Dr. Josten, Nordrhein:
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, meine Damen und Herren, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich gratuliere Ihnen dazu, einen der schönsten Berufe
der Menschheit ergriffen zu haben. Ihre Zweifel an meiner Aussage teile ich.
Die Freude an diesem Beruf lässt nach. Das müssen wir ändern. Deshalb sind wir
hier. Fragen und Dilemmata gab und gibt es seit den frühen Zeiten. Dies gilt
für Ärztinnen und Ärzte am Anfang ihres beruflichen Lebens ebenso für
diejenigen mit langer Berufserfahrung.
Doch diesmal ist es anders. Die Zufriedenheit im Beruf und
damit auch die Möglichkeit und die Kraft, an unsere Patienten Unterstützung und
Hilfe, Kraft und Trost weiterzugeben, schwinden rapide. Dies ist nicht allein
und nicht in erster Linie durch die Einkommensentwicklung bestimmt, auch wenn
diese zu einem bestimmten Maße Bestätigung und Anerkennung bedeuten. Dies gilt
zumal in einer auf Wettbewerb und am Ertrag orientierten Gesellschaft.
Der Entzug an Freude im Beruf ist vor allem durch den Verlust
an Kontrolle
über das, was wir tun, bestimmt. Wir stellen auch den Verlust an Autonomie in
der Patient-Arzt-Beziehung zum Wohle des Patienten fest. Zudem fehlen Perspektiven
in der beruflichen Entwicklung.
In Bonn, meiner Heimatstadt, findet zurzeit ein
internationaler Kongress zur Erhaltung der Artenvielfalt statt. Dort ist es das
Ziel, die Vielfalt zu erhalten. Im Gesundheitswesen ist das anders. Begriffe
wie Disease Management und Case Manager machen, ins Deutsche übersetzt,
deutlich, dass die individuelle Beziehung von Mensch zu Mensch, wie Professor
Richter es gestern formulierte, also der Vielfalt menschlicher Persönlichkeiten
zu entsprechen, nicht das politische Ziel ist. Mindestmengen und
Behandlungsstandards sind deutliche und deutsche Ausdrücke des industriellen
Normierungswahns im Gesundheitswesen.
Hier lassen sich Rationierungsmaßnahmen wohlfeil verstecken.
Was nicht passt, wird passend gemacht.
Das "Ulmer Papier" ist kein Minnesang an die Politik und auch
kein ärztliches Klagelied à la Nabucco, sondern der Beginn eines Krankenblatts
über die gesundheitliche Versorgung in Deutschland. Krankenblätter, ob
elektronisch oder auf Papier, werden letztlich nur in einem Fall geschlossen.
Also arbeiten wir weiter daran.
Bei allen Unebenheiten und Lücken im Text dieses Papiers:
Stimmen wir diesem "Ulmer Papier" zu.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank,
Herr Josten. - Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Roth-Sackenheim aus
Rheinland-Pfalz. |