zu verkünden ist, werden jährlich mit der Paracelsus-Medaille Ärztinnen und Ärzte ausgezeichnet, die sich durch erfolgreiche berufsständische Arbeit, vorbildliche ärztliche Haltung oder hervorragende wissenschaftliche Leistungen besondere Verdienste um das Ansehen der Ärzteschaft erworben haben.

Der Vorstand der Bundesärztekammer beschloss im Dezember 2007, auf dem 111. Deutschen Ärztetag mit der Paracelsus-Medaille auszuzeichnen: Herrn Professor Dr. med. Fritz Beske, Herrn Professor Dr. med. Heyo Eckel, Herrn Dr. med. Siegmund Kalinski und Herrn Professor Dr. med. Dr. phil. Horst-Eberhard Richter. Ich bitte die vier Herren auf die Bühne.

(Beifall)

Die Verleihungsurkunden haben folgenden Wortlaut:

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Fritz Beske in Kiel, Prof. Dr. med., Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Fritz Beske einen Arzt, der sich in mehr als 55 Jahren seiner aktiven Tätigkeit herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Als anerkannter Wissenschaftler analysiert er mit Kompetenz und Sachverstand die Struktur des Gesundheitssystems und ist so zu einem unentbehrlichen Politikberater geworden. Seine Gutachten sind keine abstrakten akademischen Abhandlungen, sondern konkrete Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger. Auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene hat er sich darüber hinaus viele Jahre in zahlreichen haupt- und ehrenamtlichen Funktionen gesundheitspolitisch engagiert. Fritz Beske hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Beske wurde am 12. Dezember 1922 in Wollin, Pommern, als ältestes von drei Kindern des praktischen Arztes Fritz Beske und seiner Ehefrau Klara geboren. In Neustettin, Pommern, legte er 1940 die Abiturprüfung ab. Während des Zweiten Weltkrieges war er bei der Kriegsmarine eingesetzt, zunächst auf Minenräumbooten, dann als U-Boot-Offizier. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft arbeitete er ein Jahr als Bergmann im Ruhrgebiet. Sein Vater wurde seit Kriegsende in Russland vermisst. Trotz widriger Umstände begann Beske 1946 im Alter von 23 Jahren das Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Schon während des Studiums war er politisch aktiv und wurde 1949 zum Vorsitzenden des Allgemeinen Studentenausschusses gewählt. Das Medizinstudium schloss er 1951 ab und wurde im gleichen Jahr zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertation mit dem Titel "Das Bronchialkarzinom" entstand an der Chirurgischen Universitätsklinik in Kiel unter Leitung von Prof. Wanke. Nach dem Studium begann Beske 1952 eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Hygiene-Institut der Universität Kiel unter Prof. Klose. Diese Arbeit unterbrach er 1954: An der Universität Michigan in Ann Arbor, USA, erwarb er den Abschluss Master of Public Health (MPH), mit dem er 1955 an das Kieler Institut zurückkehrte. Beske dürfte damit einer der ersten Deutschen gewesen sein, der eine solche Qualifikation vorweisen konnte.

Schnell zeigte sich, dass der Sachverstand des ambitionierten jungen Arztes gefragt war: 1958 wurde er Referent in der Gesundheitsabteilung des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein. Beske, der 1960 sein Amtsarztexamen ablegte, machte sich aber auch einen Namen über die Landesgrenzen hinaus, sodass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihn in das europäische Büro nach Kopenhagen holte, wo er von 1961 bis 1964 als internationaler Beamter arbeitete. 1965 kehrte Beske jedoch ins Innenministerium nach Kiel zurück und stieg dort zum Leiter der Gesundheitsabteilung auf. Von 1971 bis 1981 schließlich bekleidete er das Amt des Staatssekretärs im Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein unter dem Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg (CDU). Der Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen hat die Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein in dieser Zeit geprägt. Maßgeblich war er an der Krankenhausplanung, insbesondere an der Sanierung und Umstrukturierung der Landeskrankenhäuser beteiligt. Das Bundesland verdankt seiner Initiative die Landesklinik für Suchtkranke, das Landesseminar für Krankenpflege, die Arzneimitteluntersuchungsstelle und die für Umwelttoxikologie.

Nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene war Beske, seit 1955 CDU-Mitglied, politisch aktiv. Dem Bundesfachausschuss für Gesundheitspolitik der CDU stand er von 1972 bis 1983 vor. "Mehr Sachverstand in die gesundheitspolitische Diskussion", das ist wohl sein wichtigster Grundsatz. Dass sich manche Entscheidungsträger ohne entsprechendes Hintergrundwissen zu gesundheitspolitischen Fragen äußern, war und ist für ihn nicht akzeptabel. Beske unterdessen scheute sich nicht, auch Tabuthemen wie die Rationierung von Leistungen anzusprechen. Er setzte sich schon damals für eine Überarbeitung des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein. Angesichts des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts hielt er dies für dringend geboten, wenn es auch künftig eine moderne medizinische Versorgung für alle Menschen geben solle. In diesem Zusammenhang forderte er eine Entlastung der GKV von versicherungsfremden Leistungen. Schon in den Siebzigerjahren vertrat er die Ansicht, dass nicht - wie von manchen Politikern behauptet - allein durch mehr Effizienz im Gesundheitswesen die Finanzprobleme der GKV zu lösen seien. Das gesundheitspolitische Programm der CDU aus dem Jahr 1978 trägt Beskes Handschrift. Sein grundsätzliches Plädoyer für ein freiheitlich organisiertes und selbstverwaltetes Gesundheitswesen und gegen ein bürokratisches, staatliches Versorgungssystem hat nicht an Aktualität verloren. Sein Name stand schon in seiner Zeit als aktiver Politiker für klare, fundierte Positionen und eine umfassende Sachkenntnis.

Nach dem Ende seiner Tätigkeit als Staatssekretär widmete sich Beske, den die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck 1973 zum Honorarprofessor ernannte, ganz der wissenschaftlichen Arbeit in dem 1975 von ihm gegründeten Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel (IGSF). Dieses trägt heute den Namen Fritz-Beske-Institut für Gesundheits-System-Forschung und war von 1983 bis 2004 Kooperationszentrum der WHO. Das Institut gibt eine Schriftenreihe heraus, in der bisher 109 Bände erschienen sind. Ein zentrales Thema der allseits beachteten und anerkannten Forschungsarbeiten ist dabei die Zukunft der GKV, insbesondere deren Finanzierbarkeit und die Neubestimmung des Leistungskatalogs. Um die Politik zu mahnen, rechnet Beske regelmäßig vor, wie sich die Kosten im Gesundheitswesen entwickeln, wenn die Entscheidungsträger nicht handeln wie zuletzt im Zukunftsszenario "Gesundheitsversorgung 2050". Weitere Bücher, Fachaufsätze und Gutachten aus Beskes Feder befassen sich unter anderem mit den Themen Krankenhausfinanzierung, ärztliche Ausbildung, Qualitätssicherung und der Förderung der Allgemeinmedizin. Das wissenschaftliche Publizieren ist für Beske eine Herzensangelegenheit: Neben seiner Arbeit im IGSF war er von 1966 bis 2001 Schriftleiter der Zeitschrift "Das öffentliche Gesundheitswesen" (seit 1993 "Das Gesundheitswesen"), die im Thieme-Verlag erscheint.

Zusätzlich zu seinen vielfältigen hauptamtlichen Tätigkeiten, denen Beske während seiner Laufbahn nachgegangen ist, engagierte er sich ebenfalls in vorbildlicher Weise in ehrenamtlichen Funktionen. Vier Jahre war er für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) aktiv, unter anderem als Vizepräsident des DRK-Landesverbandes Schleswig-Holstein und als Vorsitzender des Verwaltungsrates des DRK-Blutspendedienstes für Hamburg und Schleswig-Holstein.

Auch aus der Kommunalpolitik ist Beske nicht wegzudenken: Lange Zeit war er als bürgerliches Mitglied im Gesundheitsausschuss der Stadt Kiel tätig, von 1959 bis 1962 als Ratsherr.

Für sein vielfältiges, unermüdliches und erfolgreiches Engagement erhielt Beske zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, das Ehrenzeichen des DRK, die Johann-Peter-Frank-Medaille des Bundesverbandes der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, die Goldene Ehrennadel der Deutschen Zahnärzteschaft und die "Health for All by the Year 2000 Medal" der WHO. Bald soll sogar ein Preis nach ihm benannt werden: Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein plant gemeinsam mit der Ärztekammer Schleswig-Holstein, den Fritz-Beske-Preis für Gesundheitssystemforschung ins Leben zu rufen, um Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlern auszuzeichnen.

Beskes Arbeitseifer ist bis heute ungebrochen, Ruhestand ist für ihn auch mit 85 Jahren kein Thema. Seit nunmehr 56 Ehejahren steht ihm seine Frau Lore zur Seite, der wichtigste Mensch in seinem Leben, wie Beske sagt. Der 1958 geborene gemeinsame Sohn Christoph ist ebenfalls promovierter Arzt.

