Prof. Dr. Henneberg, Hessen:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war am
Wochenende bei einem Familientag der Sippe Henneberg. Da gab es einen jungen
Zahnarzt, der aus bekannten Gründen ausgewandert war. Wir haben ja bereits
darüber diskutiert: Die jungen Ärzte fühlen sich bei uns nicht mehr wohl. Er
hat mir von einem hervorragenden Gesundheitssystem in Norwegen berichtet. Dort
steht beispielsweise Kindern bis zum 18. Lebensjahr die volle Präventivmedizin
zur Verfügung. Es zeichnet auch ein gutes Sozialsystem aus, dass es Altersheime
für diejenigen, die so etwas benötigen, frei zur Verfügung stellt.
Ich war sehr erschrocken, als ich nach meiner Rückkehr in der
"Wetterauer Zeitung" die Überschrift las: "Ärztepräsident für Rationierung".
Gott sei Dank habe ich heute früh lernen dürfen, dass die Journalisten unseren
Präsidenten offensichtlich falsch verstanden haben. Ich denke, wir alle sind
verantwortungsvolle Bürger einer Demokratie. Wir und unsere Mitbürger wollen
für unser Land möglichst Gutes bekommen. Wenn Sie Ihre Patienten oder Ihre
Freunde fragen, was sie sich darunter vorstellen, was wir brauchen, dann werden
neben Essen, Trinken und Wohnung eine vernünftige Gesundheitsversorgung und eine
vernünftige Bildung genannt. Ich glaube, da wird auch niemand widersprechen.
Leider ist es so, dass wir uns mit unseren Politikern nicht
mehr ganz verstehen. Wir haben keine Zwischeninstanz mehr. Früher konnte
einiges vom Bundesgesundheitsamt abgefangen werden. Aber das
Bundesgesundheitsamt gibt es nicht mehr. Das heißt, wir müssen unsere
Verantwortung selbst tragen, wir müssen klarmachen, was wir brauchen.
Ich möchte zum Schluss meine Bitte zusammenfassen. Ich denke,
wir alle sind uns hier sehr einig, dass wir gegen eine Rationierung sind. Das
haben wir im "Ulmer Papier" auch gut und diffizil ausgedrückt. Ich denke, wenn
jemand das Papier oberflächlich liest, bekommt er das gar nicht richtig mit.
Deshalb habe ich zwei Bitten, die ich nachher auch noch in Antragsform
einreichen werde. Was lesen denn die Journalisten? Sie lesen die Überschriften.
Dort steht: "Mit Mittelknappheit verantwortungsbewusst umgehen". Mir wäre eine
Überschrift wie "Mittelknappheit verantwortungsbewusst abwehren" lieber.
Noch viel wichtiger finde ich unsere Präambel, in der wir zum
Ausdruck bringen, was wir nicht wollen. Dort steht ganz vorsichtig: Wir sind
nicht schuld daran, dass rationiert wird. Das überlesen aber die meisten. Wir
haben das Wichtige in dem Text dunkel hinterlegt. Warum tun wir das nicht auch
in der Präambel, in der wir formulieren, dass wir als Ärzteschaft Deutschlands
gegen eine Rationierung sind?
Ich bedanke mich schön.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank.
Das kommt davon, dass die Artikel, die geschrieben werden - sie sind ja auch
häufig autorisiert -, das eine sind, aber das andere sind die Überschriften,
die von anderen gemacht werden. Diese Überschriften werden oft recht flüchtig
aus dem Text extrapoliert. Dann kommt ein Schlagwort heraus, damit es auch
gelesen wird. Die Leser wundern sich natürlich, dass eine Differenz besteht
zwischen der Überschrift und dem Inhalt des Artikels. Möglicherweise bemerken
die Leser das auch gar nicht. Andere übernehmen das ungeprüft - und schon ist
es passiert. Das ist leider nicht ganz selten der Fall.
Der nächste Redner ist Herr Kaiser aus Westfalen-Lippe. |