TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik - Gesundheitspolitische Leitsätze der Ärzteschaft

Dienstag, 20. Mai 2008, Nachmittagssitzung

Dr. Rütz, Nordrhein: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer Frage starten. Herr Professor Hoppe, Sie haben das Beispiel mit den Ringen angeführt. Hat dieses Beispiel eigentlich einen richtigen Namen? Vielleicht "Hoppe-Zwiebel" oder "Hoppe-Kreisel"? Vielleicht sollte man eine Bezeichnung finden, damit es bei der Übermittlung an unsere Gesprächspartner etwas griffiger und plastischer wirkt.

Ich möchte etwas zur Attraktivität des Arztberufs sagen. Diesem Thema werden im "Ulmer Papier" ganze 57 Zeilen gewidmet, davon sieben Zeilen dem Bereich der Niedergelassenen. Nun mag man sagen: Das ist ein Thema der KBV. Das ist sicherlich richtig. Andererseits haben wir heute gehört, dass die KBV eine Auftragsselbstverwaltung ist. Das Vertrauen der Kollegen in die Auftragsselbstverwaltung ist nicht mehr so wie früher.

Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, warum die Attraktivität des Arztberufs sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Bereich nachlässt. Das liegt nicht nur am fehlenden Geld, sondern insbesondere an der überbordenden Bürokratie und an der Fremdbestimmung. Das ist ein besonderes Kennzeichen des Sachleistungssystems. Das Sachleistungssystem und die Bürokratie sind siamesische Zwillinge. Wenn wir an dieser Situation etwas ändern wollen, müssen wir uns mit dem Sachleistungssystem befassen.

Deshalb rege ich an, das "Ulmer Papier" um ein Kapitel "Sachleistungssystem" zu ergänzen, in dem wir uns kritisch mit dem Sachleistungssystem auseinandersetzen. Wir können dann schauen, was diese Bestandsaufnahme für uns an Zukunftsorientierung und Neuorientierung bringt.

Es gibt einen zweiten Grund, warum wir uns mit dem Sachleistungssystem beschäftigen müssen. Durch die Intransparenz ist das Sachleistungssystem das ideale Vehikel, um die Rationierung zu transportieren. Das wollen wir auch nicht. Deswegen müssen wir auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Rationierung, die wir nachgewiesen haben und die wir nicht haben wollen, so nicht kommt. Das heißt, wir müssen das Sachleistungssystem doch erheblich infrage stellen.

Der dritte Punkt ist - das ist der Kern der "Hoppe-Zwiebel", wie ich es einmal bezeichnen möchte - die Arzt-Patient-Beziehung als wesentlicher Bestandteil und Basis für die Neuorientierung, die wir ja vorhaben. Das wird nur funktionieren, wenn sich in der konkreten Beziehung nur zwei Personen befinden, nämlich der Arzt und der Patient, keine dritte Kraft in Form eines unsichtbaren oder imaginären Krankenkassenangestellten, der mit im Sprechzimmer sitzt, wenn Kassenpatienten behandelt werden.

Das sind negative Auswirkungen dieses Systems. Deshalb glaube ich, dass wir gut beraten wären, uns mit der Frage zu befassen, ob dieses Sachleistungssystem das zukünftige System für die ambulante Versorgung ist.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön, Herr Rütz. - Als nächster Redner Herr Kollege Joas aus Bayern.

© Bundesärztekammer 2008