Fritz Beske hat während seiner aktiven politischen Laufbahn sowie als Wissenschaftler die gesundheitspolitische Diskussion durch sein klares Urteil und sein umfassendes Fachwissen enorm bereichert. Sein Einsatz für ein freiheitliches, selbstverwaltetes Gesundheitswesen sowie sein ehrenamtliches Engagement sind vorbildlich. Fritz Beske hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

111. Deutscher Ärztetag in Ulm, 20. Mai 2008, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Heyo Eckel in Göttingen, Prof. Dr. med., Facharzt für Radiologie, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Heyo Eckel einen Arzt, der sich in mehr als 40 Jahren seines aktiven Berufslebens sowie in seinem langjährigen berufspolitischen Engagement herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Er war 16 Jahre lang Präsident der Ärztekammer Niedersachsen und hat sich in zahlreichen Gremien der Bundesärztekammer engagiert, unter anderem als Vorsitzender des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung und Vorsitzender der Akademie der Gebietsärzte. Sein besonderer Einsatz galt der Weiter- und Fortbildung sowie dem Thema Umwelt und Gesundheit. Vorbildlich ist ebenfalls sein Engagement in der niedersächsischen Landesstiftung "Kinder von Tschernobyl". Heyo Eckel hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Eckel wurde am 8. Februar 1935 in Berlin als Sohn der Radiologen Prof. Dr. med. Paul Eckel und Dr. med. Edith Eckel geboren. Sein Elternhaus, in dem er gemeinsam mit vier Schwestern aufwuchs, hat schon früh seine Lebensplanung und sein ärztliches Selbstverständnis geprägt. Nicht nur die ärztliche Tätigkeit seiner Eltern hat Eckels Berufswahl beeinflusst, sondern insbesondere sein Vater, der von 1958 bis 1971 Präsident der Ärztekammer Niedersachsen war, dürfte eine Vorbildfunktion gehabt haben. Schon in jungen Jahren bekam er so einen Zugang zur Medizin und zur ärztlichen Selbstverwaltung. Nachdem er 1955 die Abiturprüfung in Nienburg an der Weser abgelegt hatte, schrieb er sich für das Fach Humanmedizin ein und studierte in Tübingen, Mainz, Erlangen und Göttingen. Nach dem Staatsexamen wurde er 1962 an der Medizinischen Fakultät der Georg-August-Universität in Göttingen zum Dr. med. promoviert. Dass er sich schon früh für umweltmedizinische Themen begeisterte, verdeutlicht der Titel seiner Dissertationsarbeit: "Entwicklung ländlicher Wasserversorgungsanlagen am Beispiel des Landkreises Einbeck auf dem Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Göttingen". Die Arbeit erstellte er unter Leitung von Prof. Brandis. Seine Medizinalassistentenzeit leistete Eckel in der Medizinischen und Chirurgischen Klinik des Städtischen Nordstadtkrankenhauses in Hannover sowie in der Niedersächsischen Landesfrauenklinik, ebenfalls Hannover. Zunächst setzte er dann seine internistische Weiterbildung fort und war an der Medizinischen Klinik des Robert-Koch-Krankenhauses des Landkreises Hannover in Gehrden tätig. 1967 begann er seine Weiterbildung im Fach Radiologie und wechselte dazu an die Medizinische Hochschule Hannover (MHH). Dort arbeitete er am Institut für klinische Radiologie unter Leitung von Prof. Stender.

Damals begann Eckel auch sein berufspolitisches Engagement: Er war als Assistentensprecher aktiv. An der MHH erkannte und schätzte man die Einsatzfreude und fachliche Kompetenz des jungen Arztes. Nachdem er die Facharztprüfung für Radiologie abgelegt hatte, wurde er 1971 zum Oberarzt und 1973 zum Leitenden Oberarzt ernannt.

Eckels Interesse galt aber nicht nur der praktisch-klinischen Arbeit, sondern auch der Forschung. 1975 erhielt er die Venia Legendi für das Fach Radiologie. Seine Habilitationsschrift mit dem Titel "Entwicklung von Tumoren in der bestrahlten Rattenniere nach Dimethylnitrosamin" entstand unter Leitung von seinem Chef Prof. Stender sowie Prof. Mohr vom Institut für experimentelle Pathologie der MHH. In zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Publikationen beschäftigte er sich mit klinischen Fragen der Ultraschalldiagnostik, der Strahlenbiologie und der Dünndarmdiagnostik. Zu seinen besonderen Themen gehörten auch patientenbezogene beziehungsweise medizinbezogene Umweltfragen.

