Dr. von Ascheraden,
Baden-Württemberg: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich möchte zu einigen Punkten des "Ulmer Papiers" etwas sagen. Auf
Seite 17 lautet die Überschrift:
Versorgungsforschung ausbauen als Voraussetzung einer
rational begründeten Weiterentwicklung von Strukturen des Gesundheitswesens
Präsident Jörg-Dietrich Hoppe hat heute Vormittag in seinem
Vortrag, wie er sagte, die Versorgungsforschung in einem ganz anderen
Zusammenhang erwähnt. Dazu hätte ich gern noch ein Wort der Erklärung: Brauchen
wir sie? Wollen wir sie? Oder ist die Versorgungsforschung Ausdruck der
Rationierung und nur unter den Bedingungen der Rationierung erforderlich?
Ich bin der Meinung, dass es ein Fortschritt ist, dass wir uns
auf dem vorjährigen oder vorvorjährigen Ärztetag zu einer Investition in die
Versorgungsforschung entschlossen haben, damit wir nicht nur eine
Grundlagenforschung und eine Arzneimittelforschung haben, sondern auch eine
rationale und selbstkritische Sicht unseres eigenen ärztlichen Handelns, das
wiederum in entsprechende Beschlüsse und Praktiken einfließen kann. Dazu hätte
ich gern ein klärendes Wort.
Der zweite Punkt ist: Auf Seite 23 steht, es sollen die
Voraussetzungen zur Einführung einer Positivliste geschaffen werden. Es heißt
aber auch:
Die Einführung einer Positivliste darf die
Therapiefreiheit im Patient-Arzt-Verhältnis nicht einengen.
Ich denke, auch hier liegt ein gewisser Widerspruch vor; denn
eine Positivliste soll ja gerade eine Begrenzung der verschreibungsfähigen
Medikamente herbeiführen, nicht nur wegen der Kostensenkung, sondern auch wegen
der Rationalisierung der Arzneimitteltherapie, die bei uns zum Teil uferlos
stattfindet. Ich glaube, auch hierüber muss man noch einmal nachdenken.
Drittens hätte ich gern auf Seite 14 zwei Sätze eingefügt.
Dort geht es um chronische Erkrankungen. Ich hätte in Zeile 50 gern die
Ergänzung - das wird noch umgedruckt -, dass die Suchtmedizin zu fördern ist
und dass die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Suchttherapie vor allem in
der substitutionsgestützten Therapie zu verbessern sind. Nicht alle von uns
sind in der Suchttherapie tätig, aber jeder von uns hat mit suchtkranken
Menschen zu tun. Das ist eine wichtige Schlüsselkompetenz, die sich die
Ärzteschaft in den letzten Jahren erarbeitet hat. Wir dürfen nicht zulassen,
dass wir diese Kompetenz wieder an andere Berufsgruppen verlieren. Deshalb
sollte es zumindest stichwortartig in das "Ulmer Papier" aufgenommen werden.
Ich danke Ihnen.
(Vereinzelt Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank,
Herr von Ascheraden. Ganz schnell die Erklärung: Was ich sagen wollte und was
mir hoffentlich gelungen ist, ist, dass wir jetzt die Versorgungsforschung
brauchen, weil es bei uns eine implizierte Rationierung gibt. Wenn so etwas
vorhanden ist, muss Versorgungsforschung betrieben werden, um zu analysieren,
wo es geschieht und wie es möglicherweise beseitigt werden kann. Gäbe es keine
Rationierung, bräuchten wir keine Versorgungsforschung. Da diese Rationierung
wahrscheinlich nie
oder auf absehbare Zeit nicht wegzubekommen ist, brauchen wir die Versorgungsforschung.
Dann ist es wichtig, dass wir uns als Bundesärztekammer in dieses
Forschungsfeld mit einbringen, damit diese Arbeit nicht nur von anderen
geleistet wird, die uns möglicherweise ihre Forschungsergebnisse vorhalten, mit
denen wir nicht einverstanden sein können.
Das ist leider so. Ich bin darüber nicht glücklich, aber die
Vernunft siegt in diesem Zusammenhang. Es muss die Versorgungsforschung leider
stattfinden.
Der nächste Redner ist Herr Dr. Windhorst, der Präsident der
Ärztekammer Westfalen-Lippe. Bitte schön. |