Dr. Emminger, Bayern:
Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zum
"Ulmer Papier" und auch zu einem Antrag äußern, der Ihnen noch nicht vorliegt,
aber demnächst, wie ich hoffe, auf Ihren Plätzen liegen wird. Wir sollten uns
über die positiven Aspekte des "Ulmer Papiers" Gedanken machen, nicht nur über
die letzte Version, sondern vielleicht auch über die Versionen, die uns seit
dem Jahreswechsel 2007/2008 zugeleitet worden sind; denn aus den Veränderungen
dieses Papiers kann man ganz gut erkennen, welche Diskussionen wahrscheinlich
im Vorstand der Bundesärztekammer, aber auch zwischen den verschiedenen Gremien
stattgefunden haben. Wenn man das zu abstrahieren versucht, sieht man eine ganz
interessante Entwicklung.
Wir können dankbar dafür sein, dass das Präsidium den Auftrag
des Ärztetages in Münster zügig und schlüssig umgesetzt hat. In dem Antrag der
Delegierten aus Bayern haben wir zu Ihrer Kenntnis den Antrag von Münster als
Anlage beigefügt.
Zumindest eines ist erreicht worden: Wir haben jetzt innerhalb
der Ärzteschaft und vor allen Dingen innerhalb der Gruppe der gewählten
Mandatsträger, also unter den Delegierten der Landesärztekammern, eine
intensive Diskussion über das Thema, wie wir uns in den nächsten Jahren
positionieren wollen, welches unsere gesundheitspolitischen Leitaussagen sind.
Man sollte den Optimierungsbedarf hinsichtlich dieses Papiers
nicht kleinreden. Man muss sich hier und heute über den Optimierungsbedarf eine
Meinung bilden. Auch in diese Richtung zielt unser Antrag.
Natürlich lautet die zentrale Frage: Für wen ist das "Ulmer
Papier" gedacht? Herr Hoppe hat gesagt: Es ist zuallererst ein innerärztliches
Diskussionspapier. Herr Hoppe, mit Verlaub: Ich hoffe nicht, dass wir in jener
Sprache, in der dieses Papier verfasst ist, miteinander diskutieren, denn an
vielen Stellen finde ich mich als Ansprechpartner von Ihnen nicht wieder. Da
sprechen Sie die Politik an, da sprechen Sie die Allgemeinheit an. Aber wir
Ärzte sollten uns zumindest in der innerärztlichen Diskussion - vielleicht
kommt da auch das gewisse Unbehagen unter uns zum Ausdruck - um eine andere
Sprache bemühen, wenn es um grundsätzliche Positionen geht.
Es sollte nicht vergessen werden, dass sich dieses Papier in
zweiter Linie an unsere Patienten richtet. Ich glaube, wir haben es schon
nötig, auch unseren Patienten klarzumachen, unter welchen Rahmenbedingungen wir
arbeiten und welches unsere Forderungen an die Politik sind, damit wir unsere
Patienten gut behandeln können. Wir müssen auch hier eine Vertrauensbasis mit
unseren Patienten schaffen.
Herr Hoppe, Sie haben gesagt: Das kann auch zum Wahlkampfthema
werden. Natürlich sind auch unsere Patienten jene Wähler, die am Tag X ihr
Kreuz an der richtigen Stelle machen müssen.
Letztendlich hat dieses Papier natürlich als Zielgruppe auch
die Politik und die Gesellschaft.
Für mich müssen in diesem Papier die Ziele klarer zum Ausdruck
kommen. Für mich muss als Ziel in diesem Papier formuliert, bekräftigt und
untermauert werden, dass das Arzt-Patient-Verhältnis nicht noch weiter
beschädigt werden darf, als es derzeit schon beschädigt ist. Wir müssen die
Vertrauensbasis in unserem eigenen Interesse und im Interesse der Patienten
wieder aufbauen. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Basis weiter beschädigt
wird.
Ein zweiter ganz wichtiger Punkt, der in dem "Ulmer Papier" in
seiner letzten Fassung ein bisschen zu kurz kommt, ist folgender: Wir müssen
mit allen Mitteln verhindern, dass die Spaltung der Ärzteschaft durch Politik,
Gesellschaft und Medien weiterhin betrieben wird, wie das bisher der Fall war.
Folgende Frage sei schon erlaubt. Ich habe in den Unterlagen,
die uns zugeschickt wurden, nachgeschaut und festgestellt, dass über das "Blaue
Papier", das 1994 verabschiedet wurde, auch in den Jahren 1980, 1984 und 1986
diskutiert wurde. Ich habe mir die Mühe gemacht, vor diesem Deutschen Ärztetag
im Internet nachzuforschen, und zwar sowohl auf den Seiten der Bundesärztekammer
als auch auf anderen Seiten, und bedauerlicherweise findet man nirgends das
"Blaue Papier". Ich frage Sie: Wie sollen wir dem ärztlichen Nachwuchs
vermitteln, was Sie schon vor einigen Jahren beraten und beschlossen haben,
wenn wir der jungen Generation von Ärzten und der übrigen Gesellschaft
zumindest derzeit über das Internet diese Daten nicht zur Verfügung stellen?
