Dr. Czeschinski, Westfalen-Lippe:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir
zwei Feststellungen. Erstens. Das "Ulmer Papier" ist bereits vor dem Ärztetag
als Positionspapier und nicht als innerärztliches Diskussionspapier von Presse,
Politik und Öffentlichkeit aufgenommen worden. Es ist auch so interpretiert
worden.
Zweitens. Das "Ulmer Papier" ist zu detailliert, als dass es
plakativ die grundsätzlichen Leitsätze der deutschen Ärzteschaft transportieren
könnte. Im Gegenteil, es erlaubt - das hat die große Anzahl an Änderungsanträgen
und Diskussionsbeiträgen hier im Plenum gezeigt - eine sehr breite
Interpretationsfähigkeit.
Ich komme zu den Folgen dieser Feststellungen. Wir haben
erlebt, dass bereits vor dem Ärztetag einige Inhalte des "Ulmer Papiers" oder
andere Aussagen aus dem Umfeld des "Ulmer Papiers" in der Diskussion zu einer
Situation geführt haben, die die Position der deutschen Ärzteschaft und unserer
Gesellschaft gefährdet. Ich nenne dafür zwei Beispiele; es gibt aber deutlich
mehr. Das erste Beispiel ist die Diskussion über die Rationierung. Wir haben in
dieser Diskussion in der Öffentlichkeit, in vielen Zeitungen und in den
Fernsehmedien den Eindruck hinterlassen, als würde sich die Ärzteschaft in
Zukunft direkt an Rationierungskonzepten beteiligen. Das heißt, wir haben ein
Stück der klaren Position auch gegenüber unseren Patienten und den Bürgern in
der Öffentlichkeit eingebüßt.
Wir haben auch sofort den Return der Politik erhalten. Sie
werden sich daran erinnern, wie Frau Schmidt in unserer Eröffnungsveranstaltung
klar erklärt hat, und zwar in Richtung der Ärzteschaft, die Rationierung nach
Katalog sei mit ihr nicht machbar. Das ist eine Folge der Diskussion über das
"Ulmer Papier" im Vorfeld des Ärztetages.
Als weiteren Punkt nenne ich die Beteiligung an der Debatte
über Details der Finanzierung. Ich muss hier direkt Kollegen Montgomery und
seinen Antrag ansprechen. Wenn man den Antrag genau liest, stellt man fest,
dass ein solcher Antrag auf der Klausurtagung einer Partei behandelt werden
könnte. Das heißt, die Ärzteschaft würde, wenn sie einem solchen Antrag folgte,
in der politischen Diskussion über die Finanzierung zur Partei. Das aber würde
zwangsläufig bedeuten, dass wir einen Großteil der andersmeinenden Bevölkerung
für uns Ärzte verlieren. Das sollten wir nicht tun.
Wir befinden uns im Moment in der großen Gefahr, die Allianz
zwischen Patient und Arzt, die uns viele Jahre getragen und Stärke bei den
Forderungen gegenüber der Politik gegeben hat, die auch dem Marburger Bund
Stärke bei seinen Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber gegeben hat, in der
Öffentlichkeit aufzukündigen und unseren größten Verbündeten, unseren
Patienten, dessen Anwalt wir sein wollen, zu verlieren.
Deshalb möchte ich Sie herzlich bitten, diejenigen Anträge zu
unterstützen, die erstens die Aussage enthalten, dass das "Ulmer Papier" so
nicht als Positionspapier missbraucht werden kann, die zweitens klarmachen,
dass eine Bearbeitung im Detail dringend notwendig ist und von uns auch
ernsthaft angegangen werden kann. Das sind zum Beispiel die Anträge 30 und 31
aus Westfalen-Lippe.
Herzlichen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. - Der nächste Redner kommt ebenfalls aus Westfalen-Lippe, nämlich der
Kollege Schröder. |