1976 wurde er Chefarzt des Instituts für klinische Radiologie des Evangelischen Krankenhauses Göttingen-Weende, 1981 Professor an der Georg-August-Universität in Göttingen. Eckel hat sich nicht nur außerordentliche Verdienste in der Patientenversorgung und Forschung erworben, sondern auch in der Ausbildung von Medizinstudenten. Als Lehrbeauftragter der Universität Göttingen bereitete er eine Vielzahl von Studierenden im Praktischen Jahr auf den Arztberuf vor. 1999 wurde er Ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Weende. Diese Funktion hatte er bis 2006 inne, als er in den Ruhestand trat.

Eckel engagierte sich seit 1978 in der ärztlichen Standespolitik, zunächst als Mitglied der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen, dann ab 1982 als Vorstandsmitglied. Von 1990 bis 2006 leitete er die Geschicke der Kammer als deren Präsident. Dabei stand für ihn stets die Sacharbeit im Vordergrund, getreu seinem Motto "Mehr Sein als Schein". Bei der Ärztekammer Niedersachsen initiierte er unter anderem die Einrichtung des Arbeitskreises Umwelt und Gesundheit. Ein wichtiges Anliegen war ihm stets die Weiter- und Fortbildung sowie die Prävention. Nach der Wende setzte sich Eckel für einen zügigen Aufbau der ärztlichen Selbstverwaltung in den neuen Bundesländern ein: Er unterstützte den Aufbau der Ärztekammer in Sachsen-Anhalt sowie der berufsständischen Versorgungseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Darüber hinaus hat er das Projekt "SUPPORT" nachhaltig gefördert, eine Göttinger Initiative zur Unterstützung der regionalen Versorgung von Patienten mit Tumorschmerzen, an dem auch die Universitätsklinik Göttingen beteiligt ist. 2006 wurde er zum Ehrenpräsidenten der Ärztekammer Niedersachsen ernannt.

Eckels Einsatz blieb aber nicht auf Niedersachsen beschränkt. Als Kammerpräsident war er 16 Jahre lang Mitglied des Vorstands der Bundesärztekammer (BÄK). Auch auf Bundesebene machte er sich insbesondere für die ärztliche Weiter- und Fortbildung stark.

1995 wurde er Vorsitzender des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung, ein Amt, das er bis 2007 innehatte. Außerdem engagierte er sich als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses beziehungsweise der Ständigen Konferenz Weiterbildung der BÄK. Bereits seit 1987 war Eckel im Vorstand der Akademie der Gebietsärzte, 1999 wurde er Vorsitzender dieses Gremiums. Er war außerdem Vorsitzender des Ausschusses Gesundheit und Umwelt der BÄK. In seiner berufspolitischen Tätigkeit hat er sich stets gegen eine Ökonomisierung der Medizin gewandt. Für ihn ist der Patient keinesfalls ein Kunde, der Arztberuf kein Gewerbe.

Eckels wichtigste Botschaft innerhalb und außerhalb der Ärzteschaft ist die Freiheit des ärztlichen Berufs und die Verpflichtung der Ärzte, diesen nach ihrem Gewissen und den Geboten ärztlicher Ethik und Menschlichkeit auszuüben. Eckels Engagement ging weit über die Berufs- und Standespolitik hinaus. Vorbildlich ist sein Einsatz für die niedersächsische Landesstiftung "Kinder von Tschernobyl", der er seit deren Gründung angehört. 1997 wurde er Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung. Die Organisation hilft den Opfern der Reaktorkatastrophe, die nunmehr 22 Jahre zurückliegt. Dem großen persönlichen Einsatz Eckels ist es zu verdanken, dass es der Stiftung gelungen ist, die medizinische Versorgung der Strahlenopfer in Weißrussland und der Ukraine zu verbessern. Für sein vielfältiges, unermüdliches und erfolgreiches Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, das Verdienstkreuz Erster Klasse des Niedersächsischen Verdienstordens, die Johann-Peter-Frank-Medaille des Bundesverbandes der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitswesens und die Hartmann-Thieding-Medaille des Hartmannbundes. Für seinen Einsatz für die Opfer von Tschernobyl wurde er unter anderem mit dem Franziska-Skoryini-Orden der weißrussischen Regierung und dem Verdienstorden des ukrainischen Präsidenten geehrt.

Eckel ist auch heute in seinem Ruhestand noch aktiv. Er engagiert sich nunmehr als stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung "Kinder von Tschernobyl".

Seit vielen Jahren steht ihm seine Ehefrau Gilrun zur Seite. Er hat zwei Kinder.

