Haus, Nordrhein:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mit etwas ganz
anderem beginnen, aber mein Vorredner hat mich jetzt doch herausgefordert,
etwas zu seinen Äußerungen zu sagen. Ich denke, dieses Papier ist eine Basis.
Es ist längst nicht alles abschließend abgehandelt. Wir werden vieles aus den
verschiedenen Erfahrungen heraus zu ergänzen haben.
Die Rückwärtsgewandtheit, die Sie, Herr Professor Dietrich,
eben angesprochen haben, kann ich überhaupt nicht erkennen. Es gibt eben Grundsätze,
die wir gern beibehalten möchten. Ich glaube, das sind Dinge, die sich nicht
mit Gegenwart, Futur oder Vergangenheit beschreiben lassen, sondern sie haben
etwas mit dem Arzt-Patient-Verhältnis zu tun. Darum kommen Sie auch mit einer
evidenzbasierten Medizin nicht herum; das haben Sie ja auch gesagt.
Ich beklage, wenn dieser Begriff benutzt wird, dass meistens
nur von der äußeren Evidenz gesprochen wird, nämlich den Untersuchungen,
weniger von der inneren Evidenz, nämlich der Erfahrung der Ärzte. Das können
Sie sich nicht wegdenken und auch nicht auslassen. Das ist der ganz wichtige
zweite Teil, der zu einer vernünftigen evidenzbasierten Behandlung gehört. Ich
meine, die Einseitigkeit, mit der Sie das hier dargestellt haben, wird der
Gegenwart nicht gerecht.
Ich stimme der Aussage des Präsidenten zu, dass es sich bei
der Medizin nicht um eine Naturwissenschaft handelt, sondern um eine empirische
Wissenschaft.
(Beifall)
Die evidenzbasierte Medizin ändert sich. Diejenigen, die schon
etwas älter sind, wissen, dass es alle fünf bis zehn Jahre zu einem
Krankheitsbild neue Erkenntnisse gibt. Nicht alles, was neu ist, ist richtiger,
denn es wird noch etwas Richtigeres kommen. Man sollte also bitte im Auge
behalten, wie relativ dies alles ist. Deshalb sind solche absoluten Aussagen
auch nicht viel wert.
Ich möchte auf die Eröffnungsveranstaltung zurückkommen. Ich
kann mir die Bemerkung nicht verkneifen, dass ich die Belanglosigkeiten, die
uns Frau Schmidt da serviert hat, fast provozierend fand.
(Beifall)
Ich frage mich: Warum war das so? War das so, weil sie weiß,
dass es sich nicht lohnt, mit uns zu diskutieren? Oder war das so, weil sie
irgendwo eingesehen hat, dass sie nicht mit allem, was sie bisher entwickelt
hat, so ganz recht hatte? Wollte sie einfach nur einen ruhigen Vormittag haben?
Keine Ahnung; da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ich fand es letztlich
bedauerlich. Ich finde, es kann immer noch positive Konsequenzen haben, wenn
man einen Konflikt bespricht, aber nicht, wenn man solche Belanglosigkeiten
austauscht.
Dagegen fand ich Ihren Vortrag, Herr Hoppe, sehr erfrischend,
ganz anders. Ich habe mich innerlich zurückgelehnt und Ihnen zugehört. Ich fand
Ihre Ausführungen vom Inhalt her natürlich sehr ernst, aber sie waren so
verpackt, dass man schmunzeln konnte. Ich habe mich allerdings gefragt, wie die
Presse darüber denkt, wenn wir bei der Rede unseres Präsidenten alle
schmunzeln. Ich hoffe, dass aus dieser Eröffnungsveranstaltung das Fazit
gezogen wird, dass sie in einer sehr angenehmen und, wie ich finde, sehr
entspannten Form stattgefunden hat, dort aber doch sehr ernste Dinge zur
Sprache gekommen sind.
Für mich bemerkenswert war, dass Sie, Herr Präsident, vom
Misstrauen im Arzt-Patient-Verhältnis gesprochen haben. Das ist etwas, was mich
immer sehr bewegt hat. Ich meine das Misstrauen, das dadurch entsteht, dass die
Patienten nicht mehr sicher sein können, dass ihre Ärzte in voller
Verantwortung mit begrenzten oder auch nicht begrenzten Mitteln das Beste für
sie zu erreichen versuchen, aber in gar keiner Weise davon profitieren, wenn
sie beispielsweise Sparmaßnahmen durchführen müssen.
Diese Systeme kommen, wie ich gelesen habe, schon wieder durch
die Hintertür. Die Arzneimittel-Bonus-Malus-Systeme will ich jetzt gar nicht
erwähnen. Es gibt ja doch wohl Bestrebungen, auch seitens der Krankenkassen,
die Gesamtbudgetverantwortung wieder einzuführen. Nachdem den Krankenkassen
durch den Angriff auf die Kassenärztlichen Vereinigungen gerade ein Mehr an Verantwortung
zugestanden wurde, möchten die Kassen dies eigentlich ganz gern wieder
zurückgeben. Es gibt konkrete Pläne, den Ärzten in bestimmten Regionen für
gewisse Versorgungselemente die Gesamtbudgetverantwortung zu geben. Das heißt
ganz konkret, wenn ein Medikament, eine Maßnahme, ein Hilfsmittel in diesen
Systemen nicht verschrieben wird, wird es dem Arzt in Zukunft schwerfallen, zu
begründen, warum er eine solche Verschreibung vorgenommen hat. Tut er es,
obwohl es überflüssig ist, oder tut er es vielleicht, weil es dem Gesamtsystem
wieder zufließt und damit indirekt die eigenen Honorare steigen?
Ich fordere Sie auf, sich sehr gut zu überlegen, ob Sie dieses
Misstrauen der Patienten auf sich laden wollen, ob Sie das Vertrauen, das Sie
bisher noch im großen Maße genießen, aufs Spiel setzen wollen.
Die Zeilen 35 bis 41 auf Seite 11, in denen auch von einem
etwaigen neuen "Professionenmix" die Rede ist, entsprechen meines Erachtens
überhaupt nicht dem, was wir in Zukunft haben möchten. Deswegen habe ich einen
Antrag mit unterzeichnet, der die Forderung enthält, diesen gesamten Absatz zu
streichen. Ich hoffe, Sie können dem zustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Frau Haus. - Jetzt Herr Kollege Albring aus Niedersachsen. |