TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik - Gesundheitspolitische Leitsätze der Ärzteschaft

Dienstag, 20. Mai 2008, Nachmittagssitzung

Dr. von Ascheraden, Baden-Württemberg: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu einigen Punkten des "Ulmer Papiers" etwas sagen. Auf Seite 17 lautet die Überschrift:

Versorgungsforschung ausbauen als Voraussetzung einer rational begründeten Weiterentwicklung von Strukturen des Gesundheitswesens

Präsident Jörg-Dietrich Hoppe hat heute Vormittag in seinem Vortrag, wie er sagte, die Versorgungsforschung in einem ganz anderen Zusammenhang erwähnt. Dazu hätte ich gern noch ein Wort der Erklärung: Brauchen wir sie? Wollen wir sie? Oder ist die Versorgungsforschung Ausdruck der Rationierung und nur unter den Bedingungen der Rationierung erforderlich?

Ich bin der Meinung, dass es ein Fortschritt ist, dass wir uns auf dem vorjährigen oder vorvorjährigen Ärztetag zu einer Investition in die Versorgungsforschung entschlossen haben, damit wir nicht nur eine Grundlagenforschung und eine Arzneimittelforschung haben, sondern auch eine rationale und selbstkritische Sicht unseres eigenen ärztlichen Handelns, das wiederum in entsprechende Beschlüsse und Praktiken einfließen kann. Dazu hätte ich gern ein klärendes Wort.

Der zweite Punkt ist: Auf Seite 23 steht, es sollen die Voraussetzungen zur Einführung einer Positivliste geschaffen werden. Es heißt aber auch:

Die Einführung einer Positivliste darf die Therapiefreiheit im Patient-Arzt-Verhältnis nicht einengen.

Ich denke, auch hier liegt ein gewisser Widerspruch vor; denn eine Positivliste soll ja gerade eine Begrenzung der verschreibungsfähigen Medikamente herbeiführen, nicht nur wegen der Kostensenkung, sondern auch wegen der Rationalisierung der Arzneimitteltherapie, die bei uns zum Teil uferlos stattfindet. Ich glaube, auch hierüber muss man noch einmal nachdenken.

Drittens hätte ich gern auf Seite 14 zwei Sätze eingefügt. Dort geht es um chronische Erkrankungen. Ich hätte in Zeile 50 gern die Ergänzung - das wird noch umgedruckt -, dass die Suchtmedizin zu fördern ist und dass die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Suchttherapie vor allem in der substitutionsgestützten Therapie zu verbessern sind. Nicht alle von uns sind in der Suchttherapie tätig, aber jeder von uns hat mit suchtkranken Menschen zu tun. Das ist eine wichtige Schlüsselkompetenz, die sich die Ärzteschaft in den letzten Jahren erarbeitet hat. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir diese Kompetenz wieder an andere Berufsgruppen verlieren. Deshalb sollte es zumindest stichwortartig in das "Ulmer Papier" aufgenommen werden.

Ich danke Ihnen.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr von Ascheraden. Ganz schnell die Erklärung: Was ich sagen wollte und was mir hoffentlich gelungen ist, ist, dass wir jetzt die Versorgungsforschung brauchen, weil es bei uns eine implizierte Rationierung gibt. Wenn so etwas vorhanden ist, muss Versorgungsforschung betrieben werden, um zu analysieren, wo es geschieht und wie es möglicherweise beseitigt werden kann. Gäbe es keine Rationierung, bräuchten wir keine Versorgungsforschung. Da diese Rationierung wahrscheinlich nie
oder auf absehbare Zeit nicht wegzubekommen ist, brauchen wir die Versorgungsforschung. Dann ist es wichtig, dass wir uns als Bundesärztekammer in dieses Forschungsfeld mit einbringen, damit diese Arbeit nicht nur von anderen geleistet wird, die uns möglicherweise ihre Forschungsergebnisse vorhalten, mit denen wir nicht einverstanden sein können.

Das ist leider so. Ich bin darüber nicht glücklich, aber die Vernunft siegt in diesem Zusammenhang. Es muss die Versorgungsforschung leider stattfinden.

Der nächste Redner ist Herr Dr. Windhorst, der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Bitte schön.

© Bundesärztekammer 2008