Heyo Eckel hat sich mit seinem langjährigen berufs- und standespolitischen Engagement außerordentliche Verdienste erworben, besonders um die ärztliche Weiter- und Fortbildung. Das Thema Umwelt und Gesundheit hat er verstärkt ins Bewusstsein der Ärzteschaft gerückt. Sein humanitäres Engagement für die Opfer der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist vorbildlich. Eckel hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

111. Deutscher Ärztetag in Ulm, 20. Mai 2008, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Siegmund Kalinski in Frankfurt, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Siegmund Kalinski einen Arzt, der sich in mehr als 40 Jahren seiner ärztlichen Tätigkeit und mit seinem langjährigen berufspolitischen Engagement herausragende Verdienste um das Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat.

Als Allgemeinmediziner mit Weiterbildungsermächtigung und Lehrbeauftragter an der Universität Frankfurt am Main hat er sich für die Förderung des hausärztlichen Nachwuchses starkgemacht. Er hat sich viele Jahre in den Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung engagiert und als Journalist zu gesundheitspolitischen Fragen kompetent und kritisch Stellung bezogen. Vorbildlich ist sein Einsatz für die deutsch-polnischen Beziehungen und die Aufarbeitung des Holocaust. Siegmund Kalinski hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das deutsche Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Kalinski wurde am 21. März 1927 in Krakau, Polen, als jüngstes von drei Kindern des Kaufmannes Leopold Klausner und seiner Ehefrau Nina geboren. Sein Vater stammte aus Berlin, seine Mutter aus Wien. Beide waren Juden und wurden während des Zweiten Weltkrieges von den Nazis verschleppt. Sein Vater wurde 1942 im Vernichtungslager Belzec ermordet, seine Mutter ein Jahr später in Treblinka. Er selbst kam 1942, im Alter von 15 Jahren, ins Konzentrationslager Szebnie in Südpolen, 1943 nach Auschwitz. Mit dem Näherrücken der russischen Truppen trieben die Nazis im Januar 1945 die völlig geschwächten Lagerinsassen in das 70 Kilometer entfernte KZ Gleiwitz, bei Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius. Tausende starben. Kalinski überlebte diesen Weg, der als Todesmarsch in die Geschichte eingegangen ist, und kam über weitere Stationen ins KZ Flossenbürg in der Oberpfalz. Im April 1945, kurz vor Kriegsende, gelang ihm die Flucht in einer leeren Munitionskiste. Er schaffte es bis in von den Alliierten kontrolliertes Gebiet. "47 Kilo bei einer Größe von 1,84" dokumentierte der französische Stabsarzt, der ihn damals untersuchte. Mit 18 Jahren kehrte er in seine Heimat zurück. Von seinen Angehörigen hatte fast niemand überlebt. Der Familienname Klausner wurde 1947 "polonisiert" und in Kalinski umgewandelt. Trotz all dem unermesslichen Grauen und Leid, das Kalinski erlebt hatte, blickte er nach vorn: 1947 legte er die Abiturprüfung in Krakau ab und nahm dort das Studium der Humanmedizin auf. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Conferencier und freier Journalist, manchmal auch als Witze-Erzähler in einem Nachtclub. Nach dem Examen 1954 arbeitete er als Krankenhaus- und Werksarzt in Kattowitz, später unter anderem als Schiffsarzt auf einem polnischen Handelsschiff. Da Kalinski mit dem kommunistischen System in Polen immer wieder in Konflikt geriet, floh er 1963 in den Westen, zunächst nach Wien. 1965 kam er nach Deutschland. Als Assistenzarzt arbeitete er in Rheydt, Nordrhein-Westfalen, dann im Krankenhaus in Höchst, Frankfurt am Main.

1968 wurde er zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertation mit dem Titel "Das Stein-Leventhal-Syndrom dargestellt an den Fällen der Offenbacher Frauenklinik in den Jahren 1954/1966" entstand an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main unter Prof. Dr. med. Herbert Lewin. Im gleichen Jahr wurde er eingebürgert, ließ sich als praktischer Arzt in Frankfurt nieder und fand hier dauerhaft eine neue Heimat.

Kalinski hat sich in besonderer Weise um die Allgemeinmedizin verdient gemacht: Nachdem er 1970 die Facharztanerkennung und 1977 die Weiterbildungsermächtigung für dieses Gebiet erhalten hatte, bildete er mehr als 50 junge Ärzte aus und wurde 1984 Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Universität in Frankfurt am Main. 1992 habilitierte er sich mit der Arbeit "Allgemeinmedizin als Basis der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung" an der Jagellonen-Universität Krakau, seiner ehemaligen Alma Mater. 28 Jahre lang war Kalinski in seiner Hausarztpraxis in vorbildlicher Weise für seine Patienten da. Dabei sah er immer den Menschen als Ganzes und kümmerte sich sowohl um die medizinischen als auch die psychischen und sozialen Belange der Kranken, 1978 erwarb er die Zusatzbezeichnung Psychotherapie. Im März 1996, mit fast 69 Jahren, gab er die Praxis an eine Nachfolgerin ab.

Kalinskis Einsatz beschränkte sich aber nicht auf sein Fachgebiet. Auch aus der ärztlichen Berufs- und Standespolitik ist er nicht wegzudenken. Seit 1980 ist er Mitglied der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer (LÄK) Hessen, außerdem war er viele Jahre im Finanzausschuss sowie in anderen Ausschüssen aktiv. Kalinski betätigte sich darüber hinaus als Prüfer für das Gebiet Allgemeinmedizin im Weiterbildungswesen der LÄK Hessen. 1996 wurde er Mitglied des Präsidiums dieser Kammer und ist es bis heute. Die Liste seiner Aktivitäten ist lang: Bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen war er von 1981 bis 1996 Mitglied des Geschäftsausschusses in Frankfurt am Main. Auf Bundesebene repräsentierte er viele Jahre lang die KV Hessen bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Seine berufspolitische Heimat ist der Bundesverband der praktischen Ärzte, der heutige Hausärzteverband. Zudem ist er Mitglied im NAV-Virchow-Bund. In den ersten 20 Jahren seines berufspolitischen Engagements in Hessen hatte Kalinski so gut wie niemandem etwas von seinem Schicksal während der Naziherrschaft erzählt. Doch bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Abtreibung, als ein Gynäkologe die Meinung vertrat, Abtreibung sei genauso Mord wie Auschwitz, brach er sein Schweigen. Zutiefst verletzt und empört stand er auf und sagte: "So geht das nicht. Das können Sie nicht vergleichen. Ich war in Auschwitz."

Vermutlich hat gerade sein eigenes Schicksal Kalinski zu einem so engagierten, politischen und äußerst kritischen Menschen werden lassen, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Er selbst beschreibt sich als ironisch und sarkastisch. Seit nunmehr 20 Jahren bringt er unter dem Pseudonym "Ironius" mit der Kolumne "Und so seh ich es" die Leser der Ärzte Zeitung zum Schmunzeln und Nachdenken. Mit spitzer Feder und viel Humor wird er nicht müde, die Schwachpunkte des Gesundheitswesens, der Gesundheitspolitik, aber auch der ärztlichen Selbstverwaltung und der Ärzte selbst beim Namen zu nennen. Mit seiner Kritik an der zunehmenden Ökonomisierung der Patientenversorgung, der überbordenden Bürokratie, aber auch der oftmals negativen Darstellung von Ärztinnen und Ärzten in den Medien dürfte er vielen Kollegen aus der Seele sprechen. Knapp 1 500 Glossen hat er mittlerweile als "Ironius" verfasst. Darüber hinaus thematisiert er in Kommentaren wichtige gesundheitspolitische Themen, wie beispielsweise den ärztlichen Nachwuchsmangel. Der Allgemeinmediziner ist ebenfalls als Autor für das Hessische Ärzteblatt und andere Fachzeitschriften tätig. Kalinskis Interesse und Engagement gehen weit über gesundheitspolitische Themen hinaus. Viele Jahre war er ehrenamtlicher Richter beim Hessischen Finanzgericht in Kassel. Besondere Verdienste hat er sich außerdem um die deutsch-polnische Verständigung erworben. So initiierte er beispielsweise Anfang der Neunzigerjahre Sammelaktionen für Polen, für die Arzneimittel im Wert von rund 60 Millionen Mark gespendet wurden. Darüber hinaus hat er sich in besonderer Weise für die Versöhnung von Juden und Deutschen eingesetzt. Er ist Mitglied im Rat der Überlebenden des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am Main, einem Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust.

Für sein vielfältiges, unermüdliches und erfolgreiches Engagement erhielt Kalinski zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1987 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 1997 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, außerdem die Ehrenplakette in Silber und die Dr.-Richard-Hammer-Medaille der Landesärztekammer Hessen, die Johanna-Kirchner-Medaille der Stadt Frankfurt am Main sowie die Goldene Ehrennadel des Hausärzteverbandes. Auch mit mittlerweile 81 Jahren ist er voller Tatendrang. Ein Rückzug aus seiner Vielzahl von Aktivitäten ist in absehbarer Zeit nicht geplant.

Siegmund Kalinski hat sich als Arzt und Hochschullehrer besondere Verdienste um die Allgemeinmedizin erworben. Mit viel Energie und Schaffenskraft ist er bis heute in ehrenamtlichen Funktionen und als Journalist aktiv. Vorbildlich ist sein Einsatz für die deutsch-polnischen Beziehungen und die Aufarbeitung des Holocaust. Sein Engagement für die deutsche Gesellschaft ist nicht zuletzt angesichts seiner eigenen Lebensgeschichte mehr als bemerkenswert. Kalinski hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

111. Deutscher Ärztetag in Ulm, 20. Mai 2008, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Horst-Eberhard Richter in Gießen, Prof. Dr. med. Dr. phil., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapeutische Medizin, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Horst-Eberhard Richter einen Arzt, der sich in seiner langjährigen ärztlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit sowie mit seinem politischen und sozialen Engagement herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Er zählt zu den Pionieren der modernen Psychoanalyse und einer ganzheitlichen Medizin. Fast 30 Jahre war er Inhaber eines der ersten Lehrstühle für Psychosomatik an der Universität Gießen. Mit seinen politischen, psychologischen und philosophischen Veröffentlichungen fand er nicht nur in Fachkreisen Beachtung, sondern hat als Autor ein breites Publikum erreicht. Vorbildlich ist sein unermüdlicher Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden. Horst-Eberhard Richter hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Richter wurde am 28. April 1923 in Berlin als einziges Kind des Ingenieurs Otto Richter und seiner Ehefrau Charlotte geboren. Als 18-Jähriger wurde er zum Militär eingezogen und diente an der Front in Russland. Nach dem Krieg geriet er in Kriegsgefangenschaft. Erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland erfuhr er, dass seine Eltern zwei Monate nach Kriegsende bei einem Spaziergang von zwei betrunkenen Russen erstochen worden waren. Auf sich allein gestellt studierte Richter in Berlin Humanmedizin, Psychologie und Philosophie. Nachdem er 1949 das Studium abgeschlossen hatte und zum Dr. phil. promoviert worden war, absolvierte er von 1950 bis 1954 am Berliner Psychoanalytischen Institut eine Ausbildung zum Psychoanalytiker. Zugleich war er seit 1952 leitender Arzt an der Beratungs- und Forschungsstelle für seelische Störungen im Kindesalter am Kinderkrankenhaus im Berliner Arbeiterviertel Wedding. Dort sammelte er wichtige Erfahrungen, die ihn und seinen therapeutischen Ansatz nachhaltig prägten. Der junge Arzt erkannte, dass psychische Auffälligkeiten von Kindern oftmals als die Symptome kranker Eltern zu verstehen waren. Mit dieser Erkenntnis stand Richter für eine Betrachtungsweise, die in der Psychoanalyse bis dahin eher unüblich war, denn diese konzentrierte sich in erster Linie auf das Individuum und dessen innere Konflikte. Nach Beendigung der psychoanalytischen Ausbildung arbeitete er ab 1955 an der Neurologischen und Psychiatrischen Klinik der Freien Universität Berlin zunächst als Assistenzarzt, dann als Oberarzt. Mit der Dissertationsarbeit "Akustischer Funktionswandel bei Sprachtaubheit" wurde Richter 1957 zum Dr. med. promoviert. Von 1959 bis 1962 leitete er das Berliner Psychoanalytische Institut.

Richter ist Wegbereiter der psychoanalytischen Familientherapie. Das von ihm entwickelte Konzept von unbewussten Konflikten zwischen Eltern und Kind als Hintergrund kindlicher Störung gilt als wesentliche Ergänzung zu Freuds Theorie. Mit dem Standardwerk "Eltern, Kind und Neurose" hat er bleibenden Einfluss ausgeübt. 1962 wurde er auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Psychosomatik und Psychotherapie der Justus-Liebig-Universität Gießen berufen und mit dem Aufbau einer psychosomatischen Klinik betraut. Unter seiner Federführung entstand ein interdisziplinäres Zentrum mit Abteilungen für Klinische Psychosomatik, Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, das Modellcharakter hatte. Richters Initiative führte 1970 zur Aufnahme dieser drei Fächer in den Pflichtkatalog des Medizinstudiums. Bis zu seiner Emeritierung 1991 war er Direktor der Gießener Einrichtung, in dem auch die Selbsthilfebewegung ein koordinierendes Zentrum fand. Von 1992 bis 2002 leitete er das Frankfurter Sigmund-Freud-Institut.

Richters psychosomatische Forschungsarbeit fand große Beachtung. Er leitete von 1964 bis 1968 mit Prof. Beckmann das Forschungsprojekt "Herzneurose". Gemeinsam entwickelten sie auch den international anerkannten Gießen-Test, einen Fragebogen zur Individual- und Gruppendiagnose. Engagiert beteiligte sich Richter darüber hinaus an der Reform der deutschen Psychiatrie, unter anderem in der Enquete-Kommission über die Lage der Psychiatrie. Er setzte sich besonders für die wohnortnahe Versorgung in ländlichen Gebieten ein. Richter ist einer der Pioniere der Psychosomatik. Als er den Gießener Lehrstuhl übernahm, waren die Gedanken einer ganzheitlichen Medizin keine Selbstverständlichkeit. Seine Abteilung wurde ein Anziehungspunkt für qualifizierte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland, eine beliebte Weiterbildungsstätte und Ausgangsort für zahlreiche Fortbildungen. Stets verlangte Richter auch außerhalb des Faches Psychosomatik eine neue Sichtweise des Patienten. Krankheit ist für ihn mehr als ein messbarer Zustand. Deshalb forderte er, der Arzt müsse auch die psychischen Belange der Patienten im Blick haben. Richter plädierte für eine neue Arzt-Patienten-Beziehung, die ebenfalls ein neues Arztbild im­plizierte: Der Arzt solle nicht der idealisierte, unfehlbare Superexperte sein, denn mit diesem Anspruch bediene er lediglich eine irrationale Technik- und Fortschrittsgläubigkeit und leugne die Grenzen der Medizin. Der Arzt überfordere sich außerdem mit diesem nicht erfüllbaren Auftrag. Richter forderte, dass der Arzt nicht als Held, sondern empathischer Heiler auftreten solle.

Kaum ein Psychoanalytiker hat sich so weit in die Sozialpsychologie und die Politik gewagt wie er. Sein kulturpsychologisch-psychoanalytisches Hauptwerk ist "Der Gotteskomplex" aus dem Jahr 1979. In dieser Abhandlung stellt er die These auf, dass der moderne Mensch seinen Glauben an Gott durch den an den naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt ersetzt hat. Die Angst vor Tod und Endlichkeit wird verdrängt. Richter analysierte auch später immer wieder die gesellschaftlichen Dimensionen in Verhaltensmustern des Einzelnen. Aber auch mit der Psychoanalyse selbst ging der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychosomatische Medizin kritisch ins Gericht. Sie dürfe kein Reparaturbetrieb zur Aufrechterhaltung eines gesellschaftlichen Verleugnungssystems sein.

Vielmehr sei die Psychoanalyse in einem gesellschaftlichen Kontext zu sehen. Für Richter steht fest, dass gerade der Therapeut einen besonderen Auftrag hat, denn er erfahre von den Belastungsfaktoren einer modernen Gesellschaft. Folgerichtig engagierte Richter sich in Zeiten des Kalten Krieges und der atomaren Bedrohung in der Friedensbewegung. Mit "Alle redeten vom Frieden" wurde er 1981 sogar eine Leitfigur dieser Bewegung. Er nahm an den Anti-Pershing-Demonstrationen in Mutlangen teil und trat als charismatischer Redner bei Protestkundgebungen auf. Ebenfalls zählte er zu den Gründern der deutschen Sektion der Initiative "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" (IPPNW), die 1985 den Friedensnobelpreis erhielt. In der Frankfurter Erklärung verweigerten die Unterzeichner jede Form der kriegsmedizinischen Fortbildung. Sie sahen es als ihre Pflicht an, die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass die Folgen einer nuklearen Katastrophe medizinisch nicht zu beherrschen seien. Dieses Engagement wurde in der Ärzteschaft kontrovers diskutiert. Für seinen unermüdlichen Einsatz erhielt Richter zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Theodor-Heuss-Preis, die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt und die Ehrenplakette der Landesärztekammer Hessen. Er ist Ehrenbürger der Stadt Gießen. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Forschungspreis der Schweizer Gesellschaft für Psychosomatik ausgezeichnet. Der Schriftsteller und Sozialphilosoph ist seit 1973 Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland.

Auch mit nunmehr 85 Jahren tritt Richter für seine Überzeugungen ein. Nach wie vor ist er im Vorstand des IPPNW. Darüber hinaus engagiert er sich in der Anti-Globalisierungskampagne "attac". Als Schriftsteller und Autor zahlreicher Essays ist er ebenfalls aktiv. 2006 publizierte er das Buch "Die Krise der Männlichkeit in der unerwachsenen Gesellschaft".

Seit 1947 steht seine Ehefrau Bergrun an Richters Seite. Er hat drei Kinder und sechs Enkel.

Horst-Eberhard Richter hat sich besondere Verdienste um die Psychoanalyse, die Psychosomatik und die Psychiatrie erworben. Für die Ärzteschaft war und ist er ein unbequemer Impulsgeber, der das ärztliche Selbstverständnis kritisch hinterfragt. Sein politisches und gesellschaftliches Engagement ist vorbildlich, besonders sein mutiger Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit. Richter hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

111. Deutscher Ärztetag in Ulm, 20. Mai 2008, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

© Bundesärztekammer 2008