Ich rege an, dies möglichst schnell nachzuholen.
Warum sollen wir das "Ulmer Papier" nicht an einigen Punkten
ergänzen und an einigen Stellen fortschreiben und erweitern? Vorhin wurde
gesagt: Wir brauchen eine Charta der Ärzteschaft. Man könnte auch sagen: Wir
brauchen aktualisiert einen Kodex für ärztliches Handeln. Vielleicht sind wir
doch gut beraten, das im Jahre 2008 fortzuschreiben.
Der bayerische Antrag geht dahin, dass die Bundesärztekammer
aufgefordert wird, die Arbeit am "Ulmer Papier" unverzüglich fortzuführen. Das
"Ulmer Papier" darf nicht das Schicksal etlicher Papiere erleiden, nämlich in
den Schubladen zu verschwinden und nicht mehr gelesen zu werden.
Unser Vorschlag lautet auf der Grundlage des
Ärztetagsbeschlusses von Münster, dass man die Themen noch einmal
konkretisiert, dass man sie zusammenfasst, dass man Themen vielleicht
priorisiert und dass man die Themen, die in Münster vorgegeben wurden, in
Module aufteilt und die gesamte Ärzteschaft - nicht nur die Bundesärztekammer -
diese Arbeit übernimmt, um diese Themen nochmals auszuarbeiten.
Ich frage mich schon, warum wir in der Bundesrepublik
Deutschland 17 Landesärztekammern haben, in denen die gesamte ärztliche
Kompetenz zusammengefasst ist, wenn der Vorstand der Bundesärztekammer diese 17
Landesärztekammern nicht auffordern kann, die einzelnen Module eigenverantwortlich
zu bearbeiten. Es könnte dann die Aufgabe des Vorstands der Bundesärztekammer
sein, die erarbeiteten Inhalte anschließend zusammenzufassen.
Ich halte es für dringend notwendig, dass dieses geschieht.
Die gesamte Bandbreite der Themen wird heute diskutiert werden. Vielleicht sind
in dem jetzigen Papier auch einige handwerkliche Ungenauigkeiten enthalten, die
unbedingt beseitigt werden müssen. Ich darf daran erinnern, dass Aussagen über
die ärztliche Selbstverwaltung in diesem Papier nicht vorkommen. Auf Seite 8
des Papiers wird zwar über die Selbstverwaltung gesprochen, der Begriff wird
mehrfach zitiert, aber nur im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss
im Sinne einer gemeinsamen Selbstverwaltung mit den anderen Partnern im Gesundheitswesen.
Das verstehen wir Ärztinnen und Ärzte nicht als ein zentrales
Anliegen, wohl aber, unsere ärztlichen Körperschaften darzustellen, ihren Wert,
ihren Sinn, aber auch ihre internen Konflikte. Das ist für mich ein ganz
zentrales Thema, über das wir Ärzte uns unterhalten sollten.
Ich möchte abschließend eine Äußerung von Herrn Montgomery
aufgreifen: Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir uns bei der
weiteren Diskussion über das "Ulmer Papier" zur Finanzierung des
Gesundheitssystems äußern. Das gibt auch der Beschluss von Münster aus 2007
her. Dazu sind wir beauftragt. So wurde damals mit sehr großer Mehrheit
beschlossen. Wir sollten Sorge dafür tragen, dass uns die Öffentlichkeit,
unsere Patienten, die Politik, die Medien nicht nur über unsere Aussagen zur
Finanzierung des Gesundheitssystems wahrnehmen, wie es in den vergangenen
Wochen in der Presse durchaus üblich war. Ich denke, es ist nicht nur eine
wichtige ärztliche, sondern auch eine staatsbürgerliche Aufgabe, dass wir uns
zur Finanzierung des GKV-Systems äußern. Insofern bitte ich um eine breite
Unterstützung unseres Antrags aus Bayern.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. - Es gibt jetzt eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung von Herrn Kollege
Clever. Sie kommt allerdings genau zu dem Zeitpunkt, als ich Frau Professor
Fischer aufrufen wollte, die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für
Gesundheit e. V. und bis vor Kurzem Mitglied des Sachverständigenrats des
Gesundheitsministeriums. Sie ist als Gast unter uns und kann das Rederecht
erhalten, wenn wir einverstanden sind. Wenn Herr Kollege Clever so freundlich
wäre, Frau Professor Fischer zunächst sprechen zu lassen, und wenn wir danach
über eine Redezeitbegrenzung entscheiden würden, wäre das Frau Fischer
gegenüber sehr höflich. Und wir wollen doch höflich sein. Sind Sie damit
einverstanden?
(Beifall)
- Gut. Dann Frau Kollegin Fischer, bitte